Immer am Freitag gibt es die #Familienrollen: Nicole (Perfekt ist anders) erzählt vom Leben mit der „Bonustochter“, von ihren Wünschen für ihre Mädchen und von ihren eigenen Erfahrungen als „Patchwork-Kind“.
Deine Familie besteht aus Deinem Freund, Den beiden gemeinsamen Kindern und dann ist da noch die große Tochter aus der vergangenen Beziehung Deines Mannes: Wie strukturiert Ihr Euer Leben als Patchwork-Familie?
Mein „Mann“ (fast 36) und ich (34) sind vor knapp sieben Jahren zusammen gekommen. Damals hatte er keinen Kontakt zu seiner großen Tochter. Die Gründe dafür kenne ich natürlich nur von seiner Seite, aber bei dem was ich bisher so miterleben konnte, denke ich, dass es so gewesen sein könnte.
Ich habe mit ihm oft darüber gesprochen, dass er doch zum Jugendamt gehen kann und um Hilfe bitten soll. Aber getraut hat er sich lange nicht. Zu groß war die Angst, dass seine Tochter ihn nicht mehr sehen möchte und es ihn dann noch etwas mehr schmerzt. Meine Mama hat ihn irgendwann mal gefragt, was er denn seiner Tochter sagen möchte, wenn sie irgendwann einmal vor ihm steht und wissen will, wo er denn die ganze Zeit gewesen ist. Sie sagte ihm, wenn er den Schritt zum Jugendamt wagt, dann kann er ihr wenigstens immer sagen er habe es versucht und gekämpft.
Das brachte ihn zum nachdenken und gab ihm möglicherweise auch den Mut es zu versuchen. Wir waren zu dieser Zeit ein knappes Jahr zusammen. Zuerst gab es Briefkontakt als erste Annäherung, aber es dauerte nicht so lange, da wollte seine Tochter ihn unbedingt wieder sehen. Das passierte dann die ersten Male ohne mich und zusammen mit ihrer Oma.
Weder ihr Vater noch ich stehen so auf die „Holzhammermethode“. Natürlich hat ihr Papa von mir und unserer gemeinsamen (Baby-)Tochter erzählt, die dann auch schon auf der Welt war. Meine Bonustochter äußerte dann auch selber den Wunsch uns kennenzulernen.
Sie war dann also gerade sieben Jahre alt, als wir uns kennenlernten. Ich hab mich ganz lange Zeit immer zurückgehalten. Ich hatte nie die Absicht mich ihr aufzudrängen oder Ersatzmutter zu spielen. Wir haben uns aber von Anfang an gut verstanden. Sie kam immer von allein auf mich zu und ich hab von Beginn an versucht, sie immer als gleichwertigen Teil der Familie zu behandeln. Ich hoffe sehr, es ist mir geglückt. Bisher hat sie aber noch nie geäußert, dass sie sich nicht wohlfühlt hier oder sich ungerecht behandelt fühlt. Im Gegenteil.
Der Part der bösen Stiefmutter, die ihre eigenen Kinder viel besser behandelt als das Stiefkind, wäre nichts für mich gewesen. Natürlich kann ich die Kinder nicht alle komplett gleich behandeln. Das liegt an dem großem Altersunterschied, wobei ich bei knapp zwei Jahren auch schon Unterschiede mache. Aber es gelten für alle die gleichen „Grundregeln“ und ich schaue immer, ob alles gerecht ist, soweit es eben geht.
Meine Bonustochter kommt ja leider nur an jedem zweiten Wochenende. An einem der beiden Wochenenden bin ich meist auf der Arbeit und an dem anderen versuchen wir die Zeit, so gut es geht, zu nutzen. Wir machen dann gern Ausflüge oder unternehmen etwas hier in der Gegend.
Wie gut klappen die Vereinbarungen mit der Mutter der Tochter?
Zur Zeit klappt es wieder ganz gut. Das liegt aber zum einen daran, dass es gerichtlich geregelt wurde, nachdem sich Vater und Tochter erneut ein halbes Jahr nicht sehen durften. Und daran, dass die Tochter ihren Wunsch den Vater sehen zu können mittlerweile energischer äußert.
