Ich mit Buch
Elternfragen

Trotzphase: „..Das Gehirn eines Kindes, das gerade einen Wutanfall hat, ist in einer akuten Krise…“-Elternfragen-Interview mit Expertin Katja Seide

Mit „Elternfragen“ möchte ich ab sofort einmal wöchentlich mit Experten reden, Mythen hinterfragen und Antworten auf Fragen finden, die sicher nicht nur mich beschäftigen. Fragen stellen finde ich nicht nur bei Kindern wichtig.

 

Heute geht es um das Thema Trotzphasen. Wie komme ich mit der eigenen Hilflosigkeit klar, was mache ich, wenn im Supermarkt die Post abgeht und welche Fragen sind wirklich wichtig: Antworten gibt Katja Seide (alias Snowqueen vom Blog „Das gewünschteste Wunschkind„), die mit ihrer Kollegin grad den Bestseller Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn: Der entspannte Weg durch Trotzphasen (Amazon Link) zum Thema geschrieben hat.

 

Manche sagen heute, dass es das „Trotzalter“ gar nicht gibt. Ihr habt einen Bestseller über den erfolgreichen Umgang mit Trotzphasen geschrieben: Wie würdest Du die „Trotzphasen“ definieren?

Die Kernaussage unseres Buches ist eigentlich, dass es den Trotz, den unsere Eltern und Großeltern in unseren Kindern zu erkennen glauben, eigentlich gar nicht gibt. Es gibt natürlich Wutausbrüche und Verweigerung, es gibt Auf-den-Boden-werfen vor Verzweiflung und es gibt „Du doofe Mama!“-Aussagen, aber das alles passiert nicht, wie die Experten früher dachten, um „die Grenzen auszutesten“ oder „zu sehen, wie weit man gehen kann“. Auch die Definition einer „Ablösung von den Eltern“ im Sinne einer Autonomiephase halte ich nicht für ganz richtig.

 

Das heißt aber nicht, dass ich nicht sehe, dass es in jedem Fall eine sehr herausfordernde Phase im Alter zwischen etwa einem und fünf Jahren gibt. Über diese Herausforderungen und ihren Ursprung haben wir geschrieben. In dieser Zeit erlernen Kinder zum Beispiel den Umgang mit bisher unbekannten Emotionen. In dem Moment, in dem ein Kind erkennt, dass es eine eigenständige Person ist und seine Wünsche nicht immer mit denen seiner Umwelt übereinstimmen, fühlt es zum Beispiel zum ersten Mal Wut. Dieses Gefühl ist neu, es ist überwältigend und überfordert mit seiner Wucht das Gehirn, so dass es dort zu einer emotionalen Kurzschlussreaktion kommt. Wenn ein Kind noch nicht gut genug mit Worten ausdrücken kann, was es will, wird es vor Verzweiflung wütend. Wenn ein Kind etwas aus Neugier und Lernwillen ausprobieren möchte, aber seine Eltern das nicht zulassen, wird es wütend. Wenn ein Kind etwas schaffen möchte, aber es gelingt nicht so, wie es sich das vorstellt, wird es wütend.

 

Dieses Gefühl – und all die anderen Gefühle auch – beherrschen zu lernen, dazu braucht das Kind viel Zeit und viel Übungsraum. Ich glaube, dass die sogenannte Trotzphase eben die von der Natur eingerichtete Spielwiese ist, diese Gefühle zu erleben, zu lernen, sie gesellschaftsfähig auszudrücken und sie als normalen und guten Bestandteil des eigenen Charakters zu integrieren. Das heißt, dass wir Eltern uns im Prinzip über jeden Wutanfall freuen könnten, da er unser Kind ein Stück weiter in seiner Entwicklung bringt. Aber ok, dieser Gedanke ist vielleicht eher utopisch. Ich bin auch genervt, wenn mein Sohn (2,5) zum fünften Mal am Tag schreiend zusammenbricht, weil DER DOOFE BAUSTEINTURM NICHT STEHEN BLEIBT….wuuuääääh! Da kann ich mir noch so oft sagen, dass er gerade lernt, mit kleinen Frustrationen umzugehen – mich stört das Geschrei trotzdem. Ich schimpfe deswegen aber nicht, oder rede seinen Frust klein („Das ist doch nicht so schlimm!“), und ich zeige ihm auch nicht die kalte Schulter, wie es die Generationen unserer Eltern oder Großeltern vielleicht in dieser Situation gemacht hätten.

