In den Elternfragen stelle ich hier regelmäßig Fragen, die mich beschäftigen und die auch für andere Eltern interessant sind. Für die kommenden drei Wochen konnte ich die Familienberaterin Julia dafür gewinnen: Julia schätze ich für ihre Reflexion, sie ist mir eine liebe Freundin und beantwortet mir heute die Frage zur „elterlichen Königsdisziplin Geschwisterstreit“.
Kürzlich waren wir zur Eingewöhnung in der Kita und haben auch immer wieder einen Kinderstreit mitbekommen: Es war spannend, weil ich ja die Kinder kaum kenne, konnte ich auch null zuordnen, ob da immer die gleichen streiten oder ob es vielleicht um ganz andere Themen geht. Was mich aber zu der Frage bringt, dass man ja von Erziehern gerne Gerechtigkeit bei Streitigkeiten verlangt und das wahrscheinlich auch Eltern nicht immer gelingt: Welchen Ratschlag hast Du an Eltern beim Geschwisterstreit ohne Sätze wie „Du bist größer und vernünftiger“ zu gebrauchen?
Ich will vorwegschicken, dass für mich als Mutter der Geschwisterstreit die größte Herausforderung darstellt. Lieber begleite ich zehn Wutanfälle als einen richtigen Streit.
Was ich Eltern raten würde ist, erst mal genau zu überlegen, ob sie sich überhaupt einmischen müssen. Das kommt einerseits auf das Alter der Kinder an. Kinder ab circa vier Jahren können meist ganz gut ohne Erwachsene streiten, wenn sie ähnlich stark und sprachlich entwickelt sind und wenn es vorher geübt wurde. Andererseits sollte die Situation nicht gefährlich sein. Bei Konflikten im Schwimmbad oder beim Umgang mit scharfen Gegenständen oder in großer Höhe sollten wir natürlich immer begleiten und schützend eingreifen.
Da mein Sohn erst 2 ist, greife ich hier zuhause noch fast immer ein, wobei es tatsächlich so langsam immer mehr Konflikte gibt, die gar nicht erst zum großen Streit eskalieren. Wenn es aber knallt, dann gehe ich wie folgt vor:
- Ruhig bleiben und trotz Lautstärke und Aggressionen in der Luft tief atmen.
Zu den Kindern auf den Boden setzen und sie voreinander wenn nötig schützen.
Trösten, Wege anbieten, die Wut loszuwerden wie gemeinsam atmen, gegen die Hände schieben, aufstampfen oder ähnlich.
Herausfinden, was beide Parteien wollen, also worum es geht.
Beiden Kindern helfen, das in Worte zu fassen und umgekehrt zu hören, was mit dem anderen Kind ist.
Dann suchen wir gemeinsam nach Lösungen für beide Kinder. Dabei gilt in unserer Familie allerdings, dass „Beziehung vor Recht haben“ geht. Das ist nicht immer leicht, für keinen, aber da wir uns so sehr bemühen, die Bedürfnisse aller mit unserer Lösung zu befriedigen, geht es oft besser als man denken würde.
Wichtig ist, dass die Kinder erst mal wieder runterkommen müssen, bevor man Lösungen finden kann. Denn wenn gerade Wut und Aggressionen im Gehirn am Steuer sind, können zu viele Worte gar nicht aufgenommen und verarbeitet werden und die Lösungskompetenz ist quasi nicht vorhanden. Und dabei sollten Eltern auch immer überlegen: Sind die Kinder hungrig, durstig oder müde? Vielleicht wird nur deshalb so verbissen gestritten? Das alles klingt sehr anstrengend und ist es auch. Aber wenn wir das einüben, dann lernen die Kinder, mit ihren Gefühlen umzugehen, es entwickelt sich eine gesunde Streitkultur in der Familie und die Lösungen werden immer schneller und selbständiger gefunden.
Vielen lieben Dank, Julia.
Julia ist selbst Mutter von zwei Kindern (2 und 5) und bloggt zudem auf Gute Kinderstube.
Nächste Woche ist sie zu Gast zum Thema: Härter durchgreifen – was tun, wenn man diesen Tipp immer wieder bekommt?