Jede Woche gibt es ein Kultur mit Kind – Interview. Aktuell dreht sich alles um den Schwerpunkt „Kindern Toleranz beibringen“. Bella vom Blog FreiRaumKind kümmert sich um eine Flüchtlingsfamilie. Sie erzählt, wie sie ihre Kinder dabei involviert und was sie sich für ihre beiden Söhne wünscht.
Stell Dich doch bitte kurz vor.
Mein Name ist Bella, ich bin 29 Jahre alt und wohne mit meinen beiden Söhnen (Nov 2012 und Jan 2015) und dem weltbesten Papa in einem schönen Haus mit Garten in Weinheim an der wunderschönen Bergstraße. Wenn ich nicht in Elternzeit bin, arbeite ich als Management Assistentin in einem familienfreundlichen Großkonzern.
Wie nimmst Du in Deiner Stadt Ausländerfeindlichkeit wahr, und was tust Du dagegen?
Ich selbst nehme bei uns kaum Ausländerfeindlichkeit wahr, zumindest nicht in unserem direkten Umfeld. Zwar hatten wir in den letzten Wochen auf einigen Festen auf denen wir waren auch immer mal Leute um uns, die zu den „Ich bin ja kein Nazi, ABER…..“-Menschen gehören, aber ich durfte feststellen, dass man (zumindest) einige von denen mit guten Argumenten und vor allem mit Fakten und Zahlen überzeugen konnte. Ich weiß nicht ob es Desinteresse ist oder es die Leute eben gerne einfach haben, nicht selbst denken wollen. Dann ist tatsächlich das nachplappern, was sie an irgendeinem Stammtisch aufgeschnappt haben, soviel bequemer und einfacher: Denken und eine eigene Meinung haben ist für viele offensichtlich zu anstrengend.
Wie engagierst Du Dich?
Ich kümmere mich um eine Familie (Mutter, Vater, Kind: fünf Monate alt). Ich begleite sie zum Arzt, vereinbare Termine, helfe bei Behördengängen und habe immer ein offenes Ohr für Ihre Anliegen. Oft reden wir auch einfach nur miteinander oder kochen zusammen. Ich versuche Ängste zu nehmen und Ihnen zu zeigen, wie was hier funktioniert und abläuft. Mittlerweile vertrauen wir uns und sind schon sehr eingespielt. Letzte Woche nahm ich die Frau mit zu meinem „Mädelsabend“. Sie fand es toll und hat sich zig mal bei mir bedankt. Wir lernen von einander und ich bewundere sie sehr für ihren Mut und ihre Stärke. Neben der Familie kümmere ich mich noch um alles was Babys und Kleinkinder betrifft. Ich stehe den Müttern zur Seite wenn sie Fragen haben und helfe beim organisieren.
Ich sammle alles ein von dem ich weiß, dass es aktuell oder in den nächsten Wochen benötigt wird. Die Bewohner und Sozialarbeiter kennen mich mittlerweile und so gibt es immer jemanden der gerade meine Hilfe benötigt oder Fragen hat. Wir werden hier bei uns in den nächsten Wochen weitere 500 Flüchtlinge bekommen. Die Arbeit der vielen Ehrenamtlichen wird somit immer wichtiger und auch die Abläufe.
Wie geht es Dir damit?
Es gibt Tage da würde ich am liebsten alles hinschmeißen, weil es so anstrengend ist. Aber hinschmeißen ist keine Option. Niemals. Ich habe in den letzten Wochen unfassbar viel gelernt und habe neue Freunde gefunden, Menschen die einen Platz in meinem Herzen haben.
Menschen die sich auf mich verlassen. Mein Schwiegervater ist bereits seit Jahren „Integrationslotse“, ehrenamtlich versteht sich, und konnte mir schon einige Male mit seinem Wissen und seinen Erfahrungen weiterhelfen! Ich möchte für das was wir, die die Tag für Tag in den Unterkünften helfen, organisieren, die rund um die Uhr im Einsatz sind, keinen Lob oder große Anerkennung. Ich wünsche mir nur ein bisschen mehr Respekt: Respekt gegenüber den Menschen.
Der Blog FreiRaumKind |
Was gibst Du Deinen Söhnen mit, damit Sie von Deiner Offenheit profitieren?
Unsere Kinder werden so erzogen wie wir es auch wurden. Mit viel Nächstenliebe und Toleranz. Kinder lernen so viel von uns, gucken sich Dinge ab. Am besten ist es wenn wir uns so benehmen wie wir es uns von und für die Kids wünschen.
Was Flüchtlinge sind, und um was es bei diesem Thema in etwa geht, weiß der Große. Wir haben es ihm erklärt und er sieht es ja oft genug, wenn ich ihn mitnehme in die Unterkunft unserer Stadt.
Vor einigen Wochen wurden wir von einer Frau ganz entsetzt angeguckt, als ich ihr sagte, dass ich ihn mitnehme, wenn ich vor Ort helfe und er dann mit den Kindern dort spielt. Sie fragte unseren Sohn wir er sich denn mit den Flüchtlingskindern unterhalten wolle und er antwortet:“Meine Mama sagt mit dem Herzen“.
Ich war wirklich baff, als ich das aus seinem Mund hörte und danach war ich wirklich stolz. Gerade von unseren Kindern können wir so viel lernen, was den Umgang mit „Fremden“ betrifft. Der Große fragt mittlerweile ganz aktiv, wann er das nächste Mal mitgehen darf, wenn „Mama wieder den Menschen helfe“.
Was wünscht Du Dir für Deine Söhne?
Für meine Söhne wünsche ich mir aus tiefstem Herzen, dass sie in einer Welt aufwachsen in der nicht mehr übe Toleranz gesprochen werden muss, sondern es Tag für Tag, in jedem Land dieser Erde, gelebt und gefühlt wird!
Was rätst Du anderen Eltern, die mitkriegen, dass Ihre Kinder mit Intoleranz konfrontiert werden?
Es fällt mir grundsätzlich sehr schwer jemandem einen Rat zu geben. Sehr wichtig ist, dass man die Kinder ernst nimmt und ihnen signalisiert das man sie versteht.
Intoleranz ist etwas Hässliches und auch mich macht es oft traurig. Gerade in den letzten Tagen haben wir einiges erlebt/gehört was richtig unschön war, aber wir können die Welt nicht ändern, wir können aber versuchen sie vor unserer Haustür ein bisschen besser zu machen. Dazu gehört auch, dass eigene Kind so stark zu machen, dass es über gewisse Dinge hinwegsehen kann oder aber den Mut hat seine Stimme zu nutzen.
Vielen lieben Dank für das Interview, Bella.
Die Bilder wurden freundlicherweise von Bella zur Verfügung gestellt.
Ihr habt auch ein Kind, dem ihr Toleranz beibringt und wollt darüber reden? Schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com.
Eine Übersicht über einen Großteil der bisher geführten Interviews zum Thema „Kultur mit Kind“ findet Ihr hier.