Kultur mit Kind, Nachgefragt

„Wir waren im Februar mit den Kindern auf der Anti-Dügida Demonstration.“ / Sonja Mama notes über Kultur mit Kind in Düsseldorf

Im Kultur mit Kind – Interview dreht sich aktuell alles um die Vermittlung von Toleranz bei Kindern. Der Text „Was werden wir wohl unseren Kindern erzählen, wenn sie uns später fragen, was wir im Sommer 2015 getan haben, als alles anfing?“ von Sonja hat mich sehr bewegt, deshalb habe ich mich auch sehr gefreut, dass sie sich zu einem Interview bereit erklärt hat.

Stell Dich doch bitte kurz vor.

Hallo, ich bin Sonja, blogge als Mama notes, arbeite als Texterin/PR-Tante/Social Media-Dings und habe zwei Kinder und einen Mann. Wir leben in Düsseldorf.

Du hast einen wunderbaren Text darüber geschrieben, dass Dich Deine Kinder später fragen werden, was Du im Sommer 2015 getan hast, als die Fremdenfeindlichkeit um sich griff. Was tust Du?

Wir haben Kleidung gespendet und ich werde als Ehrenamtliche den Deutschunterricht unterstützen. Momentan sieht es so aus, als ob ich nicht selbst unterrichten werde, da ich keine Lehrerin bin. Vielleicht traue ich mir später noch zu, Flüchtlinge als „Patin“ zu unterstützen und ihr Asylverfahren formell und mit Begleitung auf den Behördengängen zu unterstützen. In der Aufgabe liegt aber so viel Verantwortung und ich weiß mit Job, Kindern und Mann ständig unterwegs nicht, ob ich das wuppen kann. Aber regelmäßig die Woche zum Beispiel Deutschunterricht / Nachhilfe / oder auch einfache Behördenbegleitung machen, das kann ich durchaus.

Wie empfindest Du die Situation von Flüchtlingen in Deiner Stadt Düsseldorf?

Die Flüchtlingsbeauftragte Miriam Koch macht durchaus einen guten Job, soweit ich das aus der Presse heraus beurteilen kann. Sie sagt selbst, dass in den letzten Jahren viel versäumt wurde, denn ein Flüchtlingszustrom wie jetzt war erwartbar. Vergeigt hat das die Vorgängerregierung seit Jahrzehnten, insofern ist es leicht für sie, ehrlich zu sein.

Es gibt verteilte Flüchtlingsheime und Zeltstädte in Düsseldorf. Die Spendenannahmestellen platzen aus allen Nähten und es wird nichts mehr angenommen. Mich irritieren allerdings Meldungen der letzten Tage, dass Flüchtlinge vermehrt mitten in der Nacht mit dem Zug am Düsseldorfer Flughafen ankommen und nicht mehr am Hauptbahnhof. Dort haben viele Angst, weil sie befürchten sofort wieder abgeschoben zu werden. Außerdem vernahm ich, dass das DRK die Kleiderspenden an die Flüchtlinge verkaufe. Letzteres finde ich gelinde gesagt einen Skandal.

Wie begegnet Dein Umfeld Deinem Engagement? 

Mein Umfeld begegnet mir sehr offen und alle stehen wir auf einer Seite. Ich habe zum Glück noch nichts Gegenteiliges gehört. Bei meinen Freunden war das eh klar, aber auch nicht beim Einkaufen oder in der Kita.

Was bekommen Deine Kinder durch Dein Engagement mit, und wie versuchst Du Ihnen Dinge nahezubringen?

Wir besprechen das Thema immer wieder mal. Es ist ja auch sehr komplex. Aber dass ich auf dem Basisseminar für ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit war und mich für Flüchtlinge engagiere, muß die Große durch Gespräche zwischen dem Mann und mir mitbekommen haben. Vor zwei Tagen fragte sie mich ganz unvermittelt: „Was machen wir jetzt mit den Flüchtlingen?“ Ich sagte ihr, dass viele Menschen in unser Land kommen, die Hilfe brauchen. Und dass wir den Menschen helfen wollen, mit unserer alten Kleidung, bei der Wohnungssuche und mit Deutschunterricht. „Ist da Krieg, wo die herkommen?“ fragte sie weiter. „Ja“. Dann nickte sie nur und das Thema war für sie somit klar: Von Krieg muß man weg, natürlich helfen wir denen. In der ersten Euphorie wollte sie sogar ihre Clownpuppe abgeben, aber einen Tag später wollte sie sie doch lieber behalten. 🙂

Der Regenbogenfisch auf der NoDügida-Demo.

