Kultur mit Kind, Nachgefragt

„Auch als Vater einer Tochter kann man ganz ich selbst bleiben.“ / Kultur mit Kind mit Johnny vom Weddinger Berg

Wie lebt es sich eigentlich im Berliner Bezirk Wedding, wo braucht er noch mehr Geduld und wo sind seine alten Freunde hin? Das und mehr im „Kultur mit Kind“-Interview mit Johnny vom Familienblog Weddinger Berg. 


Stell Dich doch bitte kurz vor. 
Ach, ich bin ein Mann mit vielen Namen. Viele nennen mich bei meinem Spitznamen Johnny. Meine Mutter taufte mich allerdings auf den eher bürgerlichen Namen Tobias. Ich bin mittlerweile fast Mitte Dreißig und verdinge mich nebenher als Museumspädagoge und Redakteur. Seit der Geburt meiner töchterlichen Urgewalt papablogge ich zudem als Einlings- und Erstlingsvater regelmäßig auf meinem Blog. Dort geht es vor allem um Themen, die mich persönlich als Vater beschäftigen. Manchmal meldet sich auch meine Freundin dort zu Wort und macht den Blog zu einem echten Familienblog.

Denjenigen, die sich über den etwas sperrigen Namen wundern: Weddinger Berg ist ein Fantasiename, der sich aus den zwei Berliner Bezirken Wedding und Prenzlauer Berg zusammensetzt. Es ist ein Wortspiel, welches ich ohne groß darüber nachzudenken dann auch als Blogname gewählt habe. Im Nachhinein hätte es wohl auch passendere Familienblognamen gegeben. Was soll ich sagen, ich war jung und ungestüm.

Was hat sich verändert seitdem Du Vater geworden? 
Seitdem ich vor zirka eineinhalb Jahren dieses mysteriös-verschlungene Vaterdickicht betreten habe, bin ich immer wieder erstaunt. Ich habe zum Beispiel überhaupt nicht den Eindruck, mich seit der Geburt in irgendeiner Weise verändert zu haben. Ich dachte, es gäbe vielleicht einen großen Knall und danach wäre alles anders. Als wäre die Geburt der Tochter auch so etwas wie eine Vatergeburt. Der große Knall blieb aus und auch die große Veränderung. Heute weiß ich, dass das eine gute Sache ist, denn: Auch als Vater einer Tochter kann man ganz ich selbst bleiben.

Natürlich gehe ich heute nicht mehr so viel aus wie früher. Und wenn, dann kehre ich natürlich sehr viel früher wieder heim. Wir sitzen auch nicht mehr so oft gemeinsam zu zweit auf dem Balkon mit einer Flasche Wein. Vor allem letzteres vermisse ich glaub ich schon ein wenig – vor allem in den lauen Sommernächten. Ich würde das nicht als Veränderung deuten, sondern als das Bewusstsein für Verantwortung.

Mein Umfeld hat sich hingegen teils radikal verändert. Heute habe ich fast ausschließlich Eltern im Freundeskreis. Natürlich dürfte hierbei auch das Bloggen ein wenig nachgeholfen haben, wer weiß. Die alten Freunde sind jedenfalls mit wenigen Ausnahmen in die hinteren Ränge gerutscht und scheinen sich’s dort mittlerweile gemütlich eingerichtet zu haben. Darüber, wie sich der Freundeskreis in den letzten Monaten verändert hat und warum ich das als etwas Positives sehe, habe ich natürlich auch gebloggt, nämlich hier.

Alles in allem kann ich sagen: Ich trauere dem alten Leben nicht hinterher. Ich lebe im Hier und Jetzt. Als Vater einer knapp eineinhalb jährigen Tochter kann ich es mir ohnehin nicht erlauben, in der Vergangenheit zu leben.

Du schreibst auf Deinem Blog über das Leben im Berliner Wedding, ich kenne Deinen Bezirk nicht, was empfiehlst Du dort jungen Familien?

