Alltag, Familienrollen

Über Großeltern und Sucht

Ein Gastbeitrag von Lisa* („Ich kann nicht in deiner Nähe leben, weil ich dich liebe.“)

„Wir wollen uns ein Haus kaufen“, erzähle ich meinen Eltern stolz. „Wo?“, fragen sie. „In Köln natürlich“ antworte ich. „Super“, sagt mein Vater. „Nein“ sagt meine Mutter mit unendlich trauriger Stimme: „Das ist viel zu weit weg“.

400 km sind zu weit, um sich oft zu besuchen, zu weit um sich einfach mal zu drücken, wenn es einem schlecht geht oder um die ersten Schritte des Enkelkinds zu sehen. So weit, dass meine Tochter ihre Oma bei ihren Besuchen nicht erkennt. So weit, dass es weh tut.

Daher haben wir darüber nachgedacht, zurück zu ziehen. Bei meiner Familie zu sein, statt bei seiner. Er war einverstanden. Ich habe gesagt, ich will nicht.

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Kultur mit Kind, Schöne Dinge

Unser Puppenhaus inkl. Zimmer-Verlosung – Werbung

Anzeige. Sich gemütlich machen steht bei uns hoch im Kurs. Gibt es ein Spielzeug bei dem Behaglichkeit eine große Rolle spielen kann? Gibt es bestimmt, dachte ich mir. Da unsere Kinder meist miteinander spielen, sollte natürlich auch das Spielzeug danach ausgerichtet sein.

Die Kinder sind fast 3 und 5: ein gutes Alter für ein Puppenhaus, dachte ich mir. Das Internet ist voll mit Puppenhäusern: Allerdings sind viele voller Schnickschnack, meist auch noch aus Plastik und brauchen unglaublich viel Platz. Bei Bei Jako-o wurde ich fündig und fand unser Puppenhaus.

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Elternfragen, Kultur mit Kind

München: Highlights mit Kindern

Fremde Städte spontan zu erkunden, das ist für Familien nicht ganz so leicht. Deshalb frage ich für meine Elternfragen bei denen nach, die es wissen müssen: Bei jenen, die dort wohnen. Sarah lebt mit ihrer Familie in München und erzählt davon, was man dort unbedingt sehen muss.

Eine vierköpfige Familie ist für 24 Stunden in München. Welche touristischen Stationen müssen sein?

Man kann sich in den 24 Stunden die Klassiker vornehmen: Viktualienmarkt, Marienplatz (da das Glockenspiel), Hofgarten und Englischer Garten und bei schönem Wetter zum Beispiel in den Biergarten am Chinesischen Turm oder ins Seehaus. Mein Tipp, wenn man im Englischen Garten unterwegs ist: ab in den Nordteil und da in die Hirschau. Toller Biergarten, mit fantastischen Spielplatz. Bei schlechten Wetter bietet sich das Deutsche Museum an. Die haben auch tolle Ableger an der Schwanthalerhöhe (Verkehrsmuseum) und draußen in Oberschleißheim (Flugwerft).

Olympiapark München

Auch toll ist es bei schönem Wetter entweder mit der Tram vom Hauptbahnhof Richtung Nymphenburger Schloß und Botanischen Garten zu fahren oder in den Olympiapark zu gehen. Wenn man im Olympiapark ist, kann auch einen Abstecher in die BMW-Welt machen. Da kann man dann entspannt Motorräder Probesitzen.

Kaffee und Kuchen oder Nudeln: Welche kulinarischen Highlights in der München kannst Du empfehlen?

Die Biergartenkultur in München habe ich ja oben schon anklingen lassen. Lohnt bei schönem Wetter immer uns ist mit Kindern ganz entspannt. Neben den oben erwähnten ist auch der Augustiner in der Nähe vom Hauptbahnhof toll und die Menterschwaige Richtung Süden (kommt man auch gut mit Tram und Radl hin). Mit dem Fahrrad in den Biergarten bietet sich sowieso an. Wenn es eine längere Tour werden soll, bietet sich auch die Kugleralm in Oberhaching an.

Sonst finde ich sind die bayerischen Wirtshäuser in der Innenstadt immer einen Besuch wert, im Café Glockenspiel kann man die tolle Aussicht genießen (vielleicht eher mit größeren Kindern ;)) und ich mag das Dal Cavaliere am Rosenheimer Platz gerne. Super Pizza und Pasta und wie immer beim Italiener: alle ganz entspannt beim Thema Kinder.