Bevor es gerichtlich geregelt war, war es ein einziges Auf und Ab. Wir wussten immer erst recht kurzfristig, ob die Tochter zu Besuch kommen kann und falls es einige Tage vorher abgemacht wurde, konnte man sich nie sicher sein. Auch nicht ob es dann kurzfristig wieder eine Änderung bei der Zeit gibt, wo sie zurück sein soll.
Wir konnten nichts richtig planen. Dazu kamen auch allerlei „Regeln“ der Mutter, die wir einhalten mussten, damit nicht wieder ein Kontaktverbot ausgesprochen wurde. Wir durften zum Beispiel nicht überall mit ihr hinfahren. Meine Familie war verboten.
Immer wenn etwas nicht nach dem Willen der Mutter ging, gab es Streit. Erst als ich das zweite Mal schwanger war und aufgrund dieser Situation, die wieder einmal im Streit endete, gesundheitliche Probleme bekam, hatte mein „Mann“ die Nase voll und hat einen Anwalt zu Rate gezogen. Danach ging eine Weile ganz viel über Anwälte.
Zur Zeit ist es bei uns so, dass wir nur alle vier Wochen ein Wochenende gemeinsam frei haben und daher planen wir dann einfach. Kann oder möchte meine Bonustochter nicht kommen, unternehmen wir natürlich trotzdem das, was wir geplant haben. Das ist nicht das Problem. Sollte es aber mal wieder so sein, dass sie mitten in einem Besuch irgendwo hinkommen soll oder früher wieder zu Hause sein soll, dann war es immer ein Problem.
Mittlerweile ist es aber aufgrund unserer beschränkten gemeinsamen Zeit so, dass wir, sollte darauf bestanden werden, meine Bonustochter eben nach Hause fahren, bevor wir unsere Unternehmung starten. Es mag sicher hart klingen aber es ist uns zeitlich nicht möglich mal eben einen geplanten Ausflug zu verschieben.
Und es gibt eben noch zwei Kinder hier, die sich auch auf so etwas freuen. So haben wir nicht immer entschieden. Bis vor einem guten Jahr haben wir unsere Pläne schon oft über den Haufen geworfen, damit Vater und Tochter sich möglichst lange sehen können. Dafür mussten aber die anderen beiden oft zurückstecken und das konnte einfach nicht auf Dauer so weiter gehen. Wir haben das aber auch mit meiner Bonustochter besprochen und ihr erklärt warum wir das jetzt so handhaben.
Eins der größten Probleme, die es aber lange Zeit und auch immer wieder gab, war, dass meine Bonustochter immer als Sprachrohr benutzt wurde. Es gab immer Zeiten da weigerte sich die Mutter Absprachen direkt mit dem Vater zu machen. Das klappte nicht immer sonderlich gut und war auch eine große Belastung für das Kind.
Wie geht es der großen Tochter mit der Situation?
Es belastet sie natürlich. Zum einen bekommt sie leider recht viel mit und zum anderen sitzt sie immer zwischen den Stühlen. Mittlerweile reden wir darüber. Also sie redet mit uns darüber.
Sicherlich gibt es Situationen, wo wir auch mal das Gespräch suchen und ihr etwas aus unserer Sicht erklären wollen, aber die meiste Zeit über reden wir, wenn sie es will und auch nur solange sie will.
Wir wollen sie nicht dazu drängen, mit uns etwas zu besprechen, was sie nicht möchte oder möglicherweise sogar nicht sagen darf. Solche Situationen kamen auch schon vor. Das bringt sie in eine schwierige Lage und weder ihr Vater noch ich möchten, dass es schwerer für sie ist als es ohnehin schon immer ist.
Wie ist das Verhältnis zwischen der Stieftochter und Dir und zwischen den Halbgeschwistern?
Wir haben ein ziemlich gutes Verhältnis. Sie kommt gern zu mir um mit mir über ihre Probleme zu reden. Ich denke ich habe einen guten Draht zu ihr und versteh sie auch ganz gut. Auch über ihre Wünsche und Träume redet sie gern mit mir.
Meine Mädchen himmeln sie an. Sie ist die große Schwester zu der sie aufschauen. Sie wird oft regelrecht belagert und ich muss die beiden dann schon ab und an mal bitten meine Bonustochter etwas in Ruhe zu lassen.
Die Große kommt auch toll mit den beiden Kleinen klar. Sie spielt noch oft mit ihnen, obwohl zwischen ihnen sieben und neun Jahre liegen. Außerdem hilft sie ihnen auch gern mal, ohne dass es hier jemand erwarten würde.
