Familienrollen, Kultur mit Kind

„Es ist eben am Ende auch eine Frage der Versorgung. Wenn diese nicht gesichert ist, macht das keiner Mutter Spaß zu Hause mit dem Kind zu sein und täglich zu bangen.“ / Familienrollen: Christina über ihre Rolle als Alleinverdienerin

Jede Woche gibt es die #familienrollen: Dieses Mal erzählt mir Christina aus Frankfurt, mit welchen Vorurteilen sie als Alleinverdienerin zu kämpfen hat, und wie die Dinge in der Heimat ihres Mann anders laufen. Christina arbeitet als Shopping Assistent am Frankfurter Flughafen und Kinder hat sie natürlich auch: Theo ist 2006 geboren und Arya kam 2013. 

Du bist mit einem Italiener verheiratet und die Alleinverdienerin der Familie. Packt man ein paar Klischees aus, klingt das erst mal ungewöhnlich. Wie funktioniert das bei Euch? 

Flughafen-Selfie

Klischees und Schubladen- wie ich sie liebe: Mit dieser Art zu denken, werde ich tatsächlich täglich konfrontiert. Nun mein Mann, der Italiener, der oft gar nicht Klischee-Italiener ist, ist eigentlich ein Mann der auf die klassische Rollenverteilung steht. Also hier doch schon ein Klassiker. Das ist das Ziel auch für uns.

Es gefällt ihm überhaupt nicht, dass ich so viel arbeiten muss. Weniger arbeiten: Das würde mir auch sehr gut passen, denn Ich habe wirklich viele Ideen für mehr Freizeit mit meinen Kindern.

Da ich schon seit fast 13 Jahren in diesem Betrieb am Flughafen arbeite und mein Mann erst 2012 ( das Jahr in dem Ich auch schwanger wurde) nach Deutschland kam und wir einige Dinge, wie Nestbau, zu erledigen hatten- war es einfach klar das ich sofort wieder arbeiten gehen würde. Auch weil mein Mann als Künstler auch eher schwierig anzustellen ist. Das geht so fix nicht.

Natürlich hatten wir einiges versucht, um Ihn irgendwo unterzubringen auch allein schon wegen der Sprache. Die musste er ja auch erstmal lernen. Aber die Zeit verflog zwischen renovieren, umziehen, familiären Streit (habe es mit der Stärke und dem Halt meines Mannes geschafft mich endlich von meiner tyrannischen Familie zu trennen ), heiraten hier und in Italien und so ging ich drei Monate nach der Geburt wieder arbeiten.

Es war auch nicht so schlimm wie ich es mir selbst ausgemalt habe. Darüber bin ich sehr froh.
Das heißt nicht das es einfach war und ist. Es gibt schwarze Tage an denen ich mir sehr verloren vorkomme. Wie ein Roboter. Dazu kommt dann mein Mann, der ja mindestens genauso, an der nicht ganz optimalen Situation, leidet. Doch wir raffen uns immer wieder zusammen. Unser Wille für eine entspanntere Zukunft ist nicht zu brechen.

Da mein Mann raus will aus diesem Familienmodell „Wo die Mama ständig arbeiten geht“, nutzt er quasi jeden Moment um seine kreativen Ideen zu verwirklichen. Arbeite ich nicht, versuche ich viel das Haus zu verlassen, damit er besser arbeiten kann. Natürlich unaufgefordert.

Ich arbeite im Wechsel-Schicht-System, und das bedeutet das ich jeden Tag verschiedene Zeiten habe. Dieses gegliedert in Früh und Spät. Meine Frühdienste fangen zwischen 2:30 und 9:00 an und die Spätdienste zwischen 11:30 und 14:30. Habe ich also einen Frühdienstblock kann es sein das ich am ersten Tag um 2:45 anfange, am zweiten Tag um 6:30, dann am dritten um 3:00 und am vierten um 8:00. Das ist sehr anstrengend.

Dann habe ich gewöhnlich zwei Tage frei und es geht weiter mit Spätdiensten. Man kann unter Umständen mit Kollegen einzelne Dienste tauschen, damit alles erträglicher wird innerhalb des Blocks. Aber die da oben, auf den Sesseln, sehen das überhaupt nicht gerne.  Es gibt aber einige Kollegen, die schon etwas älter sind und die möchten natürlich weniger nachts und/ oder durcheinander arbeiten- deshalb übernehme ich oft diese Dienste und das wird ohne Probleme genehmigt.

Der Vorteil an den Diensten vor 4:00 morgens ist die Tatsache das ich schon zum Mittagessen zu Hause bin. Meist muss ich dann doch mit der Kleinen ein Schläfchen machen und bin insgesamt ziemlich matsche, aber: ich bin da. Der Sohn liebt es, wenn ich Frühdienste habe, denn für ihn bin ich den ganzen Tag da.

