Kultur mit Kind, Nachgefragt

„Vor einiger Zeit meinte der Mann zu mir, dass er den Zwerg als sein Kind sähe“. / Alleinerziehend und Vereinbarkeit

Wie sie das Leben als Alleinerziehende meistert, was sich verändert, wenn da plötzlich ein neuer Partner ist und über Probleme in der Arbeitswelt: Darüber habe ich mit Jessica vom Blog Zwerg und Meer gesprochen. Meine „Kultur mit Kind“ Interviewpartnerin kommt diese Woche aus Greifswald. 

Stell Dich doch bitte mal kurz vor. 

Mir wurde der Name Jessica gegeben. Hatte da leider kein Mitspracherecht. Mittlerweile zeigt die Uhr 29 Jahre an, aber das ist ja nur eine Zahl. Geboren bin ich an der Küste. Eine (für mich) kleine Stadt : Greifswald. Geprägt durch unsere Uni und einige bekannte Personen, die hier mal gelebt haben.
Wegen der Arbeit bin ich Ende 2007 nach Hamburg gezogen. Dort fand ich auch die Liebe. Und ich verliebte mich sofort in die Stadt, würde da ja nur zu gern wieder leben, aber leider nicht gerade das billigste Flecken Erde. 2011 kündigte sich, recht spontan, der Zwerg an. Da das Leben nicht immer fair spielt, zog ich dann wieder in die Heimat. Familie und so. Manchmal geschehen Dinge ja aus Gründen. Seit dem sind wir beide auf uns alleine gestellt.
2013 kam ich dann zum Bloggen. Mein kleiner Ausgleich zum Alltag. Dort schaffe ich es, mir Dinge von der Seele zu schreiben, die ich sonst nirgends erzählen kann. Zwischendurch hatte ich eine kleine Pause, mir fehlte der Elan zum schreiben. Doch mittlerweile bin ich wieder gern am Rechner und schneide so manche Themen an.  Ich

versuche darüber auch zu zeigen, wie das Leben als Alleinerziehende so ist. Denn die Medien stellen es manchmal komisch verzerrt da. Was so nicht stimmt. Und man hat da so einiges zu erzählen.
Seid diesem Jahr bin ich auch nicht mehr allein. Der Mann ist da. Alles noch recht frisch, manchmal chaotisch, aber wir lieben uns und müssen in dieses Leben erstmal hineinfinden.
Der Zwerg ist bisher der Mini-Chef im Haus. Und das wird auch noch lange so bleiben. Irgendwann wird es, neben dem Sternchen, noch ein Geschwisterchen für ihn geben. Bin selber mit zwei kleineren Brüdern aufgewachsen und finde es schöner, wenn man nicht alleine ist. Doch dafür müssen erst noch ein paar Baustellen angegangen werden.

