Kultur mit Kind

Kochen mit kleinem Kind

Die Sache mit der Beikost hatte ich mir kompliziert vorgestellt. So kompliziert, dass ich erst mal ein paar Bücher gelesen habe. Über Baby-led-Weaning: die breifreie Ernährung von kleinen Menschen. Eine irre amerikanische Variante, auf die ich hier bewusst nicht verlinke, machte mich drauf aufmerksam, dass ich mein Baby bitte besser nicht mit Alkohol und Kaffee bespaße und langweilte mich unfassbar viele Seiten hindurch. Das war bevor ich meine Fähigkeit entdeckte Bücher abzubrechen.

Das zweite Buch zu dem Thema, „Einmal breifrei, bitte“, war schon besser. Hier lernte ich, dass das Kind dafür selbstständig sitzen sollte, erfuhr vom Würgereflex und welche Gemüsearten sich zum Start eigneten. Unser Erweiterung zur Milch begann erst aber doch zu einem großen Teil mit Brei. Bunte kleine Eiswürfelformen, die ich jeden Tag erwärme. Fanden wir gut, das Kind und ich.

Nun verliert der Brei immer mehr an Attraktivität und wieder steht das Thema Weiterbildung hierzu hoch im Kurs. Ein Buch musste her, und ich fand eines, das endlich auch mal praxisnah war.

Die Hebamme Anja-Constance Gaca (vom Blog „Von guten Eltern“) hat gemeinsam mit der Autorin Loretta Stern usammengefasst, worauf es ankommt bei diesem Baby Led Weaning. Zu Beginn geben sie einen Exkurs darüber, welches regionale Gemüse saisonal am besten zu erwerben ist, wie die Lagerung ideal aussieht und vor allem, wie sich die Ernährung des kleinen Wesens ideal in die Familienmahlzeiten integrieren lässt. Dazu sind sie stillfreundlich, ohne mit Zeigefingern herum zu fuchteln. Dazu gibt es 80 Rezepte von David Gansterer, der in der österreichischen Küche beheimatet zu sein scheint. Unterteilt in Wochendrezepte und der eher schnellen Küche findet sich Bekanntes und auch neue Anregungen: Palatschinken, Risotto, Dips, Chutney und auch ein Wiener Schnitzel.

Bisher dachte ich, dass das Buch eher für „Köchinnen mit Ausbaufähigkeit“ die ideale Lektüre ist. Wozu ich mich auf jeden Fall zähle. Nachdem ich aber neulich einer Freundin, die ich im Verdacht habe, leidenschaftliche Kocherin zu sein, das Buch zeigte, wurde ich eines Besseren belehrt. Sie war begeistert. So gerne sie kocht, so ungern liest sie Fachbücher. Auch das Phänomen gibt es. Das Buch erscheint ihr für Wenigleser auch ideal, da es nichts auslässt. Eine Entscheidung für dieses Buch kann also aus unterschiedlichen Gründen getroffen werden.

Link zum Buch.

Kultur mit Kind, Nachgefragt

„Mein Mann und ich sind ziemliche Spießer“

Um wunderbaren Idealen gerecht zu werden, gründete sie mit ihrem Mann das Kinder-Kleidungs-Label Emma und Käthe, das sie nach ihren Töchtern benannten. Warum sie sich für spießig hält, und wofür sie Berlin liebt, das und noch viel mehr, erzählt die zauberhafte Nicole im Interview. 

Stell Dich doch bitte mal kurz vor: 

Alternativmodel

Hey, mein Name ist Nicole. Ich bin 26 Jahre alt und die Mama von zwei kleinen Chaosmädchen Emma (drei Jahre alt) und Käthe (zwei Jahre alt).  Ich betreibe mit meinem Mann zusammen ein süßes kleines Berliner Kinder-Kleidungs-Label namens Emma und Käthe, model als Alternativmodel, wenn ich Zeit und Lust habe, und mache eine Ausbildung zur Sozialassistentin, um Waldorf-Erzieherin werden zu können.

Was ist das für ein Kinder-Kleidungs-Label? 

Unser Label heißt Emma und Käthe und ist nach unseren Töchtern bekannt. Als ich mit Emma schwanger wurde, folgte ich den Idealen ihr nur Sachen anzuziehen, die selber genäht sind, also musste ich nähen lernen. Diese Ideale schmiss ich zwar schnell über Bord, aber die Liebe zum Nähen blieb, und da es ja gerade in war, oder immer noch ist, eröffneten wir unsere erste gemeinsame Facebook Seite. 