 

Euer Buch habe ich wirklich gerne gelesen und mich in vielen Dingen wiedergefunden. Besonders gut gefallen hat mir die Kernaussage „So viele Ja’s wie möglich“ machbar machen. Welche Tipps hast Du hier für den Alltag?

Foto BestsellerlisteUns Eltern wird ja gerne eingeredet, wir würden kleine Tyrannen heranziehen, wenn wir zu viel erlauben. Wir würden schon sehen, dass unsere Kinder uns irgendwann auf der Nase herumturnen würden. Aus dieser Angst heraus sagen viele Eltern zu oft Nein. Das führt aber möglicherweise bei ihren Kindern zu innerem Frust, denn ihr natürliches Explorationsverhalten wird dadurch sehr gestutzt. Das wiederum kann dazu führen, dass die Kinder ihrerseits nicht mehr kooperativ sind – es wird ihnen ja nicht vorgelebt. Wir plädieren deshalb dafür, diese Angst des Verwöhnens abzulegen, und eine „Ja-Umgebung“ zu schaffen, also die Wohnung für eine Zeit lang so einzurichten, dass man möglichst wenig verbieten muss.

 

Ich zum Beispiel habe, als meine Töchter klein waren, die Toilettenbürste nach oben weggestellt, weil ich nicht wollte, dass sie dieses keimige Ding untersuchen. Dafür habe ich ihnen eine neu gekaufte Bürste ins Kinderzimmer zum Spielen gegeben. Die konnten sie meinetwegen auch anlecken und ihre Neugier so ganz und gar ausleben. Als sie dann alles über die Toilettenbürste wussten, was es zu wissen gibt, und nicht mehr scharf darauf waren, konnte ich die im Bad wieder runterstellen – ich musste nicht ein einziges Mal Nein zu ihnen sagen.

 

Eine Freundin von mir fand dieses Vorgehen total schlimm. Sie meinte, Kinder müssten manchmal eben auch einfach mal akzeptieren, dass bestimmte Dinge eben nicht gehen. Sie würde ihren Sohn immer wieder von der Toilettenbürste wegschleppen und laut und deutlich Nein zu ihm sagen. Irgendwann hätte er es dann verstanden. Na klar, das kann man so machen und es funktioniert auch nach einer Weile. Ich finde nur, dass Erziehung sich nicht wie ein ermüdender permanenter Kampf anfühlen sollte. Ich finde es ganz natürlich, dass ein Kind Interesse an der Toilettenbürste hat und denke, man kann das Kind sie untersuchen lassen – wenn sie nicht gesundheitsgefährdent ist. Ich überlege also als Erwachsener, wie ich dem natürlichen Drang des Kindes, alles über die Klobürste zu lernen, entsprechen kann – ich versuche, so viele Ja`s wie möglich zu realisieren.

Es gibt doch noch viele, viele andere Situationen, in denen ein Nein unbedingt sein muss (an die Steckdosen gehen, über die Straße rennen, auf die heiße Herdplatte fassen, ans offene Fenster gehen) und an denen kann mein Kind dann lernen, dass es manche Dinge eben nicht darf. Im Buch haben wir deshalb ein paar Leitfragen gestellt, damit Eltern besser einschätzen können, ob sie etwas wirklich verbieten müssen:

1. Ist es lebensgefährlich?

2. Ist es problematisch, wenn es kaputt geht?

3. Ist das Nein ein Nein aus Bequemlichkeit?

4. Ist das Kind entwicklungspsychologisch überhaupt schon in der Lage, das Nein einzuhalten?

5. Tut mir das Ja körperlich oder psychisch weh?

Gerade die Neins, die aus Bequemlichkeit gesagt werden, sind die, die im Alltag gut vermeidbar sind. Aber zu diesen Punkten können deine Leser_innen dann in unserem Buch genauer lesen, das würde hier den Rahmen sprengen…

 

Kratzen, beißen, zwicken: Ihr macht sehr deutlich, dass es recht wenig bringt, zum Beispiel einem Zweijährigen zu erklären, dass Zwicken der Mutter weh tut. Der Grund ist
schlüssig, weil die Kinder da noch nicht empathiefähig sind. Ab wann funktioniert das, und vor allem was macht man davor?

