Kultur mit Kind, Nachgefragt

„Wie schlimm ist eine Insolvenz gemessen an dem Verlust lieber Menschen?“ Interview mit Bea von der Tollabox

Vor Kurzem ging ihre Idee der Tollabox insolvent: Ihre Euphorie scheint ungebrochen und sie bloggt munter weiter. Im Interview erzählt Béa, warum sie mit schlimmen Situationen umgehen kann, woher sie ihre Kraft nimmt und ein bisschen strahlt ihre Kraft auch aus ihren geschriebenen Worten: eine beeindruckende Frau. 

Als ich Dich kennenlernte, ging gerade die Meldung von der Insolvenz der Tollabox durch alle Medien. Trotzdem warst Du sehr positiv und voller Tatendrang. Woher nimmst Du Deine Energie? 

Tollabea

Als ich ganz klein war, bin ich in eine riesige Tasse mit Espresso gefallen. Ja, ich werde darauf oft angesprochen. Ich bin einfach ein positiver Mensch und glaube, dass alles immer irgendwie gut wird. Vielleicht kommt das daher, dass ich meine Eltern früh verlor: Meinen Vater starb als ich 12, meine Mutter als ich 15 war. Das war in Ceausescu-Rumänien. Meine Geschwister aus der ersten Ehe meines Vaters haben es geschafft, mich rauszuholen. Mit viel Bestechen und Drähte ziehen, von Deutschland aus. Denn man munkelte damals, dass Vollwaise, die gut in der Schule waren, in Kaderschmieden landeten. Dass ich in die freie Welt rauskam hat mir – so traurig sich der Anlass anhört – gezeigt, dass in den schlimmsten Situationen der Welt Lösungen und Rettungen möglich sind. Und seitdem vergleiche ich jede noch so doofe Situation damit: Wie schlimm ist eine Insolvenz gemessen an dem Verlust lieber Menschen?

Beschreib doch mal das Projekt der Tollabox .

Founderteam der Box

Die Tollabox war eine monatliche Bastel- und Experimentierbox für Familien mit 4-10jährige, sowas wie ein dreidimensionales Kindermagazin. Wir haben sie als Abo angeboten. Das Problem war, dass Eltern doch zu gestresst waren, die Boxen mit ihren Kindern zusammen zu spielen, und so stapelten sich die Boxen leider als Mahnmal für das schlechte Gewissen: Geld ausgeben und keine Zeit fürs Kind haben. Natürlich war das nicht überall so! Die Tollabox hat auch viele begeistert und wir haben zum Schluss 3700 Abonnenten. Aber in Januar ist uns eine Finanzierungsrunde geplatzt – und so blieb uns nichts anderes übrig als zum Insolvenzverwalter zu gehen. Wer mehr erfahren möchte, ich habe hier für Impulse mehr zusammengefasst. Wir hatten dann noch mal drei Monate, um einen Retter zu finden und mit neuer Kraft weiter zu machen – diese Hoffnung hat sich leider zerschlagen.

Was bedeutet Spielen für Dich? 
Spielen ist für mich ein Lebensprinzip. Es ist der Weg, wie Kinder lernen. Es ist die ursprünglichste Form, Wissen und Fähigkeiten zu erwerben. Viele reden von Gamification, ich reden von Playification: Frei ausprobieren, experimentieren, Welt entdecken – ohne Regeln und Punktesystem. Das möchte ich fördern, dafür setze ich mich ein! Auch für Erwachsene. Wie oft könnten wirangespannte Situationen mit einem spielerischen Ansatz lösen – mit Heiterkeit und Humor, mit Neugier und Phanatasie? Gerade das Bildungssystem sieht das so nicht vor.

Bea mit Tochter Carina

Viele Eltern junger Kinder kennen Dich durch die Tollabox, außerdem bist Du super vernetzt in der Elternblogger-Szene. Aber was für eine Mutter bist Du selbst eigentlich? 
Meine Tochter ist 25. Ich bekam sie im Studium und wir sind zusammen groß geworden und große Kinder geblieben. Ich war eine junge, unbeschwerte Mutter, ich habe meine ganze Familie und Freunde eingespannt. Ich war jung, verspielt und habe mir um wenige Dinge einen Kopf gemacht: Sie ist ein toller Mensch geworden.
Dennoch: Ich glaube nicht, dass ich so anders als die Mütter und Väter, die ich heute erlebe. Ach doch: Wären die Möglichkeiten damals da gewesen, hätte ich garantiert einen Blog gehabt. Und wäre mit allen über Social Media vernetzt gewesen. Wir hatten Anfang der 1990er nicht mal ein mobiles Telefon auf den Spielplätzen.

Welche Pläne hast Du in naher Zukunft? 
Ich versuche mich zu zügeln und nicht zu ungeduldig zu unüberlegt Neues loszutreten. Ich blogge erstmal als Tollabea weiter, um die Ideen und die Tolla-Welt noch zu den Kindern und Eltern zu bringen, die sie vermissen würden. Du weisst nicht, was ich für herzzerreißende Briefe und Mails immer noch bekomme! Ich checke und rechne jetzt Optionen im Bereich digital publishing, Kinderapps und auch in der Bloggerszene. Dazu arbeite ich als Beraterin in meinem altern Metier Markenstrategie und Marktforschung, du weißt schon für: #mietezahlenkuehlschrankfuellen

Und meine Lieblingsfrage: Wie entspannst Du? 
Schlafen, lesen, abhängen, malen, zeichnen und – ganz wichtig – kochen. Ich liebe es, in der Küche zu stehen und zu schnippeln, braten, zischen, riechen und zu schmecken. Das ist besser als Meditation und Yoga zusammen.

Dankeschön.

Die Bilder wurden freundlicherweise von Béa zur Verfügung gestellt.

Ihr habt auch ein Kind, interessiert Euch für Kultur und möchtet darüber reden? Schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com.

Eine Übersicht über alle bisher geführten Interviews findet Ihr hier
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