Wir überlegten immer, was man besser machen kann, damit unsere Kunden glücklich sind und so entschieden wir uns für den Klamottenbaukasten in dem jeder selbstständig entwerfen und bestellen kann. Die Kunden liebten es und auch wir finden das Prinzip schön. Aber wir möchten uns natürlich auch weiter entwickeln und so wird es, sobald es die Zeit zu lässt, einige Erneuerungen geben, die mich als Mama, Frau und Schülerin etwas entlasten werden. Aber dazu mehr, wenn es soweit ist.

Wie gut gefüllt ist Dein Alltag?

Also meine Tage sollten eher 48 Stunden haben, anstatt der üblichen 24. Wem auf der Welt reichen schon 24 Stunden? Mein

Beim Nähen

Alltag ist eigentlich total chaotisch, jedenfalls empfinde ich es so.
Schule – Kita – Spielplatz – Essen kochen und mit den Kleinen spielen und die später ins Bett bringen ist unser tägliches Ritual . Sobald die Mädchen schlafen, muss ich Schulkram machen oder nähen, viel Zeit für mich oder mein Mann bleibt da selten. Du fragest nach meinen Prioritäten: Die setze ich ganz klar bei mir. Ich gehe kaum weg und Entspannung gibt es nur selten Zuhause, aber das habe ich mir auch so aus gesucht.

Was für ein Mensch warst Du, bevor Du Mutter geworden bist? 

Früher war ich, na ja wie soll man sagen, eher rebellisch. Ich bin viel weggegangen, ob in Bar’s oder Clubs, das war egal. Hauptsache das Leben genießen. Mein Hobby war tanzen und Party. Ganz anderes als heute.

Was liebst Du an Berlin besonders?

Mit dunklen Haaren

Oh das ist einfach. Ich liebe Berlin für seinen Anonymität. Ich komme aus einer kleinen Stadt in Thüringen, wo jeder jeden kennt. Ich war ziemlich punkig als Jugendlicher und fiel immer auf. Das war schon etwas nervig. Ich träumte immer von Berlin mit seiner offener Art und seiner Toleranz.

Hinzu kommt, dass ich Veganerin bin und Berlin für mich das absolute Schlaraffenland ist. Auf dem Dorf gibt es, wenn ich Glück habe, Tofu zu kaufen. Aber im Restaurant wird mir dort immer noch Kloß mit Gemüse und Bratensoße angeboten.

Wie entspannt Du?

Entspannung kenne ich nicht. Ich bin immer 100 % da und kann nicht abschalten. Aber ich habe mich jetzt für Yoga angemeldet und hoffe da etwas Ruhe und Entspannung zu finden .

Mit Kind zum Festival, mit den Töchtern zu einer Party in den Park oder gemeinsam mit der ganzen Familie zu einem Open Air: Was geht für Dich gut, und was würdest Du auch anderen Eltern empfehlen?

Nicole mit ihrem Mann

Ich muss ehrlich sagen wir, also mein Mann und ich, sind ziemliche Spießer. Wir gehen gerne in den Park mit den Kindern grillen dort oder baden an den vielen kleinen Seen in und um Berlin. Aber sobald es dunkel wird geht es heim. Es gibt wenige Ausnahmen an denen die Minis länger draußen bleiben dürfen mit uns. Wir haben einfach viele Rituale für unsere Kinder und wissen, dass sie ihnen gut tun. Außerdem,  mal ganz ehrlich: Ich stelle mir nichts stressiger vor als mit den Mädels auf ein Open Air oder Festival zu gehen. Ständig müsste man aufpassen oder darauf achten, dass sie ihre Kopfhörer noch tragen. Einmal waren wir mit Emma und Käthe auf dem Mai-Fest und Emma lief ständig davon oder wollte gar nicht mehr laufen, die Menschen achteten kaum auf sie und mein Stresspegel stieg ins Unermessliche.
Wenn ich weggehe, gehe ich lieber ohne Kinder weg und organisiere mir einen Babysitter a la Oma.


