Alltag, Familienrollen

Bienen und Imkern: Ein Hobby für die ganze Familie

In den Familienrollen geht es diese Woche um ein Hobby: Julias Familie imkert. Warum sie sich für die Bienen entschieden haben, was es braucht und was sie täglich lernen, das erzählt sie im Familienrollen-Interview

Ihr seid eine fünfköpfige Familie mit einem außergewöhnlichen Hobby: Wie seid Ihr zum Imkern gekommen?

Thihi, ehrlich gesagt über ein anderes, eher sonderbares „Hobby“: Wir Erwachsenen kucken gerne Selbstversoger Videos auf Youtube. Du weißt schon, wegen Schrebergarten und selber Käse machen und sowas (jaaa, jeder hat so seine Sonderbarkeiten…). Rigotti zum Beispiel. Und den Selbstversorgerkanal.

Jetzt rate, was die beiden haben? Genau. Bienen. Und wir hatten im Winter ganz offensichtlich so viel Langeweile (sowas kann uns nur im Winter passieren, der Sommer ist zu voll für Langeweile!), dass wir halb Youtube leer gekuckt haben, was Bienenvideos betrifft. Jetzt ist Youtube nicht Instgram oder Fernsehen, sondern (großteils) eher so eine Amateurgeschichte. Wir haben abstruse Dinge gesehen, unverständliche, schöne und plausible. Aber es schien uns irgendwie.. naja… zumindest kein Hexenwerk zu sein. Also irgendwie machbar. Oder so.

 

Und am Ende waren wir uns insofern einig, als dass Bienen ziemlich nützliche und schützenswerte Haustiere sind. Dass sie in freier Wildbahn hingegen kaum noch existieren, hat uns wirklich nachdenklich gemacht. Ob wir da wohl was dran ändern könnten? (Ja, latente Selbstüberschätzung liegt bei uns in der Familie. Ob es die tatsächlich stets bemerkenswerte Körpergröße ist, die das befeuert? Ich weiß es nicht.)

Naja. Der Wikingergatte war realistisch: Das wäre ein teures Hobby. Ich war im Öko-Modus. Und habe mir ein Bienenvolk zum Geburtstag gewünscht. Das war insofern eine wirklich gute Idee, als dass mein Geburtstag im Frühjahr liegt und das Bienenjahr- ratet!- im Frühjahr begonnen wird. Ha! Um es ganz deutlich zu sagen: Ich habe mir EIN oder ZWEI Völker gewünscht. Und mein Geburtstagsgeschenk hat auch genaus DAS beinhaltet. Wie wir jetzt bei vier starken Völkern und sechs Ablegern („junge“ Völker, die erst im Folgejahr ihr volles Potential erreichen werden) gelandet sind? Ich habe keinen blassen Schimmer.

 

Eigentlich wollte ich die Schuld zur Gänze auf den Wikingerbienenhütermann schieben. Aber es scheint, als hätte ich das immer und immer wieder abgesegnet, was er da angeschleppt hat. Und wenn ich ehrlich bin, hängt das auch mit einem sehr großen Glücksfall zusammen: Wir hatten im richtigen Moment Geld übrig, um eine andere Hobbyimkerei aufzukaufen. Inklusive wirklich viel Material und allerlei nützlicher Kleinkleins. Glaub mir: Das ist echt eine ganze Menge.

 

Es wäre sehr sehr unwirtschaftlich gewesen, so ein Schnäppchen (von so einem netten Menschen) auszuschlagen. Et voila: Tausend Kilo Bienenkram und zehn Völker später sind wir wieder in der Gegenwart. Tjanun.

Was braucht man, um mit dem Imkern zu starten und wo kriegt man das?

Was eins wirklich braucht für Bienen ist: Nerven. Ernsthaft. Es ist alles zu machen mit den kleinen Biestern, aber ohne gute Nerven hat sich dieses Hobby schnell erledigt. Und das liegt nicht nur an den Immen, sondern hauptsächlich auch an den Menschen in Deiner Umgebung.

Die meisten Menschen können Bienen von Wespen nicht unterscheiden und beharren hartnäckig auf ihren Vorurteilen. Schwierig. Wirklich.