Mal abgesehen von diesem Leben ohne Rhythmus gibt es auch nerventötende Faktoren wie:
Sehr viel Lärm (ob Baulärm oder Menschen aus aller Welt, die aufeinandertreffen ), sehr viel Staub und Dreck, sehr viele Menschen, sehr viel Kerosin und Strahlen, sehr viel Zeitdruck, sehr viele andere stressige Arbeitsbedingungen.

Nun: Diese Arbeit mit diesen Arbeitszeiten wird ganz gut bezahlt.


Wie reagiert das Umfeld darauf? 


Die Familie.

Mein Vater reagierte genauso wie auch viele meiner Kollegen. Als mein Mann ohne Deutschkenntnisse hier eintraf, behandelte er ihn wie jemanden, der nur darauf aus ist in einem Industrieland leben zu können. Ja. Klischeedenken ist hier ON!
Wie bescheuert, wenn man weiß das mein Mann ein studierter Italiener ist. Er braucht keine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Er ist ein Mensch mit viel Kultur und vielen Sprachkenntnissen. Er ist viel gereist,war erfolgreich und besaß Anteile der Firma und hat alles wegen mir hingeschmissen. Gewonnen habe da eher ich.  Und nicht er.

Auf der Arbeit herrschten viele blöde Lügen über mich. Immer schön in die Schublade reingezwängt. Die wenigsten Menschen, die in Wechselschicht arbeiten haben ein ausgeglichenes Privatleben und sind einfach nur neidisch.

Dass Rob nach drei Jahren nun noch nicht angestellt ist, liegt ja daran das er die Betreuung unserer Kinder übernimmt.

U3- Betreuung ist hier absolute Mangelware und unbezahlbar. (600 Euro inklusive Essens- und Windelgeld ). Viele können nicht verstehen, dass er in Elternzeit ist und rufen: Er solle doch „wenigstens“ einen Minijob machen. Ja, leider ist er auch dafür nicht flexibel genug, liebe Leute.

Also haben wir noch ein wenig Geduld bis die kleine Maus in den KiGa geht und somit sich alles ändert.

Hier muss ich noch hinzufügen das es bei meiner Arbeitsstelle noch weitere Fälle von „Frau auf Arbeit und Mann bei den Kindern“ gibt.

Es ist eben am Ende auch eine Frage der Versorgung: Wenn diese nicht gesichert ist, macht das keiner Mutter Spaß zu Hause mit dem Kind zu sein und täglich zu bangen. Und erst recht nicht wenn man eigentlich mehr verdient als der Mann.

Ja auch bei mir in der Firma verdienen die Männer mehr als die Frauen bei gleicher Anstellung.

Merkst Du einen Unterschied in den Rollenbildern zwischen Deutschland und Italien?

Theo und Arya

In Italien gibt es wenige Männer, die zu Hause mit den Kindern sind. Sehr, sehr wenige. Auf einer Seite ist alles sehr viel familiärer. Aber auf der anderen Seite werden Familien vom Staat so gut wie gar nicht unterstützt.

Dort gibt es kein Kinder-, Betreuungs- oder Sonstwas-Geld. Nicht mal Elterngeld wird annähernd so an die Familien weitergegeben wie hier. Drei Prozent vom Gehalt in den ersten drei Monaten: Das erhielt eine Bekannte aus Mailand.

Die Männer haben eher gut bezahlte Jobs als die Frauen ist und so bleibt die Mama daheim. Oder die Mama geht auch wieder schnell halbtags arbeiten, denn da ist Familie die aufs Kleine aufpassen kann.

Es sind die Familien, die sich untereinander finanzieren. FAMILIE: wird in Italien tatsächlich groß geschrieben.

Dass mein Mann zu Hause ist, immer wieder versucht diese Zeit gut zu investieren, und bisher eher wenig Glück hatte, das alles sehen die Italiener nicht so gerne. Es sind positive Menschen, aber traditionelle Menschen. Das Bild zeigt den Mann beim Arbeiten und die Frau mit der Schürze und dem Staubwedel.


Eure Kinder werden zwei-. bis dreisprachig erzogen. Wie sieht das im Alltag aus? 


Zum Glück ist mein Mann ein sehr schneller Lerner. Ohne Sprachkurs und nix, hat er sich kürzester Zeit einen guten deutschen Wortschatz zugelegt. Mit dem Sohn spricht er eigentlich meist deutsch und weniger italienisch. Mit den Kindern zusammen wiederum ausschließlich italienisch.

Ich muss zugeben, dass es für mich am Anfang schwierig war mit ihm deutsch zu sprechen, da wir uns natürlich viel besser auf Englisch verständigen konnten. Heute ist das anders.