Du kommst selbst aus einer „Patchworkfamilie“: Welche – vielleicht anderen – Erfahrungen hast Du gemacht?
Ich habe nur gute Erfahrungen machen können. Meine Eltern und etwas später auch mein Stiefpapa haben es uns einfach gemacht. Wir konnten unseren Papa immer sehen und unser Wohl stand bei allen immer im Vordergrund.
Es wurde nie schlecht über den anderen gesprochen und Absprachen wurden unter den Erwachsenen gemacht. Wir mussten uns nie zwischen beiden entscheiden. Es gab zum Beispiel auch nie Situationen, wo unsere Mama uns einen tollen Ausflug anbot an einem Tag, an dem wir eigentlich zu unserem Papa fahren würden, wie es bei meiner Bonustochter schon öfter vorgekommen ist.
Wenn wir nicht zu ihm gewollt hätten, hätten wir daheim bleiben dürfen aber wir wurden nie geködert.
Nicht so positiv sind die Kindheitserfahrungen Deines Mannes: Was ist da vorgelaufen und haben seine Erlebnisse Einfluss auf den Umgang mit dem Kindern?
Im Gegensatz zu mir, ist mein „Mann“ eine Zeit lang bei seiner Oma aufgewachsen. Sie hat sich aber toll um ihn gekümmert und das Verhältnis zu ihr war immer gut. Seine Mutter wurde als er noch Kind war krank und leider auch nie wieder gesund. Sie starb als er ein junger Erwachsener war, kurz nachdem er das erste Mal Vater wurde.
Das Verhältnis zu seinem Vater ist wechselhaft. Mal besser mal etwas schlechter. Vielmehr kann ich darüber nicht schreiben, denn das ist nicht meine Geschichte und ihm ist es nicht recht, wenn ich zu sehr ins Detail gehe.
Ich denke schon, dass die eigene Kindheit Einfluss darauf hat, wie man später mit seinen eigenen Kindern umgeht. Wir haben was die Kinder angeht schon ziemlich ähnliche Vorstellungen trotz der unterschiedlichen Kindheitserfahrungen.
Ich bin mir sicher, dass er die ein oder andere Erinnerung nicht einfach abhaken kann aber wer kann das schon mal eben so.
Größeren Einfluss haben die Erlebnisse um seine große Tochter, allerdings auf uns beide. Schließlich habe ich sie auch sehr lieb.
Was wünscht Du Dir für die Zukunft?
Für die Situation wünsche ich mir einfach, dass dieser Stress aufhört. Es belastet nicht nur das betroffene Kind stark, sondern unsere komplette Familie bis hin zu meinen Eltern, die sich dann zum einen unsere Sorgen anhören und denen natürlich auch meine Bonustochter leid tut.
Mittlerweile ist es so, dass sie auch mal mit meiner Mama über die ein oder andere Situation spricht.
Leider denke ich, dass das ein Wunsch bleiben wird, bis sie 18 Jahre ist. Egal wie sehr wir uns zurückhalten, es hilft nicht.
Für meine Kinder wünsche ich mir, dass wir es weiterhin schaffen den Stress so weit wie möglich von ihnen fern zu halten und dass sie eine glückliche Kindheit haben, mit ganz viel Liebe.
Für meine Bonustochter wünsche ich mir so viel. Ich wünsche mir, dass sie soviel Kind sein kann, wie sie möchte. Dass ihr kein Druck mehr in Bezug auf Schule gemacht wird. Dass ihr nicht weiterhin eingeredet wird, sie sei zu dick. Dass sie sich keine Sorgen mehr machen muss, dass ihre Mutter sauer wird, wenn sie sich beim Papa wohl fühlt und es auch erzählen darf. Dass sie es einfach nicht mehr so schwer hat und einfach nur glücklich sein kann. Und ich wünsche ihr den Mut, nicht nur mir im Vertrauen, sondern auch den Menschen vom Jugendamt oder gar Familiengericht zu erzählen, was sie wirklich will und wie sie sich fühlt.
Vielen lieben Dank, Nicole, für die Antworten und die Bilder.
Ihr habt auch eine außergewöhnliche Familiengeschichte? Oder eine Idee, welches Thema unbedingt mal in den Familienrollen vorkommen sollte? Dann schreibt mir eine Mal an fruehesvogerl@gmail.com.