Deswegen hat Glück, wer einen eigenen Garten hat. Da kann Dir keiner was. Aber auch Schrebergarten geht (Nerven!), allerdings musst Du Dich vorher mit dem Vorstand verständigen und das am Besten auch schriftlich festhalten. Je nach Ambition reicht aber auch schon ein kleiner Balkon, um zB Bienen in der Bienenbox zu halten. Gerade in der Stadt und in Schrebergärten finden Bienen relativ viel und relativ lange Futter. Hätte ich gar nicht gedacht, muss ich gestehen.

 

Wir hatten schon folgende Standorte: Schrebergarten, Ponywiese 1-3, Gärten von Freunden und sind jetzt in einer Selbstversorgergärtnerei 30 Minuten von Lübeck entfernt. Du merkst schon, wenn es viele Bienen sind, wird die Platzsuche schwer. Solange es nur wenige sind, ist es deutlich einfacher.

Tja, aber ohne Bienen geht es nicht, stimmts?! Jo. Deswegen haben wir damals Ebay Kleinanzeigen durchforstet. Ausgerechnet unser Startjahr war eines, in dem Völker nicht leicht zu bekommen waren, aber es ist uns doch noch gelungen. Völlig überteuert. Aber wo ein Wille ist, da gehen Wikinger durch Wände, nech?! Ich würde heute Anfänger*innen den Gang zum örtlichen Imkerverein empfehlen.

 

Die sind meistens ziemlich schrullig und wollen auch erstmal wissen, ob Du Dir das auch gut überlegt hast, mit diesen Bienen. Aber sie haben nicht unrecht und im besten Fall sogar eine*n Bienen-Paten*in für Dich. Das ist jemensch, der schon Bienen hat und Dich ein Jahr lang „mitlaufen“ lässt, um ihm*ihr über die Schulter zu kucken. Das kann unheimlich lehrreich sein und auch für die Jahre dannach immer wieder ein*e zuverlässige*r Ansprechpartner*in.
Bienen haben wir jetzt, nen Standort auch.

Was fehlt? Achja, die Bienenbehausung. Die heißt „Beute“ und ist nicht ganz billig. Deswegen finde ich (persönliche Meinung ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit): Bienen sind kein günstiges Hobby. Aber das ist Bloggen auch nicht und das schreckt mich auch nicht ab.

 

Also ab in den Imkereifachhandel oder Kataloge wälzen. Viele der „Bienenläden“ sind noch nicht ganz im Internet angekommen. Ist aber auch ganz schön- was zum Anfassen! So eine Beute besteht übrigens aus mindestens drei Einzelteilen: Einem Boden mit Flugbrett (da starten und landen die Immen), mindestens einer Zarge (da hängen die Rähmchen drin, die mit Brut -Babybienen- , Pollen oder Honig gefüllt sind) und dem Deckel.

 

So ein Bienenturm kostet locker 60 Euro. Ein Hasenkäfig ist aber auch nicht umsonst, also will ich mal nicht meckern. Eine weitere Zarge ist aber meistens Pflicht- entweder für mehr Bienenbrut oder aber (juhu!) Honig. Und dann müssten es eigentlich schon wieder zwei Zargen sein. Mit Rähmchen und Wachsplatten in den Rähmchen versteht sich. Einen Stockmeißel braucht eins auch unbedingt. Das ist ein lustiges Gerät zum Auseinanderschieben und Lösen der Rähmchen. Die kleben die guten Bienchen nämlich gerne aneinenader. Ist kuscheliger dann.

 

Imkeranzug sollte auch sein- mindestens Schleier, würde ich sagen. Ich bin inzwischen beim Ganzkörperanzug angekommen. Ich mag Bienen, aber Bienenstiche sind scheiße. Und zwar eine gute Woche lang. Da habe ich keine Lust drauf. Der Smoker leistet auch gute Dienste. Das ist ein Gerät, dass die Bienen mittels Rauch in die Wabengassen drängt, damit sie Honig „tanken“, weil sie einen Brand befürchten und solchermaßen betankt weniger angriffslustig sind. Und… äh… Du merkst schon. Die Liste wird lang.

 

Ausführliche Listen gibt es im Internet zuhauf, aber auch im Imkerverein oder (mein großer Favorit) in der Imkerschule. bei uns ist die in Bad Segeberg. Und sie bietet tolle und ausführliche Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene an. Ich mache dieses Jahr einen zum Imkern mit Kindern- da sind Profis am Werk und davon profitiere ich gerne.
Ich bin hin und her gerissen zwischen: Lasst Euch nicht von der Menge der Dinge abschrecken! Und: Doch! Bienen sind keine Hamster. Aber Bienen sind wirklich wirklich cool!

