Kultur mit Kind, Nachgefragt

„Ich denke generell, dass man fast alles mit Kindern machen kann, aber eben immer in Kindergeschwindigkeit“.

Wie damit umgehen, wenn die Vierjährige plötzlich alleine zur Kita will? Wie lassen sich Familie und Run Pack Berlin vereinbaren? Wo in Berlin können Kinder in ein Becken mit echten Krebsen greifen? Und vor allem, was sich Mütter mehr trauen sollten: All diese Dinge hat mir Kathi, die Freundin einer Freundin, verraten. 

Stell Dich doch bitte kurz vor:

Kathi mit Eddie

Ich bin Kathi, 34 Jahre alt und wohne mit meinen Kindern Mia (8) und Helena (4) und deren Papa Flo und unserem Hund Eddie zusammen in Berlin Weißensee. Ich arbeite freiberuflich, zum großen Teil als Bekleidungstechnikerin. Seit Kurzem bin ich auch Trainerin zum Beispiel für Mütter und Schwangere bei Mom in Balance. Zum Glück lassen sich die beiden Tätigkeiten ganz gut miteinander kombinieren.

Halb Berlin scheint zu laufen, Du schon ein bisschen länger. Wie bist Du zu Run Pack gekommen? 

Ich habe bis ich ca. 16 war Leichtathletik gemacht und den Sport danach für viele Jahre an den Nagel gehängt. Vor ca. vier Jahren habe ich wieder mit dem Laufen angefangen, als Flo (arbeitet in einer Werbeagentur) für einen Kunden eine Lauf-App für‘s Handy bewerben sollte. Er hat mich nach meiner Meinung gefragt und mir ein paar Laufschuhe hingestellt. Mit einem Trainingsplan dieser App haben wir uns gemeinsam für einen 10km-Lauf angemeldet. Ich hab danach einfach nicht mehr aufgehört zu laufen. Irgendwie hab ich mein Limit noch nicht erreicht.

Kathi und ihr Mann Flo

Gemeinsam mit meinem Mann Flo und einigen anderen haben wir uns öfter zum gemeinsamen Laufen verabredet. Zuerst haben wir uns sonntags bei jemandem zu Hause getroffen und haben nach dem Lauf Kuchen gegessen. Als dann immer jemand eine/n Freund/in mitbrachte und die wiederum jemanden, ist das Run Pack quasi von selbst entstanden. Zuerst war es nur eine Facebook-Gruppe, um die Treffen mit vielen Läufern besser zu koordinieren. Dann haben wir uns einen Namen gegeben und wegen der vielen Leute musste bald auch eine Location als Treffpunkt her. Einer unserer Läufer hat irgendwann unser Logo gemacht. Aber diese Entstehung  hat bestimmt ein Jahr oder so gedauert; also bis wir es selbst als „Crew“ bezeichnet haben. Mittlerweile sind wir ca. 90 Leute und so soll es auch bleiben. Es ist uns wichtig, dass es kein anonymer „Lauftreff“ wird, sondern jeder jeden kennt. Deswegen nehmen wir zur Zeit auch keine neuen Mitglieder auf.

Mia und Helena

Von den Leuten mit denen wir laufen haben nur wenige Kinder. Natürlich ist es nicht immer leicht, Familienleben und Training unter einen Hut zu bringen. Für den festen Run Pack Dienstags-Lauf um 20 Uhr (10km)  haben wir einen Babysitter. Ein 16-jähriger Nachbar, den die Kinder mögen und der sie in‘s Bett bringt und sie alleine lässt, wenn sie schlafen. Einmal ist es schon vorgekommen, dass Mia mich während des Laufs angerufen hat und mir heulend mitgeteilt hat, dass sie Kopfschmerzen hat. Da bin ich dann einfach schnell nach Hause gelaufen und habe den ganzen Weg mit ihr telefoniert.

Die Kindern stehen bei Rennen, die in Berlin stattfinden oft am Straßenrand. Wenn wir beide laufen, dann zusammen mit den anderen aus der Crew, die dann zum großen „Cheer Pack“ werden und ordentlich Party machen. Da sind sie natürlich stolz, wenn wir vorbeirennen. Außerdem gibt es bei den meisten Läufen auch vorher „Bambinirennen“ wo beide sehr gerne mitmachen und stolz ihre Medaille nach Hause tragen.

Vor ein paar Jahren haben wir uns auf einem Festival drüber unterhalten, dass Du mit Deiner großen Tochter auf einer Party in der Bar 25 warst. Das hat mir nachhaltig imponiert. Wie oft macht ihr sowas heute noch? 

