Immer am Dienstag gibt es die Kultur mit Kind – Reihe, dieses Mal geht es um das Thema Toleranz: Sophie (Blog: Berlinfreckles und NetWorkingMom) hat vor einigen Monaten in einer beispielhaften Aktion ihre Haare gespendet. Im Interview erzählt die Berlinerin, wie es dazu kam, warum sie Engagement sichtbar machen will, und wie sie ihren Kindern Toleranz näher bringt.
Stell Dich doch bitte mal kurz vor.
Ich bin Sophie, wohne in Berlin und bin irgendwas Ende 30. Ach Quatsch, ich liefere konkrete Zahlen: Ich bin in diesem Jahr 38 Jahre alt geworden, habe drei Kinder, die acht Jahre, fünf Jahr und ein Jahr alt sind und habe mich in meinem Personalausweis genau vier Zentimeter größer geschummelt, weil ich damals dachte, ich könnte ja mal einen Beruf ergreifen, für den man als Frau eine gewisse Mindestgröße braucht. Heute sitze ich auf einem höhenverstellbaren Bürostuhl, mache Öffentlichkeitsarbeit für eine Non-Profit Organisation und habe zwei Blogs (BerlinFreckles und NetWorkingMom), weil ich tagsüber ja noch nicht genug Buchstaben in einen Computer hacke!
Vor einigen Wochen hast Du Deinen Zopf abschneiden lassen. Die Idee dahinter, war nicht eine bloße Typveränderung, sondern Du hast Deinen Zopf gespendet. Wie kam es dazu?
Foto: Michael Hübner (B.Z.) |
Wenn mich jemand auf meine jetzt ziemlich kurzen Haare anspricht, dann kann ich mit einem Schmunzeln sagen, dass die Haarfee jetzt meinen Zopf hat. Auslöser für die Idee, meine Haare für krebskranke Kinder zu spenden, war ein Beitrag im Kinderfernsehen, in dem ein Mädchen ihre Haare gespendet hat, damit daraus für ein anderes Mädchen, das Krebs hat und durch die Chemotherapie ihre Haare verlor, eine Perücke gemacht werden kann. Meine beiden Großen waren sehr beeindruckt von dieser Spende und es war ziemlich schnell klar, dass ich als einzige aus der Familie die nötige Haarlänge habe, um so etwas zu tun. Je mehr ich dazu im Internet recherchierte, desto klarer war für mich, dass ich meine langen Haare wirklich spenden möchte.
Wie waren die Reaktionen darauf?
Die Reaktionen auf meine Aktion waren wirklich toll und haben mir gezeigt, dass es eine gute Idee war. Ich habe viel Ansporn bekommen und mein Spendenaufruf wurde ganz oft geteilt. Ich hatte ja meinen Zopf gemessen und dazu aufgerufen, dass ich pro 10 Euro, die gespendet werden, einen Zentimeter Zopf spende. Meine Hoffnung war, dass die Summe von 330 Euro (33 Zentimeter Haar) schnell zusammen kommt, damit ich noch vor unserem Sommerurlaub den Zopf spenden kann. Am Ende kamen über 1.400 Euro zusammen, die ich an zwei Kinderhospize in Berlin und Hamburg weitergeleitet habe. Es gab natürlich auch ein paar vereinzelte Stimmen, die fragten, warum man um eine Zopfspende so viel Rummel machen muss. Man könne den schließlich auch einfach so spenden.
Als Bloggerin habe ich aber eine gewisse Reichweite und es heißt nicht umsonst: „Tue Gutes und rede darüber!“ Wenn ich meine Reichweite dafür nutzen kann, ein bestimmtes Reiseziel für Familien zu empfehlen oder Möbeldesigner für Kinderzimmer vorzustellen, dann wäre es total dämlich, es nicht auch für den guten Zweck zu machen. Ich bin Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei einer Non-Profit Organisation und erinnere mich an eine flammende Rede von Prof. Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, als ich mein Abschlusszertifikat zur Stiftungsmanagerin bekam. Es ging um etwas, dass im gemeinnützigen Sektor oft vergessen wird: Hebelwirkung. Dabei ist die Sache ganz einfach. Du kannst etwas Gutes tun und es für dich behalten. Daran ist nichts verkehrt. Aber du kannst auch etwas Gutes tun und anderen davon erzählen und sie bitten, es wiederum anderen zu erzählen. Du kannst dokumentieren, was du tust und du kannst erklären, warum du das tust und was es bewirkt hat. Das wird weitere Menschen bewegen, etwas Gutes zu tun. Als ich das Spendengeld an die Kinderhospize weitergeleitet hatte, habe ich geschrieben: „Und jetzt sitze ich wieder auf dem Sofa, habe das Notebook auf dem Schoß und freue mich, dass man einfach „nur“ mit Worten und Klicks so viel bewegen kann.“
Ob es die Aktion mit dem Zopf ist, oder das Projekt „Blogger für Flüchtlinge“ ist: Du engagierst Dich. Wie vermittelst Du Deinen Kindern Deine Einstellung?