Immer wieder ist vom Bienensterben die Rede: Welche Rolle spielt das bei Eurer Ausübung?

Das mit dem Bienensterben ist eine verzwickte Sache. Es gibt namenhafte Imker, die vehement bestreiten, dass es ein Bienensterben gibt. Fakt ist aber: Domestizierte Bienen haben neben vielen anderen Dingen ein ganz großes Problem. Die Varroa Milbe.

Das ist ein Parasit, der in den Siebzigern eingeschleppt wurde. Die Milbe befällt die Bienen noch während ihres Wachstums in der Wabe und ernährt sich quasi von ihr. Stark befallene Völker werden dadurch so geschwächt, dass große Teile des Volkes sterben. Klingt jetzt makaber, aber das eigentlich Daramatische ist nicht, dass das Volk stirbt. Sondern dass ein Teil des stark befallenen Volkes „flieht“ und sich in anderen Völkern einbettelt- und so den Parasiten weiter trägt. Die nächsten Völker sind gefährdet und der Kreislauf, der sich da ankündigt, verheißt nichts Gutes.

In der freien Natur überleben Honigbienen deswegen kaum mehr als zwei Jahre. Imker können aber duch verschiedene Behandlungsmethoden Einfluss nehmen, den Schädling eindämmen und so das Überleben der Völker unterstützen. Und genau DAS war der Plan, als ich mir mein eigenes Bienenvolk wünschte. Zum Erhalt der Honigbiene beitragen. Denn die Arbeit, die Bienen für uns leisten ist immens.

 

Albert Einstein soll angeblich gesagt haben: „Wenn die Bienen stirbt, stirbt der Mensch vier Jahre später.“ Was er meinte?! Bienen sind verantwortlich für die Bestäubung von einer ganzen Menge Nutzpflanzen. Ohne Bestäubung keine Früchte. ohne Früchte – ohne mich. 🙂

 

Laut Greenpeace liegt die „Bestäubungsleistung“ der Bienen sogar bei 265 Milliarden Dollar ( Alina Reichardt, Johannes Kaufmann: Die Biene wird Bundessache. In: Hamburger Abendblatt. 8. Juni 2016, S. 22 Zitirt nach Wikipedia). Krass, oder? Ich fand dazu auch den Film „More than Honey“ sehr reich an essentiellen Infos und dazu beeindruckenden Bildern.
Aber das Thema ist, wie so oft noch viel komplizierter. jetzt schütze ich brav unsere Honigbiene. Aber da gibt es ja noch die Wildbienen- wenn die Honigbiene aber überall geschützt und vermehrt wird- verdrängt sie dann nicht letztlich die unzähligen Wildbienenarten?! Schweres Thema. Aber interessant allemal!

Wie viel Aufwand ist es tatsächlich und was sind die Erträge Eurer Arbeit?

Arbeit steckt eine Menge in den Bienen, gerade am Anfang, wenn eins noch gar nicht so genau weiß, was si*er da tut. Es sind eben gerade die Sommerwochen, die arbeitsintensiv sind. Aber es wird deutlich weniger, wen sich die Lage entspannt und aus Anfänger*innen fortgeschrittene Anfänger*innen werden. Zwischen Mai und August ist die Hauptsaison.

 

Wir haben genug Völker für zwei Honig Ernten pro Jahr und so sind zwei Wochenenedn, eines im Juni und eines im Juli fürs Honigschleudern reserviert. Ansonsten sind die meisten Arbeiten in wenigen Stunden erledigt. Dazu kommt aber im Winter der versteckte Kleinkram wie das Ausschmelzen der Waben, das Klären des Wachses, das Bestücken der Rähmchen mit Wachsplatten (als Bauhilfe für die Bienen) und nicht zuletzt so lustige Dinge wie Honig Abfüllen.

Es klebt danach Wochenlang ALLES. I swear! Aber eigener Honig rockt schon, muss ich gestehen… Kurz: Es ist wie mit allen Hobbies: Wer sich reinhängt kann ordentlich Zeit verbrennen. Aber auch wir als Familie haben es dieses Jahr wieder geschafft, ohne zu implodieren. Es kommt mir immer viel vor, wenn Garten und Bienen zur selben Zeit gepflegt werden wollen. Aber es ist gut machbar, wenn alle mithelfen!