Welches Museum würdest Du in München mit Kindern empfehlen?

Neben den oben erwähnten Klassikern gibt es noch ein Spielzeugmuseum am Marienplatz und auch das Stadtmuseum in der Nähe vom Viktualienmarkt. Dort gibt es auch ein tolles Café. Falls man autobegeisterte Kinder hat, sollte man auch noch einen Abstecher ins BMW-Museum machen.

Shoppen als Familie: Wo lohnt sich ein Besuch??

Ich gestehe: mit Kindern gehe ich nicht wirklich oft Shoppen. Habe letztens mit meiner Schwester das Café im Arket-Store entdeckt. Das fand ich sehr nett und da gibt es auch schöne Sachen für Kinder. Sonst kann man gut rund um den Gärtnerplatz bummeln oder in Schwabing. Das Kunst und Spiel ist ein toller und außergewöhnlicher Laden.

Pst, und nun: Wie kinderfreundlich ist München wirklich?

Puh, schwere Frage. Ich schimpfe ja oft bei Twitter über gestresste Rentner beim Tram und Bus fahren mit Kinderwagen und alleine schon von den Lebenshaltungskosten gibt es wahrscheinlich bessere Städte als München. Auch die Kita- und Hortsituation ist meist angespannt (oder man hat viel Geld übrig für die Kinderbetreuung). Aber die Stadt ist sehr grün, bietet einiges an Aktivitäten und die Nähe zu den Bergen ist einfach unschlagbar. Da gibt es nämlich auch einige tolle Ausflugsziele mit Kindern.

Vielen Dank, Sarah. 

Tipps für andere Städte gibt es zum Beispiel hier:

LeipzigWuppertalDortmundBamberg,  SalzburgMünsterHamburgHannover, Wien.

Alltag, Familienrollen, Nachgefragt

Kinderwunsch, Adoption und plötzlich schwanger: ein Jahr im Wandel

Kinderwunsch, Adoption und plötzliche Schwangerschaft: all diese Themen waren in kurzer Zeit sehr präsent in Danielas Leben. Auf Twitter habe ich davon ein bisschen gelesen und für die Familienrollen nun genauer nachgefragt, wie sich das Leben grad für sie anfühlt. 

Auf Twitter kannte ich Dich als Kinderwunsch -Kandidatin, als Adoptiv-Anwärterin, mit kleinem Baby und nun schwanger, doch der Reihe nach: Wie war Euer Weg vom Kinderwunsch bis zu dem Moment, als Ihr erfuhrt, dass Ihr im Herbst 2018 Eure kleine Tochter adoptieren dürft?

Unsere Kiwu-Geschichte startete ganz unbedarft im August 2014. Ich hatte extra noch meine Lebenszeitverbeamtung abgewartet bevor ich die Pille absetzte, denn es konnte mit dem Baby ja ganz schnell gehen. Als dann Monat für Monat ereignislos vorbeizog, setzten bei mir erste Zweifel ein. Nach einem Jahr und zwei negativen Spermiogrammen meines Mannes traten wir schon reichlich frustriert den Weg in das örtliche Kinderwunschzentrum an.

Dort eröffnete man uns wir würden nur durch eine ICSI schwanger werden können. Wir machten uns auf den Weg die Erlaubnis der Krankenkasse einzuholen. Die weigerte sich irgendetwas zuzuzahlen, da ich ja nicht der „Verursacher“ sei (private Krankenversicherung). Auch nach einer diesbezüglich extra durchgeführten Bauchspiegelung bei der mir etliche Verwachsungen entfernt wurden, weigerte sich die Kasse weiter. Zum Glück war die Beihilfestelle kulanter, sodass wir 50 % der Kosten für 3 Versuche zugesichert bekamen. Es begann eine Zeit der Hoffnung und 💉 glücklicherweise litt ich allerhöchstens seelisch unter den Versuchen und fühlte mich in der Klinik sehr wohl.

Ich war getragen von dem Gefühl „Irgendwann werden wir Glück haben!“ Das stimmte, letztendlich aber auch ganz anderem Weg wie gedacht.