Du bist alleinerziehend. An welchen Stellen empfindest Du das als besondere Herausforderung? 
Alleinerziehend zu sein ist nicht immer ein Spaziergang. Ausgesucht habe ich es mir nicht, daher versuche ich das Beste draus zu machen. Mein Vorteil ist wohl, das ich es von Beginn an so kenne. Bereits in der 8. Schwangerschaftswoche entschied sich das so. Doch es gab für mich keinen Zweifel daran, das ich es nicht schaffe. Im ersten Jahr war es für mich zeitweise die Hölle. Wenn der Zwerg abends seine Schrei-Bock-Phasen hatte. Manche Abende ließ ich ihn, denn ich konnte nicht mehr und musste selber erstmal weinen.
Mit der Zeit haben wir uns eingespielt. Hier und da ecken wir noch an, aber wir lernen ja noch.
Kurz vorm zweiten Geburtstag kam der Zwerg in die Krippe. Für mich eine Wohltat. So hatte ich endlich Zeit für mich. Ungewohnte Freiheiten. War ich doch vorher 24/7 Mutter, hatte ich endlich einmal die Möglichkeit durchzuatmen. Doch bin ich halt immer noch die meiste Zeit im Dienst.
Eher selten schläft der Zwerg mal bei der Oma. Das ist für mich dann schon purer Luxus. Meist sind wir zusammen. So ist es dann oft schwer, wenn man am Abend allein dabei sitzt und Zeit zum Nachdenken findet. Man zweifelt manches an. Aber es bringt einen nicht weiter. Das ganze hat mich auch ein wenig in die Depression gebracht. War vorher ab und an schon mal. Aber dadurch wurde es wieder mehr. Ich musste mir einen Weg suchen, das Ganze in den Griff zu kriegen.
Alles was den Zwerg angeht, entscheide ich selber, finanziere ich selber. Seid beginn. Vom Kindesvater ist da nie groß was gekommen. Er hat ne neue Familie gegründet. Anfangs war ich so sauer und wünschte ihm die Pest an den Hals. Doch nun sag ich mir „Irgendwann kriegt jeder das was er verdient“. Ich rege mich nicht mehr drüber auf. Möchte der Zwerg ihn irgendwann mal kennenlernen, darf er das. Dem würde ich nie im Wege stehen.
Der Punkt des „Alleinerziehend seins“ ist besonders bei der Arbeitssuche ein großer negativer Punkt. Denn die meisten Bewerbungen sind bisher bei mir ohne Reaktion geblieben. War dann mal ein Vorstellungsgespräch, war das Kind immer der Grund warum es nicht klappte. Ich habe nur die Kindergartenzeiten, welche sich ab August endlich etwas bessern. Er könnte dann von 6-17 Uhr gehen. Und das reicht leider nicht. So kann ich nicht mehr groß Anforderungen stellen.
Klar wir haben die Oma, die mich auch unterstützt, aber es kann ja nicht sein, das ich neben der einen Betreuung noch eine zweite brauche. Wenn ich das bezahlen müsste, diese dopplete Last, müsste ich nicht arbeiten gehen. Sorry, aber so ist es leider, denn dann würde das meiste Geld nur allein dafür drauf gehen. Nun hat sich zum Glück endlich was getan und ich kann als Aushilfe arbeiten. Ohne die Oma aber nicht machbar. Dann hätte ich diesem Job nicht zustimmen können. Dringender Handlungsbedarf in der Politik.

Auf Twitter habe ich gelesen, dass Du seit Kurzem einen neuen Partner hast.Wie gut lässt sich das Vereinbaren, Dates und Familienleben, und wo gibt es Überschneidungen?
Die Suche nach einem neuen Partner war nicht leicht. Dates sind nicht wirklich planbar. Ich denke, da wir uns beide schon eine Weile kannten (unser 3. Anlauf) war das unser Vorteil. Bisher hatten wir aber nur einen Abend ohne Kind. Der dann aber nicht so gut war. Er kommt am Abend zu mir, wenn der Zwerg meist schon im Bett ist. Ich hätte gerne ab und an mal einen Paarabend, wo nur wir beide sind. Doch das lässt sich schlecht einplanen. Er ist sehr viel beschäftigt und bei mir mangelt es dann am Babysitter. Da Bedarf es dann schon Planung und frühzeitigem Bescheid sagen bei der Oma. Anders gehts halt nicht. Und Geld für einen fremden Babysitter auszugeben? Nein, ich könnte keinem Fremden mein „Baby“ überlassen.
Da er selber Kinder hat, ist es für ihn nichts Fremdes. Und der Zwerg findet alles super. Der ist total begeistert vom Mann und ich bin dann immer abgemeldet. Es ist seine erste männliche Bezugsperson, was man dabei schon sehr merkt. Sie mögen sich beide, was wirklich schön ist. Das war aber schon von Anfang an so. Vor einiger Zeit meinte der Mann zu mir, dass er den Zwerg als sein Kind sähe. Das war für mich natürlich der Punkt, wo ich mir gesagt hab, der bleibt 🙂
Es ist noch viel Arbeit, um das Familienleben besser in Einklang zu bringen. Denn auch der Zwerg möchte mit einbezogen werden. Was ich manchmal ankreide, da der Mann das nicht so auf dem Schirm hat. Ich habe mich aber an diese „Macke“ bereits gewöhnt.
Die Umstellung von Single auf Beziehung ist aber alles andere als einfach. Machte man vorher alles alleine, plante und organisierte: Ist da nun jemand, der auch miteinbezogen werden möchte und sollte. Es ist ein Spagat, dem Ganzen gerecht zu werden. Und in manchen Punkten bin ich schnell gereizt und reagiere über. Hat sich zwar schon gebessert, ist aber noch ausbaufähig.
Für mich war es am Anfang am schwersten, den Mann so nah an den Zwerg heran zu lassen. Ich konnte nicht richtig loslassen. Sie verstanden sich von Anfang an und machten was zusammen. Da musste ich lernen, das ich nun auch mal ein wenig abgegen kann. Mir einen Moment Ruhe gönnen kann.