Wir wohnen zu dritt im wunderschönen Wedding. Der Wedding hat seinen schlechten Ruf völlig zurecht, doch wie jeder Bezirk, hat der Wedding eben auch seine schönen Ecken. Und wir haben das seltene Glück, genau eine solche bewohnen zu dürfen. Und wenn ich so aus dem Fenster schaue, dann scheinen wir nicht die einzigen jungen Eltern zu sein, die das mittlerweile erkannt haben.

Wir leben nahe der Seestraße, also im dem ältesten Teil des Afrikanischen Viertels und sind dort umgeben von Bäumen, Parkanlagen und vielen neuen Spielplätzen. Mit unserer Tochter sind wir besonders im Sommer häufig an zwei Orten wiederzufinden: Zum einen in den weitläufigen Rehbergen mit seinen kleinen Seen und dem Freigehege. Die Rehberge bieten ein vielfältiges Stück Stadtnatur, in dem man wunderbar spazieren gehen und vor allem entspannen kann. Zum anderen sind wir häufig im Schillerpark. Dort gibt es an besonders warmen Tagen eine öffentliche Plantsche. Für Familien mit Kindern im Sommer natürlich ein magischer Ort. Auch deswegen, weil es direkt nebenan neben Eis, Limo auch die, für ein vollkommenes Badeerlebnis unabdingbaren Pommes käuflich zu erwerben gibt.

Überhaupt lebt es sich sehr grün und aufgeregt im Wedding. Was man aber auf jeden Fall vor dem Besuch im Park machen sollte ist, bei Cevik in der Antwerpener Straße vorbeizuschauen. Cevik ist ein türkischer Bäcker, der 24 Stunden am Tag, also auch sonntags geöffnet hat und das frischeste Fladenbrot der Stadt anbietet. Behaupte ich jetzt einfach mal. Na gut, eigentlich ist es gar kein klassischer Bäcker, sondern ein Bäcker, der andere Bäcker beliefert. Das Prozedere ist beinah schon konspirativ: Man klopft vorsichtig an eine unscheinbare weiße Tür oder an der milchige Fensterscheibe und wartet. Dann muss alles ganz schnell gehen. Man bestellt, bezahlt und geht hopplahopp seiner Wege. Nicht nur für Parkgänger, sondern auch für Eltern, deren Kinder einkaufsungünstige Schlafzeiten haben, ist dieser Bäcker manchmal ein wahrer Lebensretter.

Was funktioniert bei Euch so gut, dass Du Dich zu einem Tipp aufschwingen würdest?Wir versuchen immer, also auch als Familie, die Dinge immer so entspannt und ergebnisoffen wie möglich zu gestalten. Dieser Ruf, also besonders entspannt zu sein, der eilt uns mittlerweile schon voraus. Besonders als Vater habe ich gelernt, dass man nicht zu viel von sich selbst erwarten sollte. Nicht alles klappt sofort und manchmal erleidet man Rückschläge. Viele Dinge wie Bindung zum Kind, neues Finden in der Partnerschaft, Arbeitsteilung etc. erfordern viel Zeit und noch mehr Geduld.

Meine Lieblingsfrage: Wie entspannst Du?
Ein weiterer Tip für andere Väter und Mütter ist natürlich, freie Stunden so gut wie möglich zu nutzen! Ich schaue gerne Serien oder schreibe, um mich zu entspannen. Beides geht am besten, wenn ich allein und für mich bin. Mittlerweile habe ich aber auch gelernt, die Arbeitszeit als etwas Schönes und Entspannendes zu sehen. In meinem Beruf als Pädagoge gibt es sehr viele schöne Momente, die ich mittlerweile einfach besser zu schätzen weiß.

Ihr habt auch ein Kind, interessiert Euch für Kultur und möchtet darüber reden? Schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com. 

Eine Übersicht über alle bisher geführten Interviews findet Ihr hier

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