Der Tiefpunkt der Behandlung war sicherlich das Ergebnis des Versuchs im Dezember 2016. Freudestrahlend vernahmen wir den Anruf, dass ich schwanger sei und feierten (etwas naiv aber eben glücklich) mit der Familie und griechischem Essen. Zwei Tage später dann die Ernüchterung. Das HcG war gesunken. Eine biochemische Schwangerschaft. Selten hatte ich mich so leer gefühlt.

Es dämmerte mir, dass es ja nicht reichte schwanger zu werden. Ich müsste es auch schaffen schwanger zu bleiben. Es folgten zahlreiche weitere Versuche, dieses Mal unter Berücksichtigung meiner entdeckten Gerinnungsstörung (Antiphospholipid-Syndrom). Alle mit dem gleichen Ergebnis.

Mein Mann war der erste der die Versuche nicht mehr schmeckten. Er glaubte nicht mehr an einen Erfolg, bereute die rausgeworfenen Euros (denn Zuschüsse bekamen wir nun keine mehr). Am schlimmsten war es für ihn mich aber nach jedem Negativ wieder traurig zu sehen.

Er unterbreitete mir irgendwann die Idee ein Kind zu adoptieren. Ich war zunächst nicht bereit meinen Wunsch nach einem lieblichen Kind so schnell aufzugeben und zögerte eine Antwort hinaus. Irgendwann gab ich mir einen Ruck und wir wurden beim Jugendamt vorstellig.

 

Mit jedem weiteren Schritt hin zu unserer Anerkennung wurde es für mich greifbarer, wie es sein könnte ein Kind zu adoptieren. Wir wurden toll vorbereitet, lernten andere Bewerberpaare kennen und machten ein Seminar. Als wir schließlich aus einen Pool von 10 anderen Paaren zusammen mit 2 weiteren für die Teilnahme an einem weiteren Seminar ausgewählt wurden, wuchs die Hoffnung, es könnte tatsächlich klappen. Ganz euphorisiert war ich dann als auf diesem Seminar Adoptiveltern erzählten sie seinen letztes Jahr ja auch als Bewerberpaar hier gewesen und hätten jetzt ein Kind.

Nach 10 Monaten waren wir schließlich anerkannt. Wir erfuhren dass die anderen beiden Paare nun auch schon Kinder bekommen hatten. Das machte einerseits Hoffnung, andererseits dachten wir uns, dass es jetzt für längere Zeit wahrscheinlich kein Kind zur Vermittlung geben würde. Weit gefehlt.

Am 13.09.2018 erhielt ich den allerallerschönsten Anruf: Wir sollten schnell ins Jugendamt kommen. Wir wussten was das zu bedeuten hatte. Eine unfassbare Euphorie erfasste uns. Wir sollten Eltern einer Tochter werden. Theoretisch hatten wir vier Tage Zeit uns das Ganze durch den Kopf gehen zu lassen.

 

Aber wir wussten es von Sekunde 1 an. Das war unsere Tochter. Komme was wolle.

 

Eine Schwangerschaft dauert meist 10 Monate. Mit einer Adoption befassen sich manche über Jahre bevor es real ist und dann wirkt es von außen oft so, als ging es ganz schnell. Wie schnell war es bei Euch der Fall und wie gut ward Ihr letztlich drauf vorbereitet?

Familienfoto.

Insgesamt haben wir nur 13 Monate gewartet, was wirklich wenig ist. Ich hatte mir eine Amazon-Liste angelegt mit allem was zu besorgen ist im Fall der Fälle. Mahnmal gab ich mich kleinen Versuchungen hin und kaufte z.B. einen Strampler aus dem Merchandising-Sortiments unseres Lieblingskünstlers Clueso.

Die 14 Tage (und das ist vergleichsweise sehr viel) die wir dann Zeit hatten, fühlten wir uns wie auf Drogen, besorgten alles mit Hilfe vieler Freunde und lieber Spender (vor allem von Twitter) und waren einfach nur gespannt. Überrascht hatte mich, dass mich als Verwaltungsfachfrau der Behörden Kram so nervte und wie gut ich mit wenig Schlaf auskam.

Ich kann mich noch sehr gut an meine erste Nacht im Krankenhaus erinnern. Da lag dieses wunderschöne Geschöpf in seinem Bettchen und ich war für sie verantwortlich.

