Familienrollen, Kultur mit Kind

„Wir sind wirklich sehr verschieden und haben zwei absolut verschiedene Weltbilder.“ / Schwanger von einem Freund: Janina in den Familienrollen

Immer am Freitag gibt es die #familienrollen. Dieses Mal erzählt Janina, wie es ist gemeinsam mit einem Freund ein Kind zu bekommen, wie ihre andere Form der Familie funktioniert und an welchen Stellen manchmal Probleme auftreten. 

Die Perlen

Als Du Dich für die #familienrollen gemeldet hast, hast Du mir erzählt, dass Ihr eine Familie seid, die nicht dem klassischen Familienrollenbild entspricht. Wie kam es zu Eurer Elternschaft der getrennt Erziehenden? 

Der Perlenpapa und ich kennen uns noch von früher, wir sind miteinander aufgewachsen. Mit 18 verließ ich meine Heimatstadt und lebte für eine Weile in Amerika und dann in den Niederlanden. Während dieser Zeit hatten wir sporadisch Kontakt und man sah sich wenn ich mal auf Heimaturlaub war. In 2011 war ich dann mal wieder öfter zu Hause und so kam es, dass wir beide (beide zu der Zeit Single) auf einem Geburtstag eines gemeinsamen Freundes eingeladen waren.

Ab diesem feuchtfröhlichen Abend entwickelte sich eine etwas intimere Beziehung, obwohl von Anfang an fest stand, dass wir partnertechnisch nicht zusammen passen. Wir sind wirklich sehr verschieden und haben zwei absolut verschiedene Weltbilder und sehr unterschiedliche Ansichten von einem erfüllten Leben. Naja, eines Monats blieben dann meine Tage aus und ich fand heraus, dass ich schwanger war. Erstmal war das natürlich ein Schock. Für Beide. Aber ich arrangierte mich sehr schnell mit dem Gedanken und freute mich auf meine Rolle als Mutter.

Er brauchte dafür etwas länger, aber es stand für ihn fest, dass er als Papa involviert sein wollte. Und da begann unsere Reise als Getrennt-erziehendes nicht-Pärchen-Eltern-Team.

Wie funktioniert Euer gemeinsames Erziehungsmodell im Alltag? 

Wasserspielchen

Unser Start war etwas holprig. Als die Perle auf die Welt kam, warf sie vieles durcheinander und wir mussten uns erst in unseren neuen Rollen zurechtfinden. Aus Freunden wurden Eltern und der Übergang war wirklich mehr als schwierig.

So kam es, dass er nach der Geburt erstmal den Kontakt gänzlich abbrach, weil er einfach nicht wusste, wie er seiner neuen Rolle gerecht werden sollte. Das stieß bei mir auf sehr viel Unverständnis und ich fühlte mich ganz schön im Stich gelassen. Nach einem sehr schwierigen ersten Jahr, wurde es dann langsam besser. Wir fanden unseren Groove, begannen die Dinge in Frieden auszudiskutieren statt zu streiten und besannen uns darauf, dass es ja eigentlich um die Perle ging und ließen unseren eigenen Stolz lieber außen vor. Seither agieren wir als Team.

Da wir sehr verschieden sind geben wir unserer Tochter auch ganz verschiedene Normen und Werte mit auf den Weg, die aber nicht unbedingt gegensätzlich sind. Das ist sehr wichtig. In den großen Angelegenheiten haben wir gelernt an einem Strang zu ziehen, während jeder seine Zeit mit ihr selbst organisieren kann. Das gibt einem jeden von uns sehr viele Freiheiten, ohne dass sich jemand alleine fühlen muss. Und im Vordergrund steht einfach immer die Perle und was das Beste für sie ist, ohne dass die Bedürfnisse von ihm oder mir dabei vergessen oder ignoriert werden. Das ist sehr wichtig und funktioniert auch sehr gut.

So haben wir zum Beispiel einen festen Plan für’s Jahr an dem alle Mama- bzw. Papa-Wochenenden eingetragen sind. Bei besonderen Events tauschen wir dann mal oder die Perle schläft bei Oma und Opa. So kann jeder planen und sich seine Dinge so einrichten wie er will und jeder weiß woran er ist. Außerdem hat die Perle eine bestimmte Regelmäßigkeit, auf die sich sich verlassen kann.

Die Perle lebt bei mir, ist aber jedes zweite Wochenende von Freitag Mittags bis Sonntags Abends beim Papa. Er holt sie ab und bringt sie wieder zurück. Da wir aber Ende Oktober wieder näher zum Perlenpapa ziehen, hat er schon angemeldet, dass er sie dann gerne auch einen Tag unter der Woche bei sich hätte. Da habe ich theoretisch natürlich gar nichts gegen, wie genau wir das dann aber praktisch organisieren, müssen wir noch gucken.

Wie erklärt Ihr Eurer Perle die andere Art der Familie und wie nimmt diese die bereits wahr? 

Schaukeln

Die Perle ist jetzt 3 1/2 Jahre alt und kennt es einfach nicht anders. Für sie ist dieses Arrangement das einzige, was sie kennt und sie kommt sehr gut damit klar. Nur ganz selten gibt es mal Abschiedsschmerz, oder sie sagt mal, dass sie einen von uns vermisst während sie beim anderen ist, aber das hält nie lange an. Außerdem kann sie schon länger sehr gut telefonieren und steht somit ständig mit uns beiden in Kontakt. Wenn sie bei mir ist, ruft sie jeden Abend vor dem Schlafen gehen den Papa an und wenn sie bei ihm ist wird die Mama angerufen. Das ist Routine und beugt dem großen Vermissen vor. Außerdem weiß sie so zu jeder Zeit, dass sie von Mama und Papa gleichermaßen geliebt wird.

