Familienrollen, Nachgefragt

Hausfrau auf Zeit: „Ich brauche die freie Zeit schlicht, um wieder auf ein normales, vertretbares Belastungsniveau zu kommen.“

Eine Weile lang „nur“ Hausfrau sein: Warum Mo dieses Modell gewählt hat, ihre Mutter dagegen ist und was sie davon erwartet, das erzählt sie mir in den Familienrollen

 

Du bist Mutter zwei Kinder, wovon das Kleinste gerade in die Kita kommt. Nun bist Du (wieder) in Elternzeit. Wie kam es dazu?

 

Wir hatten bisher eine Fifty-Fifty-Aufteilung, weil uns Familienzeit beiden wichtig ist. Wir haben also beide in Teilzeit gearbeitet, sodass immer einer von uns zu Hause war, 2 1/2 Tage ich, 2 1/2 Tage Karl (der allerdings abends noch 10 Stunden pro Woche zusätzlich arbeiten musste).

 

Das war theoretisch gut gedacht, praktisch hat es uns aber immer wieder vor organisatorische Herausforderungen gestellt, vor allem dann, wenn irgendwas mit den Kindern nicht nach Plan lief, was ständig der Fall war.

 

Somit kamen wir nie zur Ruhe, und die brauchten wir dringend als ganze Familie. Deshalb haben wir uns entschlossen, dass ich für ein gutes Jahr in (aufgesparte) Elternzeit gehe und Karl dafür Vollzeit arbeitet.

 

Wenn man möchte könnte man sagen, Du bist aktuell „nur Hausfrau“. Möchten das viele sagen und wie wird es aufgenommen?

 

Ich bin eine leidliche Hausfrau, deshalb würde ich mich nicht so bezeichnen. Tatsächlich fragten einige: „Was machst Du denn da in der Zeit? Hobbies?“ Ich fand es schwer vermittelbar, dass ich keine zusätzliche Aufgabe brauche, um das Zeit-Loch auszufüllen. Seit 6 Jahren lebe ich aus unterschiedlichen Gründen ständig über meine Grenzen, und ich brauche die freie Zeit schlicht, um wieder auf ein normales, vertretbares Belastungsniveau zu kommen. So sehr, wie es außer Frage für mich stand, mich völlig zu übernehmen in Ausnahmesituationen mit den Kindern, so sehr steht es für mich auch außer Frage, dass diese Auszeit schlicht notwendig ist, um mich davon zu erholen. Das verstand im Real Life aber kaum jemand, der nicht ähnliches erlebt hat. Deshalb hab ich dann einfach irgendwann gesagt „Zeit für mich, mal sehen“ oder so. Krass ist jedenfalls: Wenn ich sage: „Ich arbeite im Moment nicht“ (Familienzeit zählt ja nicht als Arbeit), ernte ich irritierte Blicke. Sage ich hingegen: „Ich bin in Elternzeit“, heißt es: „Ach, schön!“ Ist das nicht seltsam?

 

Mal abgesehen von der Meinung anderer: Wie gefällt es Dir?

 

Super. Wir haben die Situation nun seit gut 3 Monaten, und es ist tatsächlich deutlich entspannter geworden. Ich hatte Respekt vor davor, IMMER für die Kinder zuständig zu sein und keine erholsamen Büro-Tage mehr zu haben. Tatsächlich aber ist es besser und tut mir gut. Karl hingegen vermisst die Kindertage sehr, er ist jetzt nur noch abends und am Wochenende da – damit ist er nicht glücklich. Aber auch er kommt besser zur Ruhe: erstens weil er die Vollzeit-Arbeit nicht mehr in Teilzeit schaffen muss, mehr aber noch, weil das ganze Familiensystem sich entspannt hat. Das nimmt auch für ihn Druck raus. Und seitdem Coco (gerade 3) in den Kindergarten geht (die Eingewöhnung ist nun so langsam abgeschlossen), genieße ich die unfassbare Selbstbestimmung von 3,5 Stunden pro Tag. Ich kann Dinge in meinem Tempo tun. Selbst wenn es doofe Haushaltsdinge sind, tut mir das wahnsinnig gut.