 

Die Liebe die ich sofort zu ihr hatte, hat mich dagegen gar nicht überrascht, das hatte ich mir genauso vorgestellt.

Seit letztem Herbst hast Du Deine kleine Kim bei Dir und wenn ich es richtig verfolgt habe, dann ist die Adoption auch schon erfolgt: Wie lief das Procedere?

Das ist das Cover der CD mit den beiden Liedern, die der Vater für die Tochter gemacht hat. Foto: @ Miriam Fleischmann

De facto ist Kim-Jolie noch nicht adoptiert, das dauert meist bis zu einem Jahr. Erst nach dem Beschluss des Familiengerichts darf sie dann auch unseren Nachnamen tragen.

Nach acht Wochen konnte die leibliche Mama allerdings die Freigabe ihres Kindes beim Notar unterschreiben.

Auch wenn wir nie daran gezweifelt haben, war es eine Riesenwelle der Erleichterung, die uns umspülte, als wir erfuhren, dass dies geschehen war.

Kontakt zur Bauchmama von Kim-Jolie haben wir noch nicht, sind aber jederzeit offen, sobald sie bereit dazu ist. Mit der leiblichen Oma besteht Briefkontakt. Ein Stolperstein war für mich auch als ich erfuhr, dass ich schwanger war. Ich wusste, dass das Jugendamt nicht begeistert sein würde und da wir uns noch in der Adoptionspflegezeit befinden, hatte ich schon Angst wie die Reaktion sein würde. Mein Mann war da gelassener. Sicher hielt sich die Begeisterung der beiden Damen in Grenzen, aber es wurde niemals auch nur angedeutet, man würde uns die Maus wieder wegnehmen.

Während Du vom Alltag mit Kim schreibst, passierte etwas das bestimmt viele überraschte: Du bist schwanger geworden. Es klingt unglaublich schön. Wie überrascht ward Ihr?

Foto: @ Miriam Fleischmann

Wir waren über die Schwangerschaft sehr sehr überrascht. Ich hatte allerdings schon etwas eine Woche vor dem Test so ein Gefühl.

Als ich meinen Mann vorsorglich bat das Katzenklo sauber zu machen (Toxoplasmose) schaute er mich nur verwirrt an und sagte er wolle einen Beweis durch einen Test.

Das war ihm auch nicht zu verdenken, da wir es ja vier Jahre mit allerlei Hilfsmitteln erfolglos probiert hatten.

Die Kiwuklinik sagte uns ohne künstliche Befruchtung eine Erfolgschance von 2%, dies war allerdings bevor bei mir die Gerinnungsstörung diagnostiziert wurde.

Zuerst erfuhren unsere Eltern davon. Ich kann mich noch gut an das Telefonat mit meinem Vater erinnern. Plötzlich Stille in der Leitung. Damit hatte wohl keiner gerechnet. Es freuten sich aber alle sehr!

Der meistgehörte Satz war „Ich habe es euch doch gesagt, es lag alles an der Psyche.“ Das stimmt sicher zu Teilen, aber nervte auch.

Bald habt Ihr zwei kleine Kinder unter 1 : wie bereitet Ihr Euch drauf vor?

Nein, ich habe es nicht für möglich gehalten mal eine zweifach Mama zu werden. Ich hatte mir das immer gewünscht aber nachdem wir Kim-Jolie hatten, machte ich mich darauf gefasst, dass sie Einzelkind bleiben würde. Denn es kommt bei unserem Jugendamt nicht so häufig vor, dass man noch ein zweites Kind zur Adoption bekommt.

Organisatorisch steht noch ein Autokauf an, denn unser Peugeot 206 reicht nun wirklich nicht mehr aus. Den Großteil der Ausstattung haben wir ja glücklicherweise von Kim-Jolie und da es sehr wahrscheinlich wieder ein Mädchen wird passt das perfekt.

Ansonsten sind wir sehr entspannt, denn wir sind es gar nicht gewohnt so viel Vorbereitungszeit zu haben.

Wir hören viele Kommentare wie anstrengend das alles wird, aber wir freuen uns einfach und vertrauen dass alles gut wird!

Mir geht es sehr gut. Ich habe keinerlei Schwangerschaftsbeschwerden und fühle mich pudelwohl. Nur ab und zu träume ich seltsame Dinge und reagiere etwas emotionaler als sonst.

