Familienrollen, Kultur mit Kind

Mutter mit 40: „Ich wollte keinem Kind eine Scheidung zumuten.“

Nicole ist mit 40 zum ersten Mal Mutter geworden. In den Familienrollen erzählt sie, ob Familienplanung vorher eine Rolle gespielt hat, ob sie sich selbst als Risikoschwangere sah und wie sich das Muttersein heute für sie anfühlt. 

 

Du bist mit 40 zum ersten Mal Mutter geworden: Ab wann spielte Kinderplanung in Deinem Leben eine Rolle?

 

 

Eine ernsthafte Rolle spielte die Familienplanung eigentlich erst als ich mich schon weit jenseits der 30 befand. Zu dieser Zeit hatte ich meinen Mann kennengelernt, wir waren zusammengezogen und merkten, das läuft prima mit uns, das ist was für ganz ganz lange.

Eigentlich kam ich als Scheidungskind aber aus der Fraktion „Ich will keine Kinder“.

 

Klar, habe ich mir als ich selbst noch ein Kind war früher auch ausgemalt, dass ich mit 24, das war im magischen Jahr 2000, bestimmt schon verheiratet bin und Kinder habe. Glückliche Familie, wie man sich das so wünscht. Aber dann wuchs ich heran, begann zu studieren und merkte mit besagten 24, dass ich mich bei weitem noch nicht erwachsen und bereit für Kinder fühlte. Ich steckte mitten im Studium und hatte zwar einen Partner, aber die Sicherheit, dass das der Richtige ist, mit dem ich Familie gründen und das den Rest meines Lebens durchziehen kann, die fehlte eben.

 

Und gerade weil meine eigenen Eltern sich getrennt hatten als ich vier Jahre alt war, kam Familiengründung für mich nur in Frage, wenn ich jemanden gefunden hätte, bei dem ich es, und der mich, bitte möglichst für immer aushält. Ich wollte keinem Kind eine Scheidung zumuten.

 

Andere Freundinnen waren längst verheiratet und hatten Kinder bekommen während ich immer wieder Single wurde und die ‚Das wird bestimmt nix mehr‘-Phase um die 30 durchlebte. Da hatte ich Kinder & Ehe für mich eigentlich abgehakt. Dass kein dauerhafter Partner zu finden war, bestärkte mich darin, dass es besser war keine Kinder bekommen zu haben.

 

Mit 32 Jahren traf ich dann meinen Mann und plötzlich schien alles wieder möglich. Nach drei Jahren beschlossen wir zu heiraten und fingen an über Kinder zu sprechen. Allerdings waren wir uns über den Zeitpunkt unsicher. Zum einen hatte ich einen neuen Job angefangen, den ich zunächst gerne einmal eine Zeitlang ausüben wollte & wir hatten das Gefühl es wäre gut für uns, erst noch eine Weile zu zweit zu sein. Auf der anderen Seite drängte die Zeit weil, wie man so schön sagt, meine Uhr tickte. Ab 35 würde ich immerhin schon als Risikoschwangere gelten. Wir dachten also zunächst mal, wir stellen die Verhütung ein und sehen was passiert, das Schicksal wird’s schon richten.

Das Schicksal richtete… gar nichts. Nach einer Weile begannen wir zu grübeln. Da tut sich nichts und es ist schon wieder Zeit vergangen, lass uns mal meinen Eisprung tracken.

 

Ich begann also mit natürlicher Familienplanung, lud mir eine App herunter und mass jeden Morgen meine Temperatur. Das ist zwar interessant, nützt aber im Grunde nüscht, wenn man dann nicht anfängt das Timing für Sex auch entsprechend zu verschieben.

 

Uns darauf einzulassen nach Terminplan beizuschlafen kostete schon irgendwie Überwindung und klappte mal mehr mal weniger gut. Auf jede Phase in der wir voll motiviert die Eisprungzeit ausnutzten um dann hinterher enttäuscht festzustellen, dass ich wieder fröhlich vor mich hin menstruierte, folgten mal wieder ein paar Monate in denen wir dachten, es wird oder es wird nicht. Wir wollten uns nicht so viel Druck machen, denn das liest man ja auch Immer wieder, wenn man es zu sehr möchte und sich verkrampft, klappt es erst recht nicht.

 

So probierten wir ein paar Jahre zwischen „Was ist da los, wieso klappt es nicht?“ und „Bleib locker, mach dich frei, dann wird es schon“ uns zu vermehren. Doch je länger man wartet, desto mehr verschiebt sich der Fokus zu Ersterem.

 

Irgendwann beginnt lockerbleiben immer schwerer zu fallen, bis es schließlich gar nicht mehr geht. Und das war bei uns beiden dann auch noch zu unterschiedlichen Zeiten der Fall. Stress im Job trug seinen Teil zur allgemein vorherrschenden Anspannung bei.