 

KatjaNun, dass mir das Zwicken weh tut, kann man auch schon einem Zweijährigen sagen. Man sollte nur nicht erwarten, dass er deshalb damit aufhört – das liegt noch nicht in seiner Kompetenz. Man braucht ihn wegen des Zwickens auch nicht ausschimpfen. Es ist ja eine impulsive Reaktion, die eben aufgrund der Unreife des Gehirns noch nicht unterdrückt werden kann. Meines Erachtens ist es sinnlos, ein Kind für etwas auszuschimpfen oder gar zu bestrafen, das es aufgrund seines Alters noch gar nicht leisten kann. Dennoch kann man deutlich signalisieren, was sein Verhalten mit mir macht– und das sollte man auch unbedingt tun.

 

Es ist wichtig, dem Kind zurück zu melden, welche Emotionen durch sein Tun ausgelöst
werden, denn diese Reaktion werden in seinem Gehirn als Referenz für spätere, ähnliche Situationen abgespeichert. Wenn es dann alt genug ist, um sich in jemanden anderes einzufühlen (Empathie) oder dessen Sicht der Dinge zu erkennen (Perspektivenwechsel), würde der Impuls, zu zwicken, vom Gehirn unterdrückt werden, wenn das Kind vorher abgespeichert hat, dass das dem anderen Menschen weh tut und dieser dann zu weinen beginnt.

 

Kinder müssen lernen, Körper- und Gesichtsausdrücke bei anderen zu erkennen, zu entschlüsseln und einem Gefühl zuzuordnen. Emotionale Zeichen wie Tränen für Traurigkeit oder zusammengezogene Augenbrauen für Wut helfen bei der Entschlüsselung. Wenn ein Elternteil gehauen wird und dabei (bspw. aus der Erwägung, dass das Kind ja noch nicht empathisch sein kann) keine Regung zeigt, dann wird das Falsche im Gehirn abgespeichert.

 

Es gibt nur eine kurze Zeitspanne, in der das eben Gesagte nicht gilt – im Alter von 1-2 Jahren sind Kinder eher am Ursache-Wirkungs-Prinzip interessiert. Wenn man da laut aufschreit, wenn es zwickt, dann wird es das eher öfter machen, weil auf seine Ursache (das Zwicken) eine so interessante Wirkung (das Schreien) gefolgt ist. Es würde dann öfter zwicken, um zu erforschen, ob diese Reaktion immer wieder so auftaucht. Und das ist ja nicht im Sinne der Eltern. In diesem Altersabschnitt raten wir also tatsächlich eher dazu, das Zwicken/Hauen/Beißen zu übergehen, ohne viele Emotionen zu zeigen. Dann hört es schneller auf, weil es keine Wirkung erzielt.

Verständnis, Geduld und Liebe: Das klingt wie ein wunderbares Patenrezept Was macht man, wenn das Kind aber trotzdem nicht aufhört zu bocken, und man – just in dem Moment – aber wirklich dringend los muss? 

 

Ja, das ist wirklich eine schwierige Situation. Also, erst einmal hilft es langfristig, wenn man als Elternteil eben auch kooperativ ist, d.h. wenn möglich, auf die Wünsche der Kinder eingeht. Je öfter sie Kooperation vorgelebt bekommen, desto leichter fällt es ihnen, ebenfalls kooperativ zu sein. Ich zum Beispiel sitze nach dem Abholen oft noch eine halbe Stunde in der Garderobe der Kita, weil mein Zweieinhalbjähriger noch rumalbern will, oder dort noch mit seinen Autos spielen will, oder was auch immer. Ich warte einfach ab, bis er bereit ist, freiwillig zu mir zu kommen und sich anziehen zu lassen. Ich sage zwischendurch immer mal, dass ich gerne gehen möchte, aber ich schnappe ihn mir nicht, um ihn anzuziehen. Letztens aber mussten wir dringend pünktlich nach Hause, weil wir einen Handwerker erwarteten. Ich hatte also keine Zeit, abzuwarten. Doch mein Sohn war auf seine übliche Routine eingestellt und wurde bockig, als ich sagte, heute müssen wir schneller los. Ich merkte, dass er in eine Verweigerungshaltung ging und wurde innerlich ein bisschen verzweifelt, weil ich den Zeitdruck spürte. Ich sackte äußerlich so ein bisschen zusammen und sagte: „Es ist mir wirklich wichtig, dass wir schnell losgehen. Ich möchte dich jetzt anziehen. Bitte.“ Er stand einen kurzen Moment unschlüssig vor mir, dann gab er sich einen Ruck und kam. So läuft es im Idealfall.

