Kultur mit Kind, Nachgefragt

„An Sicherheit war damals noch gar nicht zu denken, aber das mit den Kindern war die beste Entscheidung meines Lebens“. / Kultur mit Kind in Angermünde/Brandenburg und ein bisschen was über die Piratenpartei

Wie es ist jung Vater zu werden, was dafür sprechen kann in seine Heimat zurückzukehren und warum man immer ruhig bleiben soll: Darüber und über ein paar Dinge habe ich mit Florian aus Angermünde gesprochen. 

Stell Dich doch mal bitte kurz vor. 

Ich bin Florian, Vater von zwei Söhnen (2 und 6 Jahre alt), und wohne im schönen Angermünde, ca. 70 km nordöstlich von Berlin. Das ist die Toskana Brandenburgs. Deshalb kann man dort überall mit kurzer Hose und Latschen rumlaufen. Arbeiten tue ich in Berlin Pankow bei einem Technikkonzern, und pendle jeden Tag. Glücklich verheiratet bin ich auch noch und das schon seit acht Jahren.

Wir haben unser erstes Kind früh bekommen, daher bin ich immer der Jüngste in der Elterngruppe. Den richtigen Moment dafür gibt es nicht.

Wenn ich mir jetzt überlege, dass ich jetzt noch keine Kinder hätte, und über den idealen Zeitpunkt nachdenken würde, wird das ja nur noch schwieriger.

An Sicherheit war damals noch gar nicht zu denken, aber das mit den Kindern war die beste Entscheidung meines Lebens. 

Während Deines Studiums und auch später ward Ihr in Bayern, später seid Ihr
zurückgekehrt: War das eine familiäre Entscheidung? 

Florian mit Kind 1

Ob Deggendorf oder Angermünde, fast wären wir tatsächlich in Deggendorf geblieben. Aber als das erste Kind kam, war klar, dass wir zurück gehen. Meine Frau Julia hat ihre Familie gerne um sich. Ich auch. Aber es war klar, dass wir zurückgehen. Damals war ich viel unterwegs, das war also fast eine Wochenendbeziehung, ich wollte meine Frau nicht so viel allein lassen.

Du setzt Dich für Deine Heimat Angermünde ein und bist ein „Heimkehrer“.
Warum?

Heimkehren ist eine super Sache. Das sollte jeder machen. Grad wenn man aus so einer strukturschwachen Gegend kommt wie wir.

Zur Erfahrungsgewinnung kann man eine Zeitlang in die weite Welt reisen, dann aber heimkehren, weil man so seine Region unterstützt. Aus ökonomischen Gründen spricht da viel dafür. Der demographische Wandel, die Vergreisung des Landes: Das ist bei uns schon eine ganz akute Gefahr, die Auswirkungen auf die Lebenskultur hat.

Ganze Berufsbranchen wandern in manchen Regionen ab. In Angermünde ist es noch nicht so schlimm, die Region unterstützt ja auch viel. Für junge Leute gibt es Angebote von Sportvereinen und kulturelle Einrichtungen, wo sich Freiräume für Kultur entwickeln kann. Es gibt nicht nur das durchgestylte Dorffest mit Andrea Berg, sondern auch kleine Festivals. Der Raum dafür wird geschaffen, das ist nicht selbstverständlich. Viele Kommunen begreifen nicht, dass man den Familien auch etwas bieten muss. Gesellschaftliche Teilhabe fängt bei der Internetversorgung an, die meist schlecht ist, und wenn nur noch der Seniorenverein Lieder schmettert, ist das auch nicht mehr so attraktiv. Oft übernimmt eine wichtige Rolle der Sportverein. In Angermünde haben wir sogar eine Paintball-Anlage um nur ein Beispiel zu nennen. Ich war sogar eine Weile in einem Verein tätig, der sich mit sogenannten Heimkehrern befasst. Ich bereue an keinem Tag die Entscheidung wieder in Angermünde zu sein. Jobmäßig ist es auch eine zufriedenstellende Situation, auch die Pendelei nach Berlin ist erträglich.

Was kann man in Deiner Heimatstadt mit Familie gut machen?

Alles mit Kindern ist hier zu jeder Jahreszeit möglich. Auch bei schlechtem Wetter kann man viel rausgehen. Wir sind umgeben von tausend Seen. Es gibt super schöne Badestellen, die auch nicht so wahnsinnig überlaufen sind. Wolletzsee oder der Parsteinsee. Und ich hab Volleyball spielen neu für mich entdeckt.

Deine Freizeit: Wann bist Du ganz Vater, und bei welchen Aktivitäten agierst
Du noch genau so wie vor den Kindern? 