Facebook-Seite vom Kinder-Kleidungs-Label Emma und Kaethe
Facebook-Seite von Nicole als Alternativ-Model Sofine Wunderlich
Instagram-Bilder von Nicole

Alle hier gezeigten Bilder wurden freundlicherweise von Nicole für diesen Artikel zur Verfügung gestellt.

Ihr habt auch ein Kind, interessiert Euch für Kultur und möchtet darüber reden? Schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com.
Meine Interviewpartner über Kultur und Kind waren bereits:
Alu und Konstantin vom Familienblog Grosseköpfe: „Wir partizipieren anders, aber nicht weniger“.
Andrea vom Runzelfüsschen-Blog: „Liebeserklärung an das Lesen“.
Susanna vom Babyplausch-Blog: „Interview mit einer Berliner Bloggerin“.
Erotik-Autorin Andrea Blumbach: „Der Vorteil von Schubladen“.
Alltag, Kultur mit Kind

Ein ruhiges Wochenende in Bildern / 21. bis 22. März 2015

Die letzten Wochenenden waren voller Menschen. Das war toll. Dieses sollte aber anders werden. Ruhig. Ein bisschen verschnupft. Und auch schön. 
Ich bin am Samstag unglaublich stolz auf meine Frisur. Fand nicht jeder so gut. 
Schurkenbeardie braucht Unterstützung beim Fellwechsel. 
Der Hund ist hinterher sicher um einiges leichter.

Mittagessen.
Die Jungs sind spazieren, und ich habe Haushalts-, kein Foto, und Computerzeit. 

Kennt Ihr eigentlich schon, dass „ärmste Spielzeug“? Irgendwer hat den Armen immer im Mund. 
Kaffeezeit.
Und Jungszeit. <3
Und noch ein bisschen Musikzeit. 
Der Hund kann nicht glauben, dass wir Abends um neun einen Film schauen wollen und nicht mit ihm rausgehen.
„Feuchtgebiete“: Ich finde es filmisch ganz gut gemacht, aber alles in allem etwas anstrengend. 
Der Sonntagmorgen beginnt mit einem Tänzchen.
Beim Spaziergang ist es sehr sonnig und sehr kalt. 
Beim Fotografieren verliere ich schnell den Anschluss. 
Unser Bäcker hat einen guten Ruf. Und entspannte Kunden. 
Und gute Brötchen für ein zweites Frühstück. 
Die Jungs spielen einzeln. 
Nach gefühlten Ewigkeiten habe ich die Brigitte Mom durch. Bester Artikel: Urlaub mit der Oma.
Österreichisches Standard-Gericht. Nicht im Bild: Suppe.
Mittagsschlaf ist für mich wieder ein bisschen Computerzeit.
Und sogar Malzeit ist möglich. 
Bei 4 Grad laufe ich kurz in den Garten. Sehr kurz. 
Sonntags-Kuchen ist spießig, sagt Alu von Grosseköpfe. Macht nichts: Ich mag es. 
Jan Böhmermann und Oli Schulz unterhalten uns. Und nerven dabei.
Kuchen kriegt der Typ nicht so oft. Findet er aber gut. 
Badezeit. Auch für die österreichische Ente.

Gleich wird die Leinwand ausgefahren. Tatort-Zeit.

Und wie war Euer Wochenende so? Viele Wochenenden in Bildern gibt es wie immer bei Susanne von Geborgen Wachsen.

Kultur mit Kind, Meinung

Meine neunzig Fernsehminuten

Heidi Klum, Dieter Bohlen, eine Schmonzette mit Sophie Schütt und ein Bauer, der eine Frau sucht? All diese Dinge schaue ich nicht. Fernsehen spielte schon vor meinem Leben mit Kind eine sehr untergeordnete Rolle. Seit dem das Kind da ist, ist die Rolle noch kleiner geworden.

Um mit Brustton der Überzeugung gegen diverse Formate zu wettern, kenne ich sie zu wenig. Mein Argument ist die Zeit. Kind ins Bett, Hunderunde, Essen, Zeit zu Zweit und noch ein paar andere Dinge. Der Fernseher steht in der Liste so weit unten, dass er fast nicht zum Zug kommt. Kaum.

Außer Sonntagabend. Ob die Nerv-Trulla aus Hannover, die zwei sympathischen Kumpeltypen aus Köln, dicke Lippen aus Leipzig, Klamaukiges aus Weimar, Angegranteltes aus Wien oder die personifizierte Übertreibung aus Münster: Wir schalten nicht immer pünktlich um 20 Uhr 15. Aber wir schauen ihn regelmässig, den Tatort.

