Familienrollen, Kultur mit Kind

PCO und Kinderwunsch: „Man will ja nicht jedem Hinz und Kunz erklären müssen, warum man noch kein Kind hat.“

Nach der Weihnachtspause gibt es nun wieder die Familienrollen. Sehr ehrlich erzählt Anna von Familie Motte von ihrer Diagnose mit dem Polyzystischen Ovarialsyndrom, der manchmal aufreibenden Zeit in der Kinderwunschklinik, und wie das Leben heute mit drei kleinen Kindern ist. 

Auf Deinem Blog schreibst Du, dass es für Dich nicht ganz so leicht war, Mutter zu werden. Nun bist Du Mutter von drei Kindern. Mit welchen Schwierigkeiten hattest Du bei Deinem ersten Kinderwunsch zu kämpfen? 

Anna und die Motte.

Nachdem für uns feststand, dass wir uns ein Kind wünschen und ich damals die Pille abgesetzt hatte, setzen meine Tage nicht wie gewohnt ein. Zuerst war ich darüber nicht beunruhigt, weil der Körper ja manchmal ein bisschen Zeit braucht, bis alles wieder „in der Reihe“ ist, aber nach drei Monaten ohne Regel suchte ich dann doch meinen Frauenarzt auf. Der diagnostizierte nach einer ausführlichen Untersuchung auch ziemlich schnell: PCO-Syndrom. Das bedeutet: ich habe zwar Anlagen für Eier, diese wachsen aber nicht, entsprechend kommt es auch nie zum Eisprung. Ohne Hilfe ist es damit so gut wie unmöglich schwanger zu werden.

Wir entschieden uns daher zu einer Kinderwunschbehandlung in einer spezialisierten Klinik. Dort wurde uns – im ersten Schritt – eine Hormonbehandlung zur Stimulation der Eizellen empfohlen.

Ich bekam eine kurze Einweisung und musste dann jeden Tag eine bestimmte Dosis des Hormons Puregon spritzen. Zwischendurch musste ich regelmäßig in die Klinik zum Ultraschall. Dort wird dann kontrolliert, dass die Eizellen nicht zu groß werden und vor allem, dass nicht zu viele Eizellen gleichzeitig heranreifen. Trotz allem muss man wissen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsschwangerschaft bei dieser Methode immer deutlich höher liegt als auf „normalem“ Wege ohne Hilfe.

Sobald die Eizellen groß genug sind, wird der Eisprung durch eine Spritze ausgelöst. Dann soll man innerhalb der kommenden 48 Stunden miteinander schlafen. Nach 4 Wochen muss man dann in die Klinik zur Blutabnahme für den Schwangerschaftstest. Diese vier Wochen dauern subjektiv eine Ewigkeit. Diese Hoffnung, dass es geklappt hat, das Warten…

Bei meiner ersten Schwangerschaft brauchten wir genau zwei Versuche, d.h. beim zweiten Mal hat es bereits geklappt. Ich wurde schwanger. Heute ist unsere Große fast 4 Jahre alt.

Beim zweiten Mal haben wir – mit derselben Methode – über ein Jahr versucht. Das Ergebnis? Die Zwillinge sind heute fast 6 Monate alt und unser großes Glück.

Wie offen seid Ihr damit umgegangen, als klar war, dass Du wahrscheinlich nicht zu den Frauen gehörst, die gleich nach Weglassen der Verhütungsmittel schwanger werden? 

Wir sind relativ offen damit umgegangen, dass ich nicht einfach so schwanger werden kann. Natürlich haben wir es nicht jedem auf die Nase gebunden, aber Familie und Freunde wussten Bescheid. Da ich einige Freundinnen habe, bei denen es auch nicht „einfach so“ geklappt hat, hatte ich zudem Gleichgesinnte, mit denen ich mich austauschen konnte. Das hat oft geholfen, besonders dann, wenn man wieder enttäuscht wurde, weil man wieder nicht schwanger war.

Es gibt während so einer Behandlung unheimlich viele Tiefpunkte. Viele versuchen einen dann aufzubauen. Oft hört man: „macht Euch nicht so einen Stress“. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, denn durch das ständige Spritzen von Hormonen kreist man eben doch jeden Tag um das Thema. Und der starke Wunsch nach einem Kind ist eben da. Den kann man ja nicht einfach abstellen.

Während unserer Behandlung habe ich gemerkt, wie viele Frauen tatsächlich betroffen sind. Daher appelliere ich hier an alle, die einfach mal so unbedarft fragen, wann man denn endlich Kinder will oder ob es jetzt so langsam losgeht mit der Familienplanung. Man kann Frauen wie mich, die sich so sehnlichst ein Kind wünschen und bei denen es nicht so einfach klappt, damit auch sehr verletzen. Und man will ja nicht jedem Hinz und Kunz erklären müssen, warum man noch kein Kind hat.