Was möchtest Du Deinen Kindern vermitteln?

Ich möchte vermitteln, dass man persönlich gefragt ist, wenn diese Dinge passieren. Dass man sich einbringen muss, seine Meinung sagen soll, auch wenn es Gegenstimmen gibt. Wir waren im Februar mit den Kindern auf der Anti-Dügida Demonstration. Nur auf einer weil da der Mann dabei sein konnte. Alleine mit den Kinder dorthin gehen ging nicht, weil die Polizei dort sehr – ähm – undifferenziert handelte. Die Kinder können seitdem „Nazis raus“ rufen und wissen – zumindest die Große, dass wir auf der Demo waren, weil wir teilen wollen und es nicht akzeptieren, dass es Menschen gibt, die das Teilen verhindern wollen. Das haben die Kinder ziemlich schnell verstanden. Ähnlich ist die Erklärung auch zum Thema Flüchtlinge jetzt. Mama und Papa wollen teilen, darum geben wir Kleidung, Geld, Zeit. Eigentlich verstehen alle Kinder sowas intuitiv, da muß man nicht viel erklären.

Gibt es noch etwas, dass Du unbedingt beantworten möchtest, aber in dem Zusammenhang nicht gefragt wurdest?
Ja. durchaus. Ich bin nicht diejenige, die unfassbar viel getan hat und deshalb interviewt werden sollte. Da gibt es andere, wie Lucie Marshall, Mareice von Kaiserinnenreich oder Petra von allerlei-themen.de, um in der Blogger-Filterbubble zu bleiben, die deutlich mehr für Flüchtlingsprojekte arbeiten als ich. Das zum einen. (Anmerkung: Petra hat mir bereits ein Interview gegeben, an Mareice habe ich mehrmals gedacht, bin mir aber sicher, dass sie grad sehr eingespannt ist. Und ich finde sehr wohl, dass Sonja gefragt werden sollte. Denn hier geht es vor allem auch die Vermittlung an Kinder.)

Zum anderen gibt so komische Gegenstimmen: Blogger für Flüchtlinge würden nur reden und wenig tun, Blogtexte schreiben sei kaum etwas wert, Flüchtlinge am Bahnhof „Willkommen heißen“ sei Selbstdarstellung, habe Event-Charakter wie Public Viewing und auch Helfen im Flüchtlingsheim ist auch aus irgendwelchen Gründen eigentlich im Kern böse. Blablabla.

Diese pauschalen Nörgler können demotivieren, das stört mich so daran. Dabei brauchen wir dringend einen breit geführten gesellschaftlichen Diskurs zu dem Themenkomplex Asylpolitik, Migration und die deutsche Verantwortung in Bezug auf Waffenhandel etc. Erst wenn es eine bürgerliche, mainstreamige Bewegung gibt, ändert sich etwas in der Politik. Darum ist jede Aktion, jedes Helfen auch politisch wichtig, finde ich.

Ja, ich kann mir vorstellen, dass einige Helfer*innen nicht komplett uneigennützig helfen und auch eine gewisse Neugierde haben, wie das so ist. Aber das ist schnurzepiepenegal. Mir ist es wurscht, die Flüchtlingen interessiert es sicherlich auch nicht, solange sie würdig, freundlich und empathisch behandelt werden. Helfen hilft. Punkt.

Vielen lieben Dank für das Interview, Sonja.

Die Bilder wurden freundlicherweise von Sonja zur Verfügung gestellt.

Ihr habt auch ein Kind, dem ihr Toleranz beibringt und wollt darüber reden? Schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com. 

Eine Übersicht über einen Großteil der bisher geführten Interviews zum Thema „Kultur mit Kind“ findet Ihr hier.

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