So werden auch alle kleinen und großen Neuigkeiten direkt und ungezwungen ausgetauscht und jeder weiß immer was gerade so los ist.
Unser Umfeld war anfangs sehr skeptisch und als dann alles auch noch so schwierig war am Anfang stießen wir auf der einen Seite zwar auf sehr viel Rückhalt bei Freunden, aber so wirklich zwischen uns vermitteln vermochte so keiner. Es war einfach zu verworren, die Fronten zeitweise so verhärtet, und keiner konnte sich so wirklich vorstellen WIE das denn klappen sollte. Mittlerweile bekommen wir aber sehr viel positives Feedback von außen weil wir das wirklich super hinbekommen. Und die meisten wissen halt noch wie es am Anfang war und sind froh, dass nun Frieden eingekehrt ist.

Ihr ward nie zusammen, seht Euch aber trotzdem als Familie. Wie reagieren potenzielle Partner von Dir oder dem Perlenpapa darauf? 

Ja, das ist so eine Sache. Einer der Hauptgründe dafür, dass es am Anfang bei uns nicht wirklich rund lief, war die damalige Partnerin des Perlenpapas. Die war sehr bedacht darauf, dass wir niemals den Anschein, oder das Gefühl, einer Familie oder eines Teams machten/hatten. Sie war einfach sehr eifersüchtig und torpedierte/manipulierte mit allen Mitteln unsere „Beziehung“. Das war wirklich sehr schwer. Und ich habe es auch nicht wirklich verstanden, denn wir waren ja nie ein Paar. Warum dann die ganze Eifersucht? Sie hat uns wirklich viel kaputt gemacht und ich war froh, als die beiden sich dann irgendwann trennten. Und ziemlich genau ab jener Trennung ging es dann bei uns bergauf.

Die neue Partnerin des Perlenpapas hingegen ist ein Goldstück. Sie kommt super mit der Situation aus und wir verstehen uns blendend. Sie bringt sich auch mit der Perle super ein und die Beiden sind ein Herz und eine Seele. Das freut mich sehr, zum einen für den Perlenpapa und zum anderen für uns als Team. Ich hingegen tue mich bei der Partnersuche etwas schwerer, ich weiß nicht so ganz woran das liegt. Aber was nicht ist kann ja noch werden 😉

Welchen Tipp hast Du für Frauen, die in einer Konstellation wie Du schwanger werden und die Euch im Alltag immer helfen?

Also uns hat es sehr geholfen, dass wir unseren kleinen persönlichen Kleinkrieg und die ganzen verletzten Gefühle (besonders mein verletzter Stolz) außen vor lassen. Solange man selber Wut hat oder verletzt ist kann das nichts geben.

Man muss sich immer wieder in Gedanken daran erinnern um was es hier gerade geht: Nämlich um’s Kind. Ich hatte während des ersten Jahres so oft das Bedürfnis einfach zu zu machen und zu sagen „es reicht, das war deine letzte Chance!“. Doch meiner Tochter zuliebe bin ich dran geblieben und habe dem Perlenpapa eine Chance nach der anderen gegeben sich seiner Rolle als Papa zu besinnen.

Denkt dran, Männer brauchen dafür manchmal etwas länger (besonders wenn sie Partnerinnen haben, die sie vor Ultimaten stellen und anderen kindischen kram anstellen). Lasst ihnen die Zeit. Auch wenn es schwer fällt. Macht nie die Türe komplett zu. Es ist soviel wert Teil eines Teams zu sein, wenn es darum geht ein Kind zu erziehen.

Ein weiterer Tip ist es über alles zu reden, auch über die eigenen Bedürfnisse. Eine solche Konstellation erfordert kontinuierliche Arbeit. Geht Kompromisse ein und vergesst mal euren eigenen Stolz. Jeder hat ein Recht darauf planen zu können und sein eigenes Leben so zu gestalten wie er möchte. Die Freiheit sollte sich ein jeder nehmen dürfen. Macht euch einen festen Plan auf den sich jeder verlassen kann. Regelmäßigkeit ist hier das Schlüsselwort. Und was das Finanzielle betrifft: Holt euch Unterstützung vom Jugendamt. Damit alles fair zugeht und sich keiner über den Tisch gezogen fühlen muss haben wir alles, was gezahlt werden muss, vom Amt ausrechnen lassen. Über Geld streitet es sich ja nunmal am leichtesten.

Vielen Dank für die tollen Antworten und die Bilder, Janina. 

Hier geht es zu Janinas Blog. Dort schreibt sie auch unter anderem manchmal über ihr Konstrukt und die kleinen und großen Freuden und Problemchen, die sie so erleben. Außerdem ist sie noch auf facebook, twitter und instagram, jeweils als Perlenmama, zu finden.

Sie ist absolut offen für jeden, der in der gleichen oder einer ähnlichen Situation steckt und sich austauschen möchte oder Rat und Tips braucht.

Ihr habt auch eine außergewöhnliche Familiengeschichte? Oder eine Idee, welches Thema unbedingt mal in den Familienrollen vorkommen sollte? Dann schreibt mir eine Mal an fruehesvogerl@gmail.com. 

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