Als die Ende 30 dann bei mir nicht mehr zu verleugnen waren, formulierte mein Mann das erste Mal den undenkbaren Satz „Ich denke, das wird nichts mehr. Ich versuche mich damit abzufinden, dass wir alleine bleiben.“

 

Ich weiß es noch so genau, weil es mich so erschreckte. Ich dachte nur, aufgeben ist doch jetzt noch keine Option. Grundsätzlich waren wir uns einig, dass reproduktive Maßnahmen für uns nicht in Frage kämen, entweder wir bekommen es auf natürlichem Wege hin oder wir müssen uns damit abfinden. Aber so weit mit dem Thema abzuschließen war ich noch nicht.

Ich wandte mich an meine Frauenärztin und fragte welche Optionen wir hätten ohne dass wir uns an eine Kinderwunschklinik wenden müssen. Sie schlug vor zunächst mal unsere Fruchtbarkeit zu testen. Meine Schilddrüsenunterfunktion wurde medikamentös neu eingestellt und mein Mann kam in den Genuss eines Spermiogramms. Es war alles in Ordnung, deshalb sollte mein Zyklus hormonell unterstützt werden.

 

Ich nahm Progesteron ein um die Eizellen bei der Reifung zu unterstützen, bekam einen Beischlaf-Stundenplan & der Eisprung wurde mithilfe eines weiteren Medikaments ausgelöst. Allerdings war unbeschwert Sex haben unter diesen Bedingungen für uns ein Ding der Unmöglichkeit. Ich fühlte mich derart unwohl und dieser eine Monat war so ein Horror für mich, dass ich die Behandlung bei der erstbesten Gelegenheit abbrach.

 

Wie ich später erfuhr, war das der Moment in dem für meinen Mann fest stand, das war’s, wir bleiben allein.
Ich hatte aber noch Hoffnung, keine Ahnung wo ich die hernahm. Irgendwann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, würde es sicher klappen! Das war im Januar. Im April fuhren wir in Urlaub und hatten eine so entspannte Zeit wie schon lange nicht mehr mit durchgetanzten Nächten, neuen Erlebnissen und einer atemberaubenden Zeit in der Natur.

 

Ich konnte nach langer Zeit mal wieder die Seele baumeln lassen und vergass Job & Frust tatsächlich mal für eine ganze Woche. Diese Auszeit tat so gut, dass ich danach auch in meinem Alltag spürbar davon zehren konnte. Ich hatte das Gefühl irgendetwas in mir hatte Klick gemacht. Und einen Monat später hielt ich den positiven Schwangerschaftstest in den Händen.

 

 

Wie hat Dein Umfeld auf die Verkündung Deiner Schwangerschaft reagiert?

 

 

Durchweg positiv. Die Menschen die wussten, dass wir uns Nachwuchs wünschten freuten sich natürlich besonders mit uns. Aber auch sonst wurden mir keine Vorurteile oder gar Ablehnung entgegen gebracht.
Vollkommen überrascht haben wir damit zwei Menschen, meine Schwiegermutter und meine Chefin.

 

Meine Schwiegermutter hatte sich das Oma werden schon abgeschminkt, sie dachte wir würden keine Kinder wollen, war aber total aus dem Häuschen, dass sie nun doch in den Genuss eines Enkelkindes kommen würde.

Meiner Chefin wurde heiß & kalt, wie sie selbst sagte. Allerdings nicht ausschließlich weil sie nicht mehr damit gerechnet hatte, dass ich schwanger werden könnte, sondern, wie sich später herausstellte, weil ich bereits die zweite Angestellte innerhalb von 2 Wochen war, die in froher Erwartung bei ihr am Schreibtisch saß.

 

 

Ab 35 hat man das Kreuzchen bei Risiko-Schwangerschaft im Mutterpass: Hast Du das Gefühl, dass Dein Frauenarzt Dich zu mehr Untersuchungen gedrängt hat? 

 

Nein. Als ich zum Gynäkologen marschierte mit dem positiven Test im Gepäck war ich selbst gespannt, wie es nun weitergehen, wie er mich einschätzen und behandeln würde. Er setzte zwar sein Kreuz bei Risikoschwangerschaft, aber sonst beriet er mich wie jede andere Schwangere auch.

 

Er klärte mich über die Nackentransparenzmessung und später über die Möglichkeit des Organscreenings auf. Ganz sachlich legte er mir dar, dass das Risiko auf Trisomie bei meinem Baby aufgrund meines Alters erhöht ist & er mir daher zu einer Nackentransparenzmessung rät. Aber ich fühlte mich in keinster Weise dazu gedrängt. Weitergehende Untersuchungen haben wir erst gar nicht besprochen, denn er sagte das macht ohne das Ergebnis der Messung gar keinen Sinn. Nach deren Durchführung gratulierte er mir und sagte das Risiko wäre nun noch so groß wie bei einer 18-jährigen. Keine weiteren Maßnahmen erforderlich.

 

Überhaupt gab er mir gar nicht das Gefühl ein besonderer Fall zu sein, was ich als sehr angenehm empfand, macht man sich doch als Schwangere sowieso schon ständig zu viele Gedanken über alles Mögliche. Für mich verlief die Behandlung beim Gynäkologen überraschend unspektakulär, wenn man bedenkt, wie oft ich gelesen habe dass die Fruchtbarkeit abnimmt ab 35+ & welche Probleme auftreten könnten.