Du wohnst in Greifswald. Welche Ausflüge kannst Du in dieser Gegend für junge Familien besonders empfehlen? 

Wo man hier was machen kann? Puh, ich muss zugeben, manches kenne ich immer noch nicht. Und es gibt einiges, wo man mal hin kann. Direkt in Greifswald fällt mir nur die Klosterruine ein, was aber für einen Familienausflug dann doch etwas wenig ist. Dafür muss man schon weiter. In Stralsund ist der Tierpark einen Besuch wert. Da sind wir öfter. Und auf jedenfall das Meeresmuseum. Als Kind war ich schon immer da und nun darf der Zwerg das erleben. Da ist ein Besuch ein Muss und ich kann es empfehlen. Fährt man noch ein wenig weiter kommt man nach Rostock. Der Rostocker Zoo ist ganz klar einen Besuch wert. Möchte man den ganzen Tag irgendwo verbringen dann ab zu Karl´s Erbeerhof. Den liebt der Zwerg. Es kostet nichts. Wenn man es schafft nichts im Hofladen zu kaufen, was aber schier unmöglich ist. Und man kann den ganzen Tag da verbringen. Wir sind regelmäßig da.
Auch Rügen ist wirklich schön. Dort gibt es viele Ecken, wo man mal gewesen sollte. Kreidefelsen und so. Möchte man Meer und Sand dann ab nach Usedom. Eine Badeort reiht sich an den nächsten. Wasser und Strand ohne Ende. Traumhaft kann ich nur sagen.
Das wären jetzt so ein paar Punkte, die mir hier in der Nähe einfallen würden. Gibt bestimmt noch mehr, aber wir haben auch noch lange nicht alles für uns entdeckt. Der Zwerg wird ja erst noch groß, da haben wir noch genug Zeit.

Und meine Lieblingsfrage: Wie entspannst Du?
Am besten schaffe ich das Entspannen in der Badewanne. Dazu ein wenig Musik und ich kann abschalten. Gerade nach einem stressigen Tag mit dem Zwerg, kann das sehr gut tun.
Wobei ich aber auch sehr entspannen kann ist die die Nähmaschine. Das Nähen ist für mich eine Art Therapie geworden. Einfach an nichts denken und dabei was schaffen. Dazu Musik auf die Ohren und ich bin danach total entspannt. Daran stört mich auch niemand.

Danke. 

Die Fotos wurden freundlicherweise von Jessica zur Verfügung gestellt.

Weitere Kontakt- und Folgemöglichkeiten :

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Ihr habt auch ein Kind, interessiert Euch für Kultur und möchtet darüber reden? Schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com. 

Eine Übersicht über alle bisher geführten Interviews findet Ihr hier


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