Familienrollen, Kultur mit Kind

Künstliche Befruchtung: „Es war jede einzige Träne und jeden einzelnen Cent wert.“ / Tanja in den Familienrollen

Mit ihrem Partner hat Tanja zwei Kinder. Sie lebt in einer deutschen Großstadt und bloggt sehr erfolgreich. Hier möchte Tanja (Name geändert) anonym bleiben, denn sie erzählt wie ihre Kinder entstanden sind: durch eine Samenspende. Wie es dazu kam, und wie ihre Familie damit umgeht, erzählt sie in den Familienrollen

Du und Dein Partner habt gemeinsam zwei Kinder, die durch Samenspende entstanden sind. Wie war der Weg dahin? War Euch von Vornherein klar, dass Ihr hierbei Unterstützung benötigt?

Ja, wir wussten von Anfang an, dass es schwierig werden würde, unseren Wunsch zu realisieren. Mein Freund hatte relativ spät in der Kindheit Mumps. Man geht davon aus, dass diese Erkrankung schuld daran war, dass sich in seinem Ejakulat keinerlei Spermien befanden. Die Diagnose lautete „Azoospermie“. Er hatte schon mit seiner Ex-Frau drei künstliche Befruchtungen hinter sich. Dafür wurden die Hoden aufgeschnitten und dort Samen entnommen – in einigen Fällen findet man dort tatsächlich etwas. So war es auch bei ihm. Die Behandlungen führten jedoch zu keiner Schwangerschaft, aber es gab auch einige gesundheitliche Einschränkungen bei seiner damaligen Frau, so dass wir zumindest eine geringe Hoffnung hatten, dass es doch „einfach so“ klappen könnte.

Nach zwei recht entspannten Zyklen begann ich mit den Methoden der natürlichen Familienplanung den Eisprung genauer zu bestimmen. Allerdings wurde uns recht schnell klar, dass unsere Hoffnung vergebens war. Nach 10 „Übungszyklen“, die etwa ein Jahr in Anspruch nahmen, ließen wir uns einen Termin in der Kinderwunschklinik geben. Dort wurde ein Spermiogramm gemacht und dabei die Azooospermie noch mal bestätigt. Da die Spermienentnahme aus dem Hoden schon einmal Erfolg gebracht hatte, planten wir einen zweiten solchen Eingriff. Parallel dazu spritzte ich mir Hormone, um möglichst mehrere Eizellen heranwachsen zu lassen. Am Tag der Eizellentnahme kam dann der Schock: Auch im Hodengewebe waren keine Spermien mehr zu finden. Meine Eizellen wurden eingefroren und wir mussten überlegen, wie es weiter geht. Das waren wirklich schlimme Stunden.

Mein Freund hatte schon mit seiner Partnerin einen Adoptionsantrag in unserem Landkreis gestellt. Er war mit 40 Jahren auch schon relativ alt, so dass uns klar war, dass wir auf diesem Wege wenig Chancen haben würden. Die einzige Alternative war also, Spendersamen zu verwenden. Für meinen Freund war das keine große Sache – sofort nach der Diagnose im Krankenhaus sagte er: „Dann machen wir das eben mit einem Spender“. Ich brauchte ein paar Tage, um das zu verkraften, aber als die Entscheidung getroffen war, fühlte ich mich damit wohl.

Da auch bei mir gesundheitliche Einschränkungen festgestellt wurden, führten wir zwei weitere künstliche Befruchtungen durch. Es dauerte insgesamt zwei Jahre, bis wir am Telefon den erlösenden Satz hörten: „Herzlichen Glückwunsch! Sie sind schwanger!“ Für das Geschwisterchen haben wir wieder drei Versuche gebraucht, dieses Mal mussten wir nur 9 Monate warten, bis es geklappt hat. Beide Schwangerschaften waren vollkommen unkompliziert.

Wie offen seid Ihr in der Zeit der Kinderwunschbehandlung damit umgegangen?

Damit sind wir sehr offen umgegangen – im Grunde wusste fast das gesamte Umfeld, dass wir medizinische Hilfe in Anspruch nahmen. Ich war schon immer der Meinung, dass das ein Thema ist, das unbedingt aus der Tabuzone raus gehört und trug so meinen Teil dazu bei. Wir haben nie irgendwelche negativen Reaktionen erlebt. Die meisten waren sehr interessiert, wie sowas abläuft. Anders sieht es mit der Samenspende aus – diese Tatsache haben wir bis heute weitestgehend geheim gehalten. Nur die Eltern meines Freundes und sein bester Freund wissen davon – nicht mal meine Eltern sind darüber informiert. Anders, als bezüglich der Zeugungsart sind wir der Meinung, dass das ein Umstand ist, bei dem unsere Kinder selbst entscheiden sollen, wer darüber Bescheid weiß.