Natürlich gibt es auch Situationen, da können die Kleinen dann nicht von ihrem Wunsch abrücken und verweigern ihre Kooperation. Für solche Fälle habe ich eine Art Checkliste, die ich abarbeite. Ich habe nämlich festgestellt, dass das Nein eines Kindes oft nicht einfach Nein bedeutet, sondern eher: „Jetzt nicht.“, „Hier nicht.“ oder auch „Du nicht.“ Da ich nicht weiß, welches dieser Neins mein Kind meint, klopfe ich alles vorsichtig ab. Will er vielleicht jetzt nicht mit, weil er ins Spiel vertieft ist? Kann ich noch fünf Minuten warten? Oder kann ich ihn mit dem Kompromiss, sein Spielzeug mitzunehmen, zur Kooperation bringen? Möchte er sich vielleicht hier nicht anziehen lassen, weil ihm der Schneeanzug im Haus zu warm ist? Kommt er, wenn ich im vorschlage, den Schneeanzug im kühlen Treppenhaus anzuziehen? Oder möchte er gerade nicht von mir angezogen werden, aber seine Schwester dürfte das? In 9 von 10 Fällen kann ich so seine Verweigerung umwandeln in aktive Kooperation. Bleibt noch das eine Mal, bei dem das alles nicht funktioniert. Wenn es wirklich, wirklich wichtig ist, würde ich dann meine körperliche Überlegenheit einsetzen, und ihn gegen seinen Willen hoch- und mitnehmen.

 

Mit solchen Maßnahmen bin ich aber sehr vorsichtig, weil ich glaube, dass sie dem natürlichen Kooperationsbestreben schaden. Je öfter wir Großen unseren Willen durchsetzen, weil wir es aufgrund unserer körperlichen Überlegenheit können, desto weniger offen sind Kinder, Dinge freiwillig zu tun, wenn es uns wirklich wichtig ist. Hier kommt wieder der Punkt der vermeidbaren Neins ins Spiel. Nehmen wir nochmal das Beispiel beim Abholen nach der Kita. Viele Kinder wollen sich eigentlich nicht so schnell anziehen lassen, sondern noch ein bisschen in der Garderobe abhängen, sich mit Freunden unterhalten etc. Sie werden aber von ihren Eltern angehalten, schnell zu machen – sie sollen also kooperieren, weil die Eltern schnell nach Hause wollen. Wenn man sich hier die Zeit nimmt, nach dem Tempo des Kindes zu gehen, vermeidet man ein Nein aus Bequemlichkeit („Nein, du kannst jetzt hier nicht mit deinem Freund quatschen, weil ich nach hause will, um das Abendbrot vorzubereiten.“). Ich möchte nicht falsch verstanden werden – es ist natürlich legitim, schnell nach hause zu wollen, weil man Hunger hat und müde vom Tag ist! Aber wenn man es kann, dann sollte man an dieser Stelle dem Kind die halbe Stunde Übergangszeit gewähren, weil so Stress vermieden wird, das Kind ein gutes Gefühl hat und man selbst mit wenig Aufwand Kooperation vorlebt.

 

Kürzlich war ich ganz alleine einkaufen. Es waren fast nur Mütter mit Kindern, im Alter zwischen 1 und 4, unterwegs und wirklich alle wirkten etwas gestresst. Die
Kinder wollten in die andere Richtung, noch ein bisschen mehr Schokolade oder
den Wagen haben, der grad nicht verfügbar war. Die Mütter streichelten,
schimpften, drohten oder warteten ab.

Was ich wirklich schlimm fand, waren die anderen Passanten, die allesamt gute Tipps
parat hatten, wie die Mütter ihre Kinder „wieder in den Griff“
kriegen. Was rätst Du Eltern, dass Sie sich durch Publikum nicht aus dem Konzept bringen lassen? Was Passanten, dass sie Eltern stärken, ohne aufdringlich zu sein?