Foto: Michael Hübner B.Z. |
Ich selbst würde sagen, ich bin allenfalls so eine Art „Teilzeit-Engagierte“. Es gab schon immer Phasen in meinem Leben, in denen ich mich viel engagiert habe und Phasen, in denen ich mich vorrangig um mich selbst und meine Lieben gekümmert habe. Es gibt wahnsinnig viele Menschen, die sich viel mehr engagieren als ich. Ich lebe aber mit der Einstellung, dass es besser ist, ein bisschen Gutes zu tun, als gar nichts zu tun, weil man schließlich nicht allen helfen könne.
Manchmal muss ich schon arg an mich halten, wenn ich mitbekomme, wenn Menschen ausführlich erst einmal alle Gründe aufführen, wieso sie etwas nicht tun können, als auch nur den kleinsten Finger krumm zu machen.
Meine Kinder sind jetzt 8 Jahre, 5 Jahre und ein Jahr alt. Mit den beiden Großen spreche ich recht oft über das, was um sie herum passiert oder was sie zum Beispiel bei den Logo Kindernachrichten im Kinderfernsehen sehen. Allerdings erkläre ich ihnen nicht lang und breit jede Tätigkeit, die irgendwie mit meinem persönlichen Engagement zusammenhängt. Wie heißt es so schön? „Kinder achten mehr darauf, was Eltern tun, als was sie sagen.“
Wir wohnen beide in Berlin. Ich bin der Meinung, dass man in Berlin Kindern eine andere Toleranz vermitteln kann als an vielen Orten, weil es hier eben auch bunter ist. Stimmst Du mir zu, oder hast Du ganz andere Erfahrungen gemacht?
Absolut. Ich sehe das genauso. Es passiert schnell, vor etwas Angst du haben, das man nicht kennt. In Berlin sieht man zugegeben als Kind manchmal mehr schräge Dinge, als den Eltern lieb ist, aber hier geht es zumindest in den meisten Stadtteilen bunt zu. Im Kindergarten muss man den Kindern nicht umständlich etwas über Multikulti beibringen, wenn die Kinder jeden Tag erleben dürfen, wie multikulturelles Miteinander funktionieren kann.
Was wünscht Du Dir für Deine Kinder?
Ich wünsche mir für meine Kinder, dass sie die kindliche Neugier und Unvoreingenommenheit noch lange beibehalten werden, dass sie ganz viel hinterfragen werden. Ich finde es zum Beispiel wahnsinnig toll, mit meinen Kindern zu philosophieren – auch wenn im Alltag manchmal nicht wirklich viel Zeit dazu bleibt. Das kann einer dieser Tage sein, an denen das Wetter nicht wirklich toll ist, aber man merkt, dass die Kinder sich trotzdem unbedingt noch ein wenig an der frischen Luft bewegen müssen. „Ich muss die Kinder mal auslüften“, nenne ich das dann gern. Ich bin überzeugt, dass man das regelmäßig auch mit seinen Gedanken tun sollte. Deshalb wünsche ich mir für meine Kinder auch, dass sie wissen, wie man seine Gedanken auslüften kann, wenn man mal feststeckt in seinen Denkmustern oder an einem Problem herumknuspert.
Vielleicht mache ich das auch nicht ganz uneigennützig. Falls ich irgendwann mal selbst zwischen selbst hochgezogenen Denkmauern fest stecke, möchte ich Kinder, die zu mir sagen: „Mama, komm, wir gehen mal Gedanken auslüften.“
Vielen lieben Dank für das Interview, Sophie.
Die Bilder wurden freundlicherweise von Sophie zur Verfügung gestellt.