 

Mir kam es vor wie ein Wunder, dass es so „spät“ noch geklappt hatte, doch meine Ärzte & Hebammen verloren kein Wort darüber.

 

Mittlerweile glaube ich, späte Schwangerschaften sind gar nicht mehr so die große Ausnahme wie es uns glauben gemacht wird.

 

 

Nun bist Du 40, Deine Tochter zwei Monate: Würdest Du sagen, die Familienplanung ist bei Euch abgeschlossen oder ist das noch offen?

 

Während der Schwangerschaft scherzten wir manchmal herum, das läuft so gut, lass uns noch ein Geschwisterchen dranhängen. Während der Geburt, die 5 Tage lang eingeleitet wurde und schließlich in einem Kaiserschnitt gipfelte, dachten wir uns diese Quälerei braucht echt kein Mensch ein zweites Mal.

 

Während der ersten schlaflosen Wochen mit Baby flehte mein Mann mich an, bitte nicht noch eins!

 

Aber lustigerweise wurde ich von Arzt und Hebamme schon mal präventiv darüber aufgeklärt, ab wann wir wieder loslegen können. Mein Arzt verabschiedete mich mit den Worten, gerne jederzeit wieder! Aber wer weiß ob es überhaupt ein zweites Mal klappen würde?

 

 

Glaubst Du, dass Frauen mit 40 automatisch andere Mütter sind als solche, die mit 20 ihr erstes Baby erwarten? 

 

Ich habe schon das ein oder andere Vorurteil à la „Alte Mütter sind immer so überfürsorglich, gluckig etc.“ gehört. Allerdings war das bevor ich selbst schwanger wurde. Ich dachte mir dabei immer nur, interessant, ob derjenige sich bewusst ist, dass wenn ich noch Mutter werde, ich auch eine „alte“ Mutter sein werde?

 

Ich persönlich glaube nicht dass es unwillkürlich so ist. Eher glaube ich, dass jede Mutter ein wenig anders ist, wie ja auch jedes Baby anders ist, und dass das eher abhängig ist von Charakter und Temperament als vom Alter. Ich fühle mich auch nicht wie eine „alte“ Mutter, eher frei dem Motto 40 ist das neue 30.

 

Ich bilde ich mir gerne ein, dass ich über mehr Lebenserfahrung verfüge als eine 20-jährige, dass ich vielleicht besser weiß was ich will, und vor allen Dingen was ich nicht will, dass ich durch meine lange Wartezeit auf unser Baby die Zeit mit ihr jetzt erst richtig genießen kann. Aber wieso sollte das bei jüngeren Müttern nicht auch der Fall sein? Und schaffe ich es dadurch mein Kind so zu erziehen wie ich mir das wünsche, Ihr alles zu vermitteln und mitzugeben was sie für ein glückliches und erfülltes Leben braucht? Das weiß ich ja heute noch nicht.

 

Und sagen wir’s mal andersherum: So richtig versauen kann man es mit 20 genauso wie mit 40. Ich denke es hängt eher davon ab, wie bereit man ist sich auf das Abenteuer Mutterschaft einzulassen. Und das ist nun mal bei jedem zu einem anderen Zeitpunkt im Leben.

 

Was rätst Du anderen Müttern die erst „später“ Mütter werden und vielleicht ängstlich sind, was auf sie zukommt oder die ein intolerantes Umfeld haben?

Hör nicht auf andere, hör auf Dein Bauchgefühl & Dein Herz. Niemand anders kann entscheiden wann für Dich der richtige Zeitpunkt ist ein Baby zu bekommen. Wenn Du auf Unverständnis triffst, ist das natürlich unglaublich schade, denn auch Dein Umfeld sollte sich mit Dir freuen.

 

Aber lass Dich nicht davon abhalten Deinen Wunsch nach einem Kind zu erfüllen! Wenn Dir Kritik entgegenschlägt, versuche daran zu denken, dass sie nur für ein paar Stunden, Tage oder schlimmstenfalls Wochen anhält. Ein Baby zu bekommen ist jedoch eine Entscheidung fürs Leben und wird Dir viel langfristiger viel größere Freude bereiten.

 

Und auch wenn es sich vielleicht am Anfang so anfühlen mag, Du bist nicht alleine. Da sind zahlreiche andere Mütter, die in der gleichen Situation sind wie Du, die Dich verstehen und Dir helfen können. Und die fragen nicht nach dem Alter, dafür sind sie viel zu müde.

 

Vielen lieben Dank für Deine Offenheit, Nicole. Nicole bloggt auf fraumwiemama.de.

Die Bilder stammen von der Fotografin amw-photography.de.

 

Ihr habt ein Thema, dass ihr in den Familienrollen gerne mal lesen wollt, oder möchtet mir von Eurer Familie erzählen: Dann schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com.

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