Für die Eltern: Seufz, ja… in solchen Situationen war ich auch schon. Das Kind ist müde, hungrig oder überreizt und schwupp, gibt es einen mega Wutanfall beim Süßigkeitenregal des Supermarkts. An sich ist diese Situation ja nicht dramatisch – man begleitet das Kind eben so gut es geht und bietet Trost an. Schlimm sind tatsächlich eher die anderen Menschen. Man wird angeschaut wie die letzte Erziehungsversagerin, da werden Köpfe geschüttelt, oder gemurmelt, dass es früher so etwas nicht gegeben hätte. Manche gut meinenden Mitmenschen sprechen das wütende Kind an und sagen, es habe ja schon kleine Hörner oder auch, dass das alles doch nicht so schlimm sei…. Hilfreich ist das alles jedenfalls eher nicht.

 

Dass uns die Einmischung der anderen Menschen zusätzlich zum Wutanfall auch noch stresst, können wir nicht ändern. Was wir aber üben können, ist der Umgang mit der Einmischung. Mir haben da zwei Dinge geholfen.

Zunächst einmal weiß ich, dass in so einem Stressmoment auch in meinem Erwachsenengehirn das Sprachzentrum so gut wie ausgeschaltet wird. Ich denke, das kennt jeder von uns: Wenn wir aufgeregt sind, fallen uns keine schlagfertigen Antworten ein, unser Gehirn ist irgendwie blockiert. Deshalb habe ich eine Antwort auf eine Einmischung zuhause in ruhigen Momenten vor dem Spiegel geübt. Ich sage meist: „Danke, dass sie Anteil nehmen und sich um mein Kind sorgen. Das ist in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich. Zu viele Menschen denken nur noch an ihr eigenes Wohl. Sie sind da eine echte Ausnahme. Wissen Sie – das hier ist mein drittes Kind, und ich habe die Situation im Griff. Ich weiß, wie ich das am besten löse. Mein Sohn ist einfach müde und hungrig, aber wir schaffen das schon. Im Moment brauche ich Ihre Hilfe nicht, aber danke, dass Sie sie angeboten haben“. Und dann drehe ich mich um und widme mich ganz und gar meinem Jüngsten und seiner Wut. Meist gehen die Leute dann weiter. Eine kürzere Antwort wäre eigentlich noch besser, aber da ich meist von älteren Mitmenschen angesprochen werde, will ich so nett wie möglich antworten.

 

Das Zweite, was mir hilft, ist der Gedanke, wer eigentlich Priorität in meinem Leben hat: ein fremder Mensch, der sich in einem öffentlichen Raum, aus dem er auch weggehen könnte, von meinem schreienden Kind gestört fühlt, oder mein schreiendes Kind, das gerade von den heftigsten Gefühlen aller Zeiten geschüttelt wird und allein mit diesen Emotionen noch nicht umgehen kann? Ich will damit nicht sagen, dass wir alle egoistisch sein sollten und unsere Kinder überall stören lassen können, „weil es nun einmal Kinder sind“. Das nicht. Aber das Gehirn eines Kindes, das gerade einen Wutanfall hat, ist in einer akuten Krise – es braucht emotionalen Halt und Co-Regulation, um damit fertig zu werden. Ich finde es wichtig, meinem Kind in diesem Moment zur Seite zu stehen und nicht, die Erwartungen wildfremder (!) Menschen, die erwachsen sind (!) und sich gerade nicht in einer akuten emotionalen Krise befinden (!), zu erfüllen. Dieser Gedanke hilft mir, selbstbewusst bei meinem Kind zu bleiben und nicht aus gesellschaftlichem Druck heraus etwas zu tun, was gegen mein Muttergefühl spricht.
Für die Passanten: Schwer finde ich, pauschal zu sagen, was Passanten tun können, um Eltern zu stärken, ohne aufdringlich zu sein. Wir sind ja alle verschieden, demnach hilft uns allen etwas anderes, oder? Ich versuche meist, mitfühlend zu gucken und dann weiterzugehen, weil genau das mir in der gleichen Situation helfen würde. Von anderen Müttern habe ich gehört, dass sie es erleichternd fanden, wenn ihnen anderen Menschen zuflüsterten: „Diese Phase geht wieder vorbei!“ oder „Sie machen das wirklich gut!“

 

Danke Dir für die ausführlichen Antworten, liebe Katja.

 

Vergangene Woche hat Nora ihr Wissen zum Thema Schlaf geteilt.

 

Wenn Ihr ein Thema habt, über das ich unbedingt mal mit einem Experten reden soll, dann schreibt mir doch eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com.

 

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