Das Englisch rückt immer mehr in den Hintergrund, aber oft spricht jetzt auch der Sohn die dritte Sprache und so hatte es ja auch etwas Positives.

Wir reden viel und manchmal wenn wir nicht so aufmerksam sind, werden alle drei Sprachen wild umher gewirbelt. Ein großes Sprachdurcheinander- aber das sind wir:  Eine liebenswerte Chaosfamily.

Mein Italienisch ist nicht so prächtig, aber ich arbeite dran: Ja. Ja, wirklich.

Der Große liest italienische Bücher und interessiert sich sehr- am liebsten würde er in die Nähe von Nonna, Nonno, Zia, Zio und allen anderen ziehen.

Die kleine Maus spricht täglich mehr und das ist eine unglaubliche Befriedigung. Manchmal benennt sie Dinge auf Italienisch und dann lobe ich sie aber drücke noch das deutsche Wort hinterher. Nicht immer funktioniert das. Oft beharrt sie dann auf die italienische Übersetzung. Denke aber die Hauptsache ist, dass wir viel reden, sie interessiert ist und wir beide Sprachen nutzen. Ich hatte echt Bedenken wegen unserem dreisprachigen Haushalts, aber es wird alles gut. Davon bin ich überzeugt. Molto bene.


Welche Pläne habt Ihr für die Zukunft? 

Meine Familie und ich haben eine schöne und vor allem eine gemeinsame Zukunft.
Das ist es was wir wollen. Wir wissen gar nicht genau, wo es uns hinschlägt. Vielleicht lasse ich mich versetzen. Nach Berlin, vielleicht? Oder nach Hamburg? Oder nach Italien? Wir wissen es nicht.

Vielleicht klappt es mit Rob und einer Anstellung in einem Grafikbüro. In diesem Fall dürfte Ich weniger arbeiten oder gar ganz den Job wechseln, denn dieser Wechsel-Schichtdienst ist nicht familienfreundlich und macht definitiv müde.

Natürlich stelle ich mir vor, dass ich schon bald nicht mehr Vollzeit arbeiten muss. Und wenn ich mir was wünschen dürfte, wäre Rob erfolgreich auf halber Stelle angestellt, des Weiteren selbstständig mit seiner Kunst. Und ich? Ja, ich könnte mich mit Hochzeiten beschäftigen. Das ist nämlich meine Passion. Neben den Kindern natürlich. Die sind immer Nummer Eins. Doch vielleicht darf ich mich irgendwann Hochzeitsplanerin nennen. Das ist ein Traum.

Ein Traum, der vielleicht niemals wahr wird, aber mein Traum von meiner eigenen Familie ist bereits wahr geworden. Diesen Traum darf ich bereits leben und das tue ich mit allem was ich habe.

Auch wenn es oft Tage gibt, an denen ich scheinbar keine Kraft mehr habe: Ich liebe meine Familie und ich kämpfe mich da durch.

Wir sind glücklich und verdienen es glücklich zu bleiben und noch glücklicher zu werden.

Mein Mann ist einfach großartig. Er unterstützt mich überall und baut mich immerzu auf.  Er hört mir zu und schenkt mir jeden Tag seine Liebe- auch wenn er sehr unzufrieden mit seiner Situation ist.

Wie gerne würde er mit mir tauschen: Das Haus verlassen und nach neun Stunden wieder heimkehren. Und zum Beispiel seiner schürzentragenden Frau beim Backen und Wedeln zu schauen. Ich glaube an ihn und an seine Fähigkeiten.

Er ist ein fantastischer Künstler, und das muss einfach früher oder später auch Geldscheinchen nach Hause bringen können.

Und wenn es nicht seine Kunst ist: Naja, dann wird eben der Plan geändert.

Notfall-Plan ist immer die Familie in Mailand. Diese vielen Arme sind immer weit geöffnet.

Fakt ist: Dieses Modell wie es jetzt von uns gelebt wird, wird nicht ewig währen.
Ich möchte mehr Mutter sein und so wird es geschehen. Auch ein drittes Kind ist gewünscht, wenn die finanzielle Situation rosiger aussieht.

Vielen Dank für das Interview. 

Hier geht es zu Christinas „Mammablog“ cosmopolimam. Und hier zum Portfolio von Christinas Mann Rob.

Jeden Freitag gibt es ein Interview zum Thema „Außergewöhnliche Familienmodelle“ unter dem Schlagwort #familienrollen. Ihr kennt auch jemanden auf den das zutrifft, habt selbst eine Geschichte oder eine Idee, was Ihr unbedingt mal gerne lesen möchtet? Dann schreibt mir unter fruehesvogerl@gmail.com.

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