Bella (bloggt auf www.eckenberlins.com) hat zwei Kinder und einen Partner. Mit dem Partner lebt sie allerdings nicht zusammen, sondern in einer offenen Beziehung. Warum das für sie gut funktioniert, und welche Momente kritisch sind: Davon erzählt sie in den Familienrollen.
Die „Besonderheit“ Deines Familienmodells besteht darin, dass Du mit Deinem Partner eine offene Beziehung lebst. Wie kam es dazu?
Mein Sohn war zwei Jahre alt, als ich, alleinerziehende Mutter, Malte kennenlernte. Er verliebte sich in uns beide, wie er im Nachhinein sagt. Zuerst waren wir drei Jahre lang ein ganz normales Paar.
Irgendwann kam meinerseits der Wunsch, zusammenzuziehen und Nägel mit Köpfen zu machen, aber er zögerte. Unsere Beziehung litt darunter, weil ich ihm vorwarf, mir nicht genug Zeit zu widmen. Wir stritten uns immer öfters und irgendwann beschlossen wir, schweren Herzens uns zu trennen.
Ich vermisste ihn aber sehr, und mein Sohn ebenfalls. Ich war sehr orientierungslos und verknallte mich in einen Arbeitskollegen, aber es wurde nichts Richtiges daraus, auch weil er nur temporär in Berlin war. Und ab und zu traf ich immer noch Malte, aber unsere Fronten waren nach wie vor verhärtet. In diesem Gefühlschaos wurde ich von Malte schwanger. Malte meinte sofort, dass er zu mir und den Kindern stehen würde, und dass er sich dieses Kind wünschte und sich kümmern würde. Aber eine klassische Beziehung konnte er sich nicht vorstellen. Für mich war das schwer zu akzeptieren, und ich habe gesagt „dann sind wir eben getrennt. Du kannst mit den Kindern Zeit verbringen, aber nicht mit mir.“
Aber als der Kleine geboren wurde, war er ganz oft hier, und während der Elternzeit sind wir sehr viel zu viert verreist, weil ich noch stillte und er das Baby nicht allein nehmen konnte. Wir haben in dieser Zeit gemerkt, dass wir nach wie vor sehr gerne eine Familie sind und Sachen zusammen unternehmen, wobei ich immer noch von einer klassischen Beziehung träumte. Aber kurze Zeit später hatte ich wieder einen kleinen Flirt mit jemandem, was ich Malte auch erzählte, weil ich mich schuldig fühlte. Und er meinte, dass wir nur Menschen sind, und dass vielen Eltern so etwas passiert und dass er im Freundeskreis oft so was erlebt habe, nur dass die meisten dann fremdgehen und ihren Partner anlügen, nur um keinen Stress zu haben.
Er sagte, dass er mich und unsere Familie liebte, aber dass er keine Besitzansprüche an mich stellte und dass ich auch keine an ihn stellen sollte. So leben wir seit drei Jahren, wobei die meisten Menschen nie vermuten würden, dass wir diese Abmachung haben, weil wir von Außen wie eine normale Familie wirken.
Wie kann man sich den Alltag vorstellen?
Mein Freund ist Künstler und oft beruflich unterwegs, insofern bin ich diejenige, bei der die Kinder am meisten sind. Malte schläft aber oft hier, wenn er hier ist. Durchschnittlich kann man nicht sagen. Es gibt Monate, an denen er kaum in Berlin ist, weil er woanders arbeitet, dann vielleicht nur zweimal. Und Monate, in denen er jeden zweiten Tag hier ist. Und dann wiederum gibt es Abende, an denen die Kinder bei ihm sind und ich etwas allein unternehme. Wir haben keine festen Zeiten, weil wir wegen seinem Beruf nicht wirklich längerfristig planen können. Aber wir bekommen es immer hin.
Wie offen kommuniziert Ihr über den offenen Teil der Beziehung, und welche Rolle spielt Eifersucht?
Wir reden über den offenen Teil der Beziehung insofern, dass wir uns diese Freiheit gestehen, auch andere Menschen zu treffen, und darüber diskutieren wir oft und immer wieder, über die Vorteile, aber auch über die Nachteile.