Auch jetzt gehe ich übrigens noch sehr offen damit um – in erster Linie um anderen Betroffenen Mut zu machen. Dass es klappen kann. Trotz PCOS.

Auf familiemotte.de bloggst Du schon eine Weile über das Leben mit einem Kind. Wann wurde klar, dass ihr gerne ein zweites haben wollte, und wie war der Weg dahin? 

Schon bevor wir wussten, dass es nicht so einfach wird mit einer Schwangerschaft stand für uns fest, dass wir nur ein Kind wollen. Aber nach ungefähr zwei Jahren mit der Motte regte sich da ein Gefühl, dass wir noch nicht komplett sind. Wir haben gut überlegt, ob wir den ganzen Weg der Kinderwunschbehandlung wirklich nochmal gehen wollen. Denn es war klar: auch diesmal wird es auf natürlichem Wege nicht klappen.

Aber wir wollten es unbedingt versuchen. Also vereinbarte ich einen Termin in der Klinik. Der Arzt dort war sehr zuversichtlich, dass es auch diesmal mit Hormonspritzen wieder schnell gehen würde. Schließlich war ich schon einmal auf diesem Wege schwanger geworden. Aber daraus wurde leider nichts. Diesmal reagierten die Eizellen nicht wie gewünscht auf die Hormone. Wir mussten lange experimentieren, bis die richtige Dosis gefunden war, zwischenzeitlich probierte ich auch ein anderes Medikament aus. Mit diesem hat es dann letztlich auch geklappt. Aber bis es so weit war, war ich oft an dem Punkt wo ich alles hinschmeißen wollte. Mal wuchs keine Eizelle heran, mal dauerte es fast 8 Wochen bis eine Eizelle gerade so eben groß genug war, mal wuchsen gleich 4 Zellen heran, so dass wir die Behandlung abbrechen mussten, weil das Risiko einer Mehrlingsschwangerschaft mit mehr als 2 Kindern zu groß war.

Ich hatte die Hoffnung bereits aufgegeben. Ich war psychisch am Ende. Die Hormone, die fortwährenden Enttäuschungen, dass es wieder nicht geklappt hat. Ich fand mich irgendwann damit ab, dass es dann eben nicht sein soll. Und als wir den Entschluss fassten, dass dies nun der letzte Versuch sein sollte, wurde ich – nach über einem Jahr – endlich schwanger.

Als der Arzt mir völlig überraschend abends am Telefon mitteilte, dass es geklappt hat, war ich so überrascht, dass ich es kaum glauben konnte. Zumal diesmal zwei Blutungen vorausgegangen waren. Aufgrund dessen war ich felsenfest überzeugt, dass ich wieder nicht schwanger geworden bin. Im Nachhinein weiß ich, dass es sich um zwei Einnistungsblutungen handelte. Der Arzt riet uns jedoch auch zu verhaltener Freude, denn mein Gelbkörperwert war viel zu niedrig. Er war unsicher ob ich die Schwangerschaft halten kann und riet mir, sofort mit Utrogest zu starten. Das ist ein Medikament, was dem Körper natürliches Gelbkörperhormon zuführt.

Nach vier Wochen dürften wir dann endlich zum Ultraschall, da waren zwei Fruchthöhlen zu sehen. Weitere zwei Wochen später schlugen zwei kleine Herzchen auf dem Ultraschall. Und nachdem wir den ersten Schock verdaut hatten, konnten wir unser doppeltes Glück kaum fassen.

Vor Kurzem bist Du wieder Mutter geworden: Von Zwillingen. Wie wunderbar. Wie war die Schwangerschaft? 

Ja, wir wussten, dass durch die Hormonspritzen die Wahrscheinlichkeit für eine Mehrlingsschwangerschaft erhöht ist. Dennoch rechnet man nicht wirklich damit. Gerade bei mir war es ja ein riesen Problem überhaupt eine reife Eizelle zu züchten. Und als wir den Versuch starteten, bei dem die Zwillinge entstanden sind, war nur eine Eizelle gerade so eben groß genug. Insofern war es eine große Überraschung, dass zwei Eizellen befruchtet wurden und sich auch eingenistet haben.

Die Schwangerschaft mit den Zwillis war soweit ok. Allerdings wurde ich vom Arzt deutlich früher krank geschrieben, weil alles viel früher sehr beschwerlich wurde. Mit der Großen habe ich bis zum Mutterschutz gearbeitet und war topfit.