 

Twitter hast Du mal geschrieben, dass Deine Mutter – selbst Hausfrau – dagegen ist, dass Du Dir diese Auszeit nimmst: Wie gehst Du damit um?

 

Meine Mutter ist mir sowas von egal. Wir haben keinen Kontakt mehr. Sie hat ihren geliebten Job aufgegeben, um Kinder zu bekommen und großzuziehen. Das hat sie bereut. Ich hingegen sollte deshalb alles anders machen – so, wie sie es im Nachhinein gern gemacht hätte. Ich bin aber anders als sie. Ich bin ein Beziehungsmensch, blühe in Partnerschaften auf – sie warnte mich generell davor, mich an jemanden zu binden. Sie propagiert den goldenen Mittelweg, um ja nicht anzuecken – für mich verbinden sich eher die Extreme zu einem runden Ganzen. Ich lebe sicher auch ganz anders als „Hausfrau“, als sie es tat.

 

Die Elternzeit ist eine schöne Zeit, aber endlich: Wie lange dauert Deine noch an und was möchtest Du Dir daraus mitnehmen?

 

„Die Elternzeit ist eine schöne Zeit“ – ich stocke beim Lesen. Das war für mich in weiten Teilen nicht so. Sie war eine größenteils furchtbar schlimme Zeit. Vielleicht genieße ich sie deshalb jetzt auch besonders. Vielleicht ist es meine erste „richtige“ Elternzeit. Meine jetzige Elternzeit geht bis zu Cocos 4. Geburtstag im September 2018. Ich weiß nicht, was ich mir daraus mitnehmen möchte. Ich lebe da eher im Jetzt.

 

Ich denke, wenn ich jetzt auftanke, kann mir das nicht schaden. Ich merke auch, es tut mir gut, mich nicht mehr ständig auf der Arbeit wie ein Alien zu fühlen in einem fast ausschließlich kinderlosen Kollegium. Ich weiß auch gar nicht, ob ich dorthin zurück möchte. Ich stelle das noch etwas hinten an. Ich vermisse meine Arbeit nicht, obwohl ich sie früher, vor den Kindern, echt gern gemacht habe.

 

Prioritäten haben sich so wahnsinnig verschoben. Ich nehme interessiert zur Kenntnis, dass einige Twitterfreundinnen andere Wege eingeschlagen haben und das zum Beruf gemacht haben, wofür sie inzwischen viel mehr stehen. Sie folgen einer Berufung. Ich bewundere das.

 

Dein Mann und Du geht auf Twitter sehr liebevoll und gleichberechtigt miteinander um, in der Vergangenheit habt Ihr mir bereits mal ein Interview gegeben, wie ihr Euren Kindern Toleranz beibringt. Was wünscht Du Dir für die Vereinbarkeit von Job und Familie? 

 

Vielleicht wünsche ich mir gerade das moderne, gleichberechtigte Modell nicht mehr, weil es uns so zerrissen hat. Toll fände ich zum Beispiel, wenn Karl mit vielleicht 30 Stunden die Woche etwas früher zu Hause wäre und ich einen Halbtagsjob machen könnte, bei dem nicht (wie aktuell) 2-3 Stunden pro Tag an Pendelzeit drauf geht. Denn in meinem Job muss ich mindestens 30 Stunden arbeiten, um davon dann maximal 10 Stunden Home Office machen zu können. Das macht Vereinbarkeit für mich schwierig. Ganz klar ist für mich, dass ich mehr Familie als Job brauche. Das wird mir so in der Deutlichkeit erst jetzt in diesem Moment klar, in dem ich das schreibe.

 

Vielen lieben Dank für Deine Antworten, Mo. Mehr von Mo findet Ihr auf 2 KindChaos.

 

Ihr habt ein Familienmodell, das gut in die Familienrollen reinpassen würde, aber so noch nie vorkam? Oder wollt über etwas Bestimmtes sprechen? Schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com.

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