Die Tage durfte ich meine Gerinnungsspritzen absetzen, das hat mir etwas Angst gemacht, aber im Großen und Ganzen bin ich sehr zuversichtlich und voller Freude auf das kleine Schwesterlein.

Vom Kinderwunsch zu zweifachen Eltern innerhalb eines Jahres: Was möchtest Du andern mitgeben?

Ich für mich habe gelernt, dass es Wunder gibt. Wir durften das jetzt gleich zwei mal erleben.

Im Grunde hat sich unsere Durststrecke und unser langer Kiwu-Weg als Chance entpuppt. Wir sind näher zusammengewachsen und ohne diese Hindernisse hätten wir niemals unsere Tochter kennen-und liebengelernt.

Ich habe aus solchen Erfolgsgeschichten immer Kraft geschöpft, wenn es mir mal nicht so gut ging. Ich weiß nicht jede Geschichte hat ein Happy end, aber ich weiß auch, dass nichts unmöglich ist.

Vielen lieben Dank, Daniela.

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Anna berichtet vom Leben mit dem PCO und den Schwierigkeiten beim Kinderwunsch

Tanja erzählt von ihrer Zeit in der Kinderwunschklinik

Eni hat sich vom Kinderwunsch verabschiedet, ebenso Helge und Jen ist kinderwunschlos glücklich.

Alltag, Familienrollen, Nachgefragt

Mutter in Hamburg, Kinder in London: „Ja, ich vermisse sie mitunter wie Hölle.“

Nina (38) lebt in Hamburg. Ihre Kinder leben mit dem Vater in London, was das beim möglichen Brexit bedeutet und welche Fragen sie nicht mehr hören kann, das erzählt sie in den Familienrollen.

Dein Mann ist alleinerziehend. Du lebst in Hamburg, er in London: Wie funktioniert das für Euch Vier im Alltag?

Mein Noch-Mann und ich sind seit sechs Jahren getrennt – im Vorlauf dazu haben unsere Söhne (jetzt 8 und 10,5 Jahre) leider etliche Streits miterleben müssen. Auch in den Jahren nach der Trennung ist es uns nicht immer gelungen, die Contenance zu bewahren. Von daher waren wir beide überzeugt davon, dass es für die Kinder besser ist, nicht in einer Familie mit Dauerspannungen aufzuwachsen.

Im Alltag gestaltet sich das so, dass M. die meiste Zeit allein für die Jungs verantwortlich ist. Als Langschläfer fällt es ihm besonders schwer, sie morgens in die Schule zu verfrachten; sie sind zwar meist pünktlich, aber hin und wieder müssen sie auch mal etwas eiliger gehen… Wenn ich in London bin, lebe ich im Haus meines Ex-Mannes und meiner Kinder, leider ohne eigenes Zimmer. Dann übernehme ich es sehr gern, die Kinder in die Schule zu bringen und abzuholen, und M. kann auch mal ausschlafen oder frei seiner eigenen Tagesgestaltung nachgehen, ohne auf die Uhr sehen zu müssen.

Außerdem ist er kein begeisterter Koch. Zum Glück bekommen meine Kinder in der Schule warmes Mittagessen (in England geht auch die Grundschule bis 15 Uhr), abends wird oft eher etwas warm gemacht als wirklich gekocht. Wenn ich bei den Kids bin, genießen sie es sehr, dass ich für sie und auch mit ihnen koche. Auf diese Weise bekomme ich sicherlich mehr Dankbarkeit zurück, als wenn ich täglich versuchen würde, meinen Kindern gesundes Essen vorzusetzen…!

Beim Umzug nach England waren die Jungs nicht ganz 3 Jahre bzw. 5,5 Jahre. Unser älterer Sohn konnte schon ein bisschen Englisch (auch aus den Urlauben in England vorher), und dank seines sehr kommunikativen und extrovertierten Wesens konnte er sich schon bald flüssig verständigen. In der Vorschule (die in UK ab 5 Jahren verpflichtend ist) kam er schon bald gut mit.