Auch die Beschwerden waren anders. Bei den Zwillingen war mir morgens übel. Bei der Großen nicht. Bei den Zwillingen hatte ich starkes Sodbrennen und war extrem kurzatmig. Bei der Großen nicht.

Mein Bauch wurde riesig und ab der 30. Woche hatte ich ständig Angst, dass es jetzt losgeht. Man hört ja immer, dass Zwillingsschwangerschaften früher losgehen. Trotz aller Anstrengungen betete ich um jeden Tag, denn der kleine Floh war einfach zu leicht und brauchte jeden Tag im Bauch. Und auch vor einem Kaiserschnitt hatte ich Angst.

Letztlich waren alle Ängste unbegründet. Die beiden wären auch bis zum Schluss im Bauch geblieben, in der 39. Woche wurde die Geburt jedoch eingeleitet, weil der Floh einfach ein ganzes Kilo leichter war als seine Schwester und der Platz im Bauch zu eng wurde. Und die Geburt war – ganz anders als bei der Großen – genau so, wie ich es mir gewünscht hatte. Auf natürlichem Wege innerhalb von 2,5 Stunden waren unsere Zwerge auf der Welt. Die Motte brauchte damals 21 Stunden und wurde schlussendlich noch mit der Saugglocke geholt!!

Nun bist Du Mutter von drei kleinen Kindern. Wie ist Euer Alltag? 

Stressig. Und anstrengend. Sehr anstrengend. Zwei Babys ist einfach eine andere Nummer als eins. Ich musste mich davon verabschieden, dass es möglich ist, alle Bedürfnisse sofort zu erfüllen und kein Kind schreien zu lassen. Das ist einfach unmöglich manchmal. Einer muss eben auch mal warten. Und der Haushalt und die Wäsche bleibt oft auf der Strecke, denn einer hat immer was. Das war für mich zu Beginn schwer zu akzeptieren, weil ich es gern perfekt mache.

Zudem ist der Floh ein Kind, der stark spuckt, noch das ein oder andere „Problem“ mit sich herumträgt und daher in seiner Entwicklung zurück ist. Die Große liebt ihre Geschwister sehr, sie macht das wirklich toll. Aber natürlich musste sie sich zu Beginn auch daran gewöhnen, dass sie nun oft warten muss. Mittlerweile haben wir aber unseren Rhythmus gefunden, die Motte bekommt Exklusivzeiten und der Alltag läuft reibungsloser. Dennoch gibt es Tage an denen ich abends wirklich am Ende bin. Auch die Nächte sind noch hart im Moment. Aber man weiß ja, dass es besser wird.

Und dann ist da dieses große Glücksgefühl. Wenn gleich zwei Babys dich morgens aus dem Bettchen anstrahlen. Wenn sie zusammen auf einer Decke liegen und Händchen halten, sich gegenseitig entdecken und einfach zufrieden brabbeln. Wenn die Große mit den beiden Quatsch macht und dann alle aus tiefster Kehle laut lachen. Dieses große Glück drei gesunde Kinder aufwachsen zu sehen. Die Neugier mit der sie die Welt Stück für Stück entdecken. Das ist jede Anstrengung wert.

Was rätst Du anderen Frauen, die vom Frauenarzt hören, dass es mitunter „nicht ganz leicht“ ist, schwanger zu werden? 

Geduld haben. So schwer das auch fällt. Es wird viele, viele Tiefpunkte geben. Tage an denen man nur heulen möchte. Alles ungerecht findet. Sich fragt, warum es einfach nicht klappen will.

Und, auch wenn es leichter gesagt als getan ist, sich versuchen mit anderen Dingen abzulenken. Oft klappt es nämlich tatsächlich erst, wenn man lockerer wird. Zumindest war es bei uns zweimal so.

Hilfreich ist es auch mit Gleichgesinnten und Frauen, bei denen es durch eine Behandlung bereits geklappt hat, zu reden. Die verstehen oft was man durchmacht.

Und man sollte sich gut beraten lassen und genau überlegen, wie weit man gehen möchte. Neben unserer Methode gibt es dann ja noch zahlreiche andere Möglichkeiten. Das alles braucht aber viel Kraft und garantiert keinen Erfolg. Man lebt mit Hormonschwankungen – mein Mann musste zeitweilig ganz schön was aushalten – und muss gegebenfalls zahlreiche Enttäuschungen wegstecken.

Aber wenn es dann endlich geklappt hat, wird man für all‘ das mit dem Wunderbarsten belohnt, dass man sich vorstellen kann.

Vielen lieben Dank für Deine tollen Antworten, Anna. 

Ihr habt auch eine außergewöhnliche Familiengeschichte? Oder eine Idee, welches Thema unbedingt mal in den Familienrollen vorkommen sollte? Dann schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com. 

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