Eure Kinder sind noch relativ klein: Habt Ihr vor Ihnen später etwas über Ihre Entstehungsgeschichte zu erzählen?

Unsere Kinder sind jetzt 4 und 7 Jahre alt und sie wachsen mit dem Wissen auf, dass das Spermium, mit dem sie gezeugt wurden, von einem anderen Mann ist. Der Fakt lässt sich recht einfach in die normalen Aufklärungsgespräche einweben und es ist für sie noch nichts Besonderes. Es ist so wenig besonders für sie, dass sie an dem Thema nicht sonderlich interessiert sind. Aber das wird sich in den nächsten Jahren sicher ändern. Vermutlich werden sie auch den Spender irgendwann kennenlernen wollen. Wir wissen sehr wenig von ihm – nur dass wie groß er ist, was er wiegt, dass er blaue Augen und  braune Haare hat und Abitur.

Welche Erfahrungen aus der Kinderwunschzeit sind Dir am prägendsten in Erinnerung?

Die Zeit war ganz fürchterlich für mich. Hätte mir vorher jemand garantiert, dass ich am Ende mit zwei Kindern glücklich sein werde, hätte ich alles gelassen ertragen können. Ich hätte auch zwölf Behandlungen klaglos über mich ergehen lassen. Die Behandlung als solche empfand ich nicht als schlimm, die psychische Belastung war sehr viel schlimmer. Zunächst einmal war es furchtbar, der Reproduktions-Maschinerie so hilflos ausgesetzt zu sein. Sowohl der Kinderwunscharzt als auch der Samenbankinhaber waren egozentrische, überhebliche, unempathische Ärzte, denen es gefühlt nur ums Geld ging. Der Mensch und sein Schicksal waren völlig nebensächlich, behandelt wurde nach Schema F, es war überhaupt kein Interesse da. Das war wirklich furchtbar. Man hat sich so allein gefühlt und war so machtlos. Am allerschlimmsten waren die „Warteschleifen“ – so nennt man die Zeit, zwischen dem Einsetzen des Embryos und dem Schwangerschaftstest. Das sind üblicherweise 12 bis 14 Tage und es ist grauenvoll! Jedes körperliche Symptom wird registriert, bewertet, hinterfragt. Man schwankt ständig zwischen Euphorie und Depression. Und wenn man dann am Telefon hören muss: „Tut uns leid, es hat leider nicht geklappt“, dann tut das unfassbar weh. Alles umsonst! Und das viele Geld…. Die ständige Angst, am Ende ohne Kind da zu stehen, ist so schrecklich.

Welche Tipps würdest Du Paaren mit auf den Weg gehen, die am Anfang einer Kinderwunschbehandlung stehen?

Es gibt vermutlich nichts, das diesen Weg erträglicher macht. Ich kann nur zu Zuversicht raten – ganz vielen Paaren kann recht schnell und unkompliziert geholfen werden. Ich hatte irgendwann gelesen, dass nach 12 Versuchen 95 % aller Frauen schwanger sind. Das Problem sind die immensen Kosten. Von der gesetzlichen Versicherung werde nur 3 Versuche zu 50 % übernommen. Danach ist man Selbstzahler – und dann wird es unter Umständen richtig teuer. Für eine künstliche Befruchtung rechnen Ärzte bis zu 8.000 EUR (und teilweise sogar noch mehr) ab. Ich habe mich schon früh erkundigt, wie man Kosten sparen kann und wusste so, dass wir weitere Zyklen für etwa 2.300 EUR hätten durchführen lassen können. Auch eine Menge Geld, aber die hätte man notfalls irgendwie sparen können.

Wichtig war für mich, dass ich mich nicht so alleine fühlte. Im Internet gibt es mehrere Foren, in denen man sich bei unerfülltem Kinderwunsch austauschen kann. Das nimmt einem so ein bisschen die Unsicherheit und man fühlt sich nicht ganz so verloren. Es wird eine turbulente Zeit und man wird an nichts anderes mehr denken können. Das ist normal. Rückblickend kann ich immer nur sagen: Es war jede einzige Träne und jeden einzelnen Cent wert.

Danke Dir für Deine Offenheit, liebe Tanja und alles Gute für die Zukunft. 

Wenn Euch das Thema Kinderwunschbehandlung interessiert, ist vielleicht auch das Interview mit Eni oder Helge für Euch hilfreich. 

Ihr habt auch eine außergewöhnliche Familiengeschichte? Oder eine Idee, welches Thema unbedingt mal in den Familienrollen vorkommen sollte? Dann schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com. 

Previous Post Next Post

You Might Also Like