Unser Kleiner fing damals eigentlich erst so richtig mit seinem Erstspracherwerb an. Für ihn mit seinem eher verträumten Naturell bedeutete die neue Sprache durchaus einen Rückschlag. Lustig war, dass er von einer Erzieherin im Kindergarten in den ersten Monaten einen breiten Dorset-Akzent annahm (damals lebten sie in Dorset in Südengland, der Umzug nach London kam erst später). Das machte es für die Großeltern – meine Eltern, die von M. sind schon seit Jahren tot – mitunter schwierig, ihren kleinen Enkel via Skype oder Telefon zu verstehen.

Im Vorfeld hast Du erzählt, dass auch der Vater Deiner Kinder kein Brite ist: Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Ein Hintergrund des Arrangements ist, dass mein Ex-Mann bereits einen ersten Anlauf zu einer Familie in erster Ehe hinter sich hatte, als wir uns trafen, und ihm damals in seinem Erleben die Kinder „weggenommen“ wurden, inkl. traumatischer Erlebnisse mit Jugendamt und Gericht. Als ich feststellen musste, dass es mit unserer Ehe nicht mehr weitergeht, lebten wir alle im ehemaligen Elternhaus meines Mannes. Ich zog aus und suchte mir zunächst ein Zimmerchen in der Nähe. Schon früher hatten wir darüber gesprochen, gemeinsam nach England auszuwandern, da es ein echter Lebenstraum meines Mannes war.

Wenn ich nun einen so krassen Schritt gehe und mich von meiner Familie trenne, um wieder mehr „ich selbst“ sein zu können, wie kann ich da meinem (Ex-)Partner verbieten, seinen Lebenstraum zu erfüllen?

Ihn hielt hier nicht mehr viel nach der Trennung, und in seiner Vorstellung war Großbritannien damals der Inbegriff von Zivilisiertheit, Kultiviertheit und Toleranz.

Wir haben in einem Ehevertrag abgesichert, dass er das Aufenthaltsbestimmungsrecht in Bezug auf EU-Großbritannien hat (womit zB ausgeschlossen ist, dass er mit den Kindern auf die Falkland-Inseln zieht!).

Nun lebt Ihr das Modell schon ein paar Jahre: Wie fühlt es sich für Euch ein und vor allem wie sind Reaktionen aus dem Umfeld?

Die meisten Reaktionen aus dem Umfeld waren und sind ungläubig bis entsetzt. Für die meisten Menschen (speziell Mütter) ist es UNDENKBAR, dass eine Mutter nicht die ganze Zeit bei ihren Kindern ist. Diese heftigen Reaktionen haben mich früher oft sehr in die Defensive gedrängt, und viel zu häufig fand ich mich in sehr persönlichen Diskussionen wieder über mein Scheitern als Mutter.

Inzwischen habe ich mir angewöhnt, mit gnadenloser Ehrlichkeit zu antworten: ja, das ist schwer. Ja, ich vermisse sie mitunter wie Hölle. Ja, natürlich sind meine Kinder vor allem beim Abschied traurig. Aber nein, sie wachsen trotzdem fröhlich und wohlbehalten auf.

Von anderen Personen würde ich mir mitunter etwas mehr Sensibilität wünschen, dass ich nicht alle Details meines Familienleben ständig besprechen möchte – bei neugierigen Menschen kann es bis zu einem Jahr dauern, bis wir das geklärt haben… Immer wieder werde ich auch gefragt, ob M. und die Kinder nicht irgendwann wieder aus UK zurückkommen? Vor dem Umzug nach London aus dem ländlichen Südengland sah es kurz so aus, nun fühlen sie sich in der Großstadt deutlich wohler.

Du hast erzählt, dass Du Deine Kinder alle paar Wochen siehst: Wahrscheinlich ist das nicht immer einfach, wann ist es besonders hart?

Weihnachten wird immer gemeinsam gefeiert.

Wie schon erwähnt: ja, natürlich ist es oft hart. Meine Kinder gehen unterschiedlich damit um – mein Kleiner ist recht gut darin, sich von unangenehmen, traurigen Gefühlen abzulenken, indem er in seine Spielwelt eintaucht. Kurz nach einer Abreise von mir möchte er in den ersten Tagen auch mitunter nicht skypen, ich vermute, aus Selbstschutz. Mein älterer Sohn ist sehr emotional und weichherzig, da fließen auch schon mal die Tränen, besonders bei den Abschieden. Er liebt uns beide, Vater und Mutter, und ich versuche ihm zu vermitteln, dass das auch richtig ist.