Vater bist Du halt immer, egal was Du machst, denn Du bist immer gezwungen auf Kinder Rücksicht zu nehmen. Selbst wenn ich laufen gehe, gehe ich früh laufen, wenn die Kinder sich selber beschäftigen, oder über Mittag wenn die Kinder schlafen. Ansonsten gehe ich gerne auf Konzerte und auf Festivals, aber ohne die Kinder. Ich verstehe Eltern nicht, die ihre Kinder den Bands dort aussetzen. Außer das man eben zusammen ist, macht das den Kindern wenig Spaß. Die Kinder müssen bei den Eltern bleiben, es ist laut, es ist stellenweise sogar gefährlich. Das hat den selben Charme wie mit Kind zu Ikea zu fahren, nämlich gar keinen. Wenn jemand keine andere Möglichkeit hat, ist das etwas anders. Bei uns ist es so, dass wir die Kinder immer selbst zu Hause ins Bett bringen. Nur weil wir weggehen wollen, würden wir die Kinder nicht dazu zwingen, woanders zu schlafen. Das Babysitten wird durch die Verwandtschaft und Freunde gut abgedeckt.

Du bist, oder warst zumindest, bei der Piratenpartei, deren Fokus ja
Netzpolitik ist. Wie ist Deine Einstellung zu Kindern im Netz und sind Deine
Kinder da zu finden? Und wenn ja, wie und warum? 

Grundsätzlich bin ich noch bei der Piratenpartei, aber eher passiv. Netzpolitik ist nach wie vor ein sehr wichtiges Thema für mich. Kinder werden heute anders damit groß, aber sie wissen nicht was es bedeutet. Kinder sind schützenswert, weil sie nicht selber entscheiden können, ob sie da sein wollen oder nicht. Deshalb bin ich dafür Kinder so weit wie möglich rauszuhalten, man hat das ja nicht immer selber in der Hand. Und ich hab mich da auch schon schlimm aufgeregt, weil ich meine Kinder in einem Kontext mit Bild entdeckt habe, wo ich sie nicht haben wollte.

Die Eltern müssen das entscheiden. Die Eltern sind nun mal der Vormund. Viele haben nicht das Bewusstsein dafür. Bei Twitter ist es klar, aber Facebook nehmen viele nicht als Öffentlichkeit wahr. Es muss bloß der Falsche mit dem Falschen befreundet sein und schon ist das Bild sonst wo.
Auf die Verkettung von diesen Freundeswelten hast Du keinen Zugriff, so fein stellt niemand sein Profil ein. Die Leute darauf aufmerksam zu machen, funktioniert aber. Auf die Problematik kann man an konkreten Beispielen sehr gut hinweisen, das weiß ich mittlerweile aus eigener Erfahrung. 

Du bist auf vielen Kanälen im Netz unterwegs, wie führt Ihr Eure Kinder an
digitale Medien heran? 

Beide Jungs sind total technikinteressiert. Interessant ist, dass unsere Kinder mit einem anderen Internet aufwachsen, als wir, die wir uns noch einwählen mussten. Online sein ist für unsere Kinder so etwas wie eine Grundversorgung. Wir schauen kein Standardfernsehen, sondern nutzen fast ausschließlich Streaming-Dienste wie Netflix und Itunes. Was unsere Kinder von Grund auf verstanden haben, dass man mit dem Rechner kommunizieren kann. Wenn ich zu meinem großen Sohn sage, ich weiß nicht, was die Mama von Deinem Freund gesagt hat, sagt er „Na dann schreib ihr doch einfach“.

Was funktioniert bei Euch in der Familie so gut, dass Du Dich zu einem Tipp
aufschwingen könntest? 

Uns wird nachgesagt, dass wir sehr viel Glück mit unseren Kindern haben, weil die ganz ruhig sind. Klar bin ich stolz auf meine Kinder. Logisch. Der Tipp ist aber der, immer ruhig bleiben. Man darf auch keine Angst vor Fehlern haben. Und man darf sich nicht unter Druck setzen, um ja keine falsche Entscheidung zu treffen. Es ist ganz normal, dass man im Laufe des Elternwerdens auch falsche Entscheidungen trifft. Die Kinder landen ja nicht in der Gosse nur weil Du die falsche Creme oder nicht die Markenwindel gekauft hast. Für die Kinder ist das richtig, was Du machst. Auch bei einer falschen Entscheidung musst Du dazu stehen. Und den Kindern nicht spüren lassen,  dass irgendwas falsch gelaufen ist.


Meine Lieblingsfrage: Wie entspannst Du?

Sehr viele innere Ruhe empfinde ich beim Zuhause auf der Terrasse sitzen. Und als Ausgleich bringt mir Sport machen sehr viel. Ich war extrem unsportlich. Anfang 2014 habe ich angefangen mit Volleyball. Letzten Sommerurlaub habe ich mit dem Laufen angefangen. Fünf Jahre vorher hätte ich das nicht gedacht, aber das möchte ich nicht mehr missen. Durch das Laufen habe ich Leute bei mir im Ort kennengelernt, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Ich bin beim Halbmarathon 21 km gelaufen, das hätte ich nie gedacht. Bei uns vor der Haustür gab es vor Kurzem für Kinder einen sogenannten Wiesellauf 1,2 km. Da ist unser Großer auch schon mitgelaufen.

Dankeschön.

Die Bilder wurden freundlicherweise von Florian zur Verfügung gestellt.

Ihr habt auch ein Kind, interessiert Euch für Kultur und möchtet darüber reden? Schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com. 


Eine Übersicht über alle bisher geführten Interviews findet Ihr hier

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