In meiner Familie haben einige eine Bienenallergie, vielleicht kommt daher schon meine Skepsis: Wie oft stechen die Bienen und macht Euch das keine Sorgen?

Honig

Honig

Tjanun, die meisten Imker lächeln zu diesem Thema, brummeln in ihren Bart unverstäbdliches Zeug und machen sich vom Acker. Das liegt daran, dass Bienen einfach stechen. Punktum. Und eins weiß nie so genau WANN und oft auch nicht WARUM. Darum habe ich inzwischen einen Imkeranzug und die Kinder zumindest eine Imkerjacke. Bei „heißen“ Eingriffen pfeife ich sie grundsätzlich zurück, das Großkind ist inzwischen aber sechs und so Stich-erfahren, dass es selbst entscheiden darf.

 

Die Speckbohne bleibt außerhalb des roten Bereichs (vll fünf bis zehn Meter Abstand) und dann ist die Gefahr eines Stiches nicht größer als anderswo.

Die wenigsten Bienenstände sind gut sichtbar und so kann es wirklich sein, dass in Eurer Nachbarschaft ein paar tausend Bienen wohnen, ohne dass Ihr es je bemerkt habt!

Insgesamt stechen die Immen nämlich nicht (wie Wespen zB) inflationär, da bereits der erste Stich ihren Tod bedeutet. Allerdings nehmen sie zur Verteidigung des Bienenstockes diesen billigend in Kauf. Insofern… Je früher das Jahr, desto entspannter die Bienen, weil sie Futter in Hülle und Fülle haben. Je besser geschützt ich bin, desto entspannter bin allerdings auch ich und dann kann gar nichts mehr schief gehen.

Allergien können übrigens bei Kindern erst Wochen nach dem ersten Stich getestet werden- die konnten wir vorher also nicht abklären. Inzwischen wissen wir, dass der Großsohn leicht allergisch reagiert, wie wir auch. Allerdings ist das etwas, das viele Imker berichten: Die ersten jahre sind hart. Der Körper gewöhnt sich allerdings meist an die mehr oder minder regelmäßigen Stiche. Eine ordentliche Schwellung bis zu einer Woche ist aber normal und gerade an den Händen oder im gesicht sieht das oft ganz schön schlimm aus.

Imkertipp, wenn der Stachel noch im Stich steckt: Nicht drüberwischen, sondern vorsichtig mit den Fingernägeln entfernen. meist ist der Giftsack noch am Stachel und ersterer pumpt auch ohne Biene fleißig weiter Gift in die Wunde. Wer den Stachel also drin lässt, garantiert sich die volle Dosis Bienengift genauso wie jede*r, der beim Wischen versehentlich den Giftsack „leerwischt“. Übrigens soll auch Honig auf dem Stich gut helfen. Bei mir allerdings hilft meistens nur: Augen zu, feste Fluchen und kühlen.

Was ist die wichtigste Weisheit für Einstiegsimker?

Keep calm and enjoy.
Imkerei ist ein Hobby, dass einige Komponenten hat, die zwingend sein müssen. Du bist verantwortlich für tausende Lebewesen und das ist kein Pappenstiel. Aber es soll trotzdem ein schönes Hobby sein. Und glaubt mir: Nahe den Bienen zu sitzen, dem Flugbetrieb zuzusehen und das Summen zu genießen IST sehrsehr schön! Honigernte ist super nervig und ganz schön klebrig. Aber eigener Honig rockt voll! Gestochen zu werden ist super ätzend. Aber wenn das Mittelkind eine Drohne findet und die ganz friedlich auf sich herumspazieren lässt- das prägt hoffentlich für`s Leben.

In diesem Sinne: Küsst die Kinder, werft den Bienen einen Luftkuss zu und lasst Euch nicht abschrecken, wenn Ihr Lust auf dieses Hobby habt! <3

 

Vielen lieben Dank, Julia.

 

Mehr über Julia gibt es übrigens auf ihrem Blog Mama Juja.

 

Ihr habt auch eine Geschichte zu erzählen über die Ihr in den Familienrollen mal reden wollt? Dann schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com.

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