Die Vorteile liegen für uns klar auf der Hand, weil wir uns nicht anlügen müssen, wie viele Paare es tun, die zusammen leben und offiziell einen Treueanspruch haben, aber dann heimlich fremdgehen und es krampfhaft verstecken müssen.
Die Nachteile sind, dass man diese Eifersucht, die man hat, wenn man jemanden liebt, nicht auf Knopfdruck abstellen kann. Deswegen reden wir nicht darüber, wann und mit wem uns treffen, das ist auch Teil unserer Abmachung.
Ich weiß noch nicht mal, ob Malte sich zurzeit mit jemandem trifft oder nicht und ich will es nicht wissen. Genauso wenig will er wissen, mit wem ich ausgehe und ob jemand bei mir schläft und so weiter.
Ihr beide habt Euch für eine offene Beziehung entschieden: Wie erklärt Ihr das den Kindern?
Unser jüngstes Kind ist drei. Er stellt solche Fragen nicht und für ihn ist es normal so, wie es ist. Manchmal gibt es Mama und Papa zusammen, manchmal nur Mama, manchmal nur Papa. Und es gibt nie Streitereien oder Auseinandersetzungen, deswegen gibt es nie was zu klären.
Der Große fragt zwar manchmal, warum wir alle nicht zusammenwohnen, aber im Prinzip kennt er das auch nicht anders und genießt auch die Vorteile. Zum Beispiel, dass er bei Papa länger fernsehen darf, wenn er da schläft, oder dass Mama abends mit ihm noch Karten spielt und exklusiv Zeit für ihn hat, wenn der kleine Bruder schläft. Und dann genießt er auch unsere Zeit zusammen als Familie.
Über Beziehungen und Sex rede ich mit ihm nicht, er ist mit seinen neun Jahren auch zu jung dafür und es interessiert ihn nicht.
Bei den Außenstehenden ist es schon schwieriger. Es ist ohnehin ein sensibles Thema und wir hängen es nicht an der großen Glocke. Nur unsere gute Freunde wissen von unserer speziellen Beziehung. Aber, obwohl sie uns gut kennen und schätzen, heißt es am Anfang immer „Oh“, und dann sind sie erst Mal perplex.
Weil sie es kennen, dass man entweder ganz zusammen ist, zusammen wohnt usw., oder ganz getrennt ist. Und Modelle, die in keiner Schublade passen, sind schwer zu akzeptieren. Auch in unserer vermeintlich offenen Gesellschaft sind alle plötzlich sehr konservativ, wenn es um Familie geht. Dann kommen manchmal Einwände wie „Das ist keine Liebe, das ist egoistisch.“ Die meisten Menschen können sich eben nur das klassische Modell vorstellen. Und ich denke, oft schwingt auch ein bisschen Neid mit.
Wo siehst Du Dich und Deinen Partner in fünf Jahren?
Ich kann mir wirklich vorstellen, dass wir zusammen alt werden und dass wir in dreißig Jahren den Winter in einem Häuschen am Mittelmeer verbringen. Meinetwegen können wir so weiter machen. Ich konnte mich am Anfang schwer mit diesem Modell anfreunden, aber jetzt weiß ich nicht, ob ich wirklich jeden Tag mit ihm zusammenleben möchte, selbst wenn er das plötzlich wollen würde.
Diese Freiheit, diese freien Abende, wenn er die Kinder hat, sind mir sehr wichtig geworden. Aber auf der anderen Seite habe ich in diesen Jahren nie einen Mann kennengelernt, mit dem ich ihn tauschen wollen würde.
Natürlich kann es immer passieren, dass einer von uns sich in einen anderen Mensch verliebt. Aber das kann jedem passieren. Auch Menschen, die in festen Beziehungen mit Treueanspruch leben.
Was wünscht Du Dir für Deine Familie für die Zukunft?
Ich wünsche mir natürlich, dass aus meinen Kindern offene, neugierige, warmherzige Menschen werden, die keine Angst haben, in jeder Hinsicht Erfahrungen zu machen und die Welt zu entdecken. Und natürlich auch, dass wir alle gesund bleiben.
Danke Dir für Deine Offenheit und alles Gute für die Zukunft.
Ihr habt auch eine außergewöhnliche Familiengeschichte? Oder eine Idee, welches Thema unbedingt mal in den Familienrollen vorkommen sollte? Dann schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com.