Mein Noch-Mann ist zwischenzeitlich als Alleinerziehender schon deutlich belastet, und man merkt mitunter, dass seine Energieressourcen begrenzt sind. Hobbies für die Kinder müssen zB in der Nähe sein, weil er sie nicht stundenlang quer durch die Stadt fahren will oder kann. Ich selbst habe besonders die ersten 1-2 Jahre sehr gelitten und durch Frustfressen auch über die Jahre bis zu 15 Kilogramm zugenommen (die inzwischen dank Ernährungsprogramm wieder runter sind, hurra).

Andererseits habe ich mir auch geschworen, diese traurige Freiheit zu nutzen, und habe beispielsweise zwei Jahre lang ein Abendstudium zusätzlich zu meinem Job absolviert, was ich als Vollzeit-Mutter wohl nicht versucht hätte. Meiner Karriere hat diese Zeit sehr gut getan, ich verdiene inzwischen fast doppelt so viel wie zur Zeit der Trennung.

Mit dem Flugzeug ist London schnell zu erreichen: Was bedeutet es für Euer Familienmodell, wenn der Brexit tatsächlich kommt?

Meine persönliche Brexit-Vorbereitung bestand bisher darin, dass ich mir einen elektronisch lesbaren Reisepass angeschafft habe, um am Flughafen auch die automatisierte Schnell-Einreisekontrolle nutzen zu können. In London sind die Verwerfungen in der Gesellschaft weniger deutlich zu merken als im ländlichen Südengland, wo meine Familie bis vor 1,5 Jahren gewohnt hat; die Schule der Kinder ist recht international mit etwa einem Drittel nicht-englischstämmiger Kinder in der Klasse (davon die Mehrheit mit einem oder beiden Elternteilen aus der EU).

Meine nächsten Besuche habe ich so terminiert, dass sich das schlimmste Chaos nach dem 29. März, dem Austrittsdatum, zunächst einmal legen kann. Auch im Falle eines No-Deal-Brexit soll die Einreise für einen Aufenthalt von bis zu 90 Tagen (auch in Etappen) visafrei bleiben, zumindest für eine Übergangszeit bis Ende 2021. Ich bin froh, dass meine Kinder nicht regelmäßig auf Medikamente angewiesen sind, sodass etwaige Versorgungsengpässe unsere Familie nicht betreffen werden.

Ansonsten hoffe ich im Geheimen, dass M. besonders im Fall eines harten Brexit die Wahl seines Lebensmittelpunktes noch einmal überdenkt – darüber gesprochen haben wir aber noch nicht, da er als Optimist immer noch davon ausgeht, dass Großbritannien in der EU bleibt…

Was wünscht Du Dir für Dich und Deine Familie für die Zukunft?

Ich wünsche mir vor allen Dingen, dass meine Kinder und ich weiterhin einen so engen emotionalen und vertrauensvollen Kontakt behalten, wie wir ihn derzeit haben (und dass, obwohl wir schon so lange nicht mehr unter einem Dach leben, darüber bin ich sehr dankbar).

Vielleicht entscheidet sich auch einer oder beide meiner Söhne im Teenageralter, lieber bei Mama wohnen zu wollen? Ich würde ihnen sehr gern noch ganz vieles mitgeben und habe das Gefühl, ihnen etwas „schuldig“ zu sein. Zumal das auch meinen Ex-Mann entlasten würde, der dann ganz unbeschwert von elterlichen Pflichten seinen Träumen von Theaterproduktionen in London nachgehen könnte. Vermutlich wird er auch steinalt werden, um mir möglichst lange auf den Keks gehen zu können. Grundsätzlich wird es für meine Kinder und mich natürlich immer einfacher, den Kontakt zu gestalten, je älter sie werden.

Vielen lieben Dank, Nina. 

Nina heißt nicht wirklich Nina und möchte hier auch nicht mit vollem Namen auftreten: Sie freut sich aber sicherlich über Eure Kommentare. Wenn jemand mit ihr persönlich in Kontakt treten möchte, schreibt mir doch eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com – ich leite diese dann gerne weiter.

Mehr Familienrollen zu unterschiedlichen Familienmodellen gibt es wie immer hier.