Auf das Piratenfest der Bar 25 bzw. im Kater gehen wir jedes Jahr. Das ist echt ein Highlight, weil das einfach so anders ist, als alle anderen Kinderaktivitäten in Berlin. (Da gibt es Mutproben, wo man einen Ring aus einem Becken mit echten Krebsen greifen muss und echtes Feuer ohne Sicherheitsabsperrung). Außerdem gehen wir mit den Kiddies auch zum Beispiel aufs MyFest am 1. Mai oder zum Karneval der Kulturen. Aber generell machen wir nicht viele sogenannte „Aktivitäten“ mit den Kindern. Wir sind letztes Jahr von Prenzlauer Berg direkt an den Weißensee gezogen (also für mich Stadtkind eigentlich schon auf‘s Land) und ich habe letztens festgestellt, dass ich mich noch nicht mal erinnern kann, wann ich das letzte Mal auf einem Spielplatz war. Mia, die Achtjährige, genießt es, einfach mit ihren Freundinnen draußen abzuhängen. Die klettern auf Bäume und sitzen da stundenlang und quatschen. Helena, die Vierjährige, hat im gleichen Haus einige sehr gute Freunde, mit denen sie oft stundenlang im Garten beschäftigt ist. Machmal sitzen Flo und ich nachmittags um 16:30 Uhr plötzlich alleine zu Hause. Ich glaube, wir sind gerade alle so zufrieden mit dem, was um uns herum ist, dass es uns nicht oft woanders hinzieht.

Was sollten sich Mütter öfter trauen? 

Ich glaube, dass alle Eltern sich trauen sollten, ihren Kindern viel zuzutrauen und sich selbst damit auch wieder Freiräume schaffen können. Mia wollte mit 4 Jahren alleine in die Kita gehen. Natürlich bin ich die ersten beiden Male hinterher geschlichen und hab aufgepasst. Aber als das Kind dann tatsächlich morgens alleine loszog, waren wir alle zusammen ziemlich stolz und ich konnte mit dem Baby zu Hause bleiben. Wenn die Kinder dann so selbstständig sind, gewinnt man viel Zeit für sich selbst. Das ist dann schön für alle.

Was sind Eure besten Familienausflüge? 

Ich denke generell, dass man fast alles mit Kindern machen kann, aber eben immer in Kindergeschwindigkeit. Ein Festival mit Kindern kann Spaß machen, wenn man nicht erwartet, voll auf seine Kosten zu kommen, sondern sich Zeit für die Kindern nimmt und partymäßig keine Erwartungen hat. Wir fahren für sowas aber zum Beispiel lieber ein Wochenende an die Ostsee.

Wofür brauchst Du heute definitiv noch einen Babysitter, und was klappt mit Kindern auch überraschend gut?

Ich arbeite freiberuflich von zu Hause aus. Das ging früher überhaupt nicht, als Helena (heute vier Jahre) noch kleiner war. Damals hatte ich einen Büroplatz in der Nähe gemietet.
Mittlerweile passiert es, dass ich mich morgens um acht Uhr an den Tisch setze und den Laptop aufklappe und Helena sich daneben setzt und malt oder Bücher anschaut. Sie bleibt mucksmäuschenstill, weil sie weiß, dass ich sie in die Kita bringe, sobald ich sie bemerke. Einmal ist mir erst um kurz nach zehn aufgefallen, dass der Morgenkreis schon vorbei ist und sie durfte den ganzen Tag zu Hause bleiben. Diese Morgenstunden mit Helena sind oft sehr schön und überraschend produktiv.

Meine Lieblingsfrage: Wie entspannst Du? 

Berliner HM 2015. Mia und Flo laufen ein Stück mit Kathi.

Wie du dir wahrscheinlich denken kannst, entspanne ich beim Sport, hauptsächlich beim Laufen. Sonntags laufe ich oft lange Strecken mit meinem Mann oder mit Leuten, die gerade das gleiche sportliche Ziel haben wie ich (diesen Sonntag zum Beispiel 30km in Vorbereitung auf den Kopenhagen-Marathon am 24.Mai). Nach so einem langen Lauf ist man zwar sehr müde und hungrig, aber auch wunderbar entspannt. Ansonsten bin ich momentan irgendwie dauerrelaxed (natürlich nicht immer!). Die Kinder sind auf einmal größer geworden und brauchen viel weniger Aufmerksamkeit und meine Aufträge als Freelancer sind so frei und gut, dass ich wirklich entspannt sein kann.

Offen bleibt: Wie alt ist eigentlich Eddie?
Danke Kathi. 

(Bilder wurden freundlicherweise von Kathi zur Verfügung gestellt.)

Ihr habt auch ein Kind, interessiert Euch für Kultur und möchtet darüber reden? Schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com.
Meine Interviewpartner über Kultur und Kind waren bereits:

Nicole vom Kinderbekleidungs-Label Emma und Käthe: „Mein Mann und ich sind ziemliche Spießer“
Alu und Konstantin vom Familienblog Grosseköpfe: „Wir partizipieren anders, aber nicht weniger“.
Andrea vom Runzelfüsschen-Blog: „Liebeserklärung an das Lesen“.
Susanna vom Babyplausch-Blog: „Interview mit einer Berliner Bloggerin“.
Erotik-Autorin Andrea Blumbach: „Der Vorteil von Schubladen“.
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