Und diesen Sonntag kriegt Berlin wieder einen neuen Tatort. Und ich bin fast schon so etwas wie aufgeregt. Die Stadt soll eine große Rolle spielen. Und die großartige Meret Becker ist dabei.

Wie schaut es mit Euch aus? Schaut Ihr auch Tatort? Und wenn ja, was ist Euer Lieblingsteam und wen mögt Ihr gar nicht leiden?

Kultur mit Kind

Glückwünsche für Schurkenbeardie

Geburtstagsschurke

Als Kind einen Bearded Collie zu haben, das ist etwas Wunderbares. Das wusste ich schon. Als mein erster Beardie nach 15 Jahren nicht mehr da war, brauchte ich erstmal ein bisschen Zeit. 

Dann habe ich ein Bild mit einem wuscheligen,  kleinen Typen und dem Text „Balou sucht ein neues Zuhause“ entdeckt. 
Wir wollten nur mal kurz anrufen. Natürlich sind wir hingefahren. In die Pfalz, wo wir vorher nie waren.  Dort wuselte es voller Beardies. Sie waren wild und wunderbar. Einer war besonders niedlich. Ein Typ mit braunem welligen Haar.
Zuhause war er erstmal schüchtern. Nach drei Tagen hat er endlich angefangen zu bellen, und kann manchmal gar nicht aufhören. 
Schnell tauften wir ihn Schurkenbeardie. Weil er Bücherregale angeknabbert hast, einen Bleistift gefressen (O-Ton-Tierärztin: “ Der teuerste Stift ihres Lebens“), Zigaretten  zerschreddert und bei einer Woche Hundetrainer mit absoluter Regelmässigkeit jeden Tag um 15 Uhr das Pin-AG-Männchen gejagt hat. 
Jetzt ist er schon ein bisschen erwachsener. Die Frau mit den Prospekten treibt ihn immer noch in den Wahnsinn, Postboten haben Respekt vor ihm und manchmal ist er ganz schön bockig. Aber vor allem ist er ein unglaublich herzlicher Hund, der bei Unstimmigkeiten vermittelnd eingreift, Situationen immer gut erkennt und ein tolles Sensibelchen ist. Und das nicht nur am Silvesterabend. 
Das frühe Vogerl und der Schurkenbeardie haben bereits Interesse aneinander, noch etwas ungestüm sind die Annäherungen. Schließlich sind beide noch Jungspunde. Das ist schon okay so. 
Heute ist ein besonderer Tag: Alles Gute zum dreijährigen Geburtstag, kleiner Schurke. <3
Kultur mit Kind

„Meine spanische Familie ist eine reine Fernsehfamilie“

Wie das so ist, wenn Rüschenkleider Geburtsgeschenke werden und es ein Problem ist, wenn das Kleinkind noch keine Ohrstecker hat: Das hat mir die liebe Susanne von Andalusienmutti verraten. Außerdem noch, welche Besonderheiten sonst noch so warten auf eine Deutsche in einem spanischen Dorf: Ein Interview über Kultur mit Kind zwischen zwischen zwei Kulturen. 

Wer verbirgt sich hinter „Andalusienmutti“?

Andalusienmutti und Tochter

Andalusienmutti bin ich, Susanne, 33 Jahre alt und studierte Magister auf italienische Kulturwissenschaften, Soziologie und Kunstgeschichte. Ein Weg über Italien und das Erasmusprogramm brachte mich irgendwie nach Spanien, wo ich hängenblieb, das nun schon seit neun Jahren. Vor fünf Jahren lernte ich den Mann kennen und zog nach einem Jahr zu ihm auf sein Dorf. Seit meiner Ankunft in Málaga arbeite ich hauptberuflich für eine deutsche Zeitung, die hier an der Küste einmal die Woche erscheint. Nein, hat nix mit meinem Studium zu tun, funktioniert aber trotzdem wunderbar. Ich bin verantwortlich für den Bereich Lebensart, die Herausgabe von Extrabeilagen, etwas Anzeigendesign und Community Management. Ich habe eine ganz tolle Chefin, die es mir erlaubt, vier Mal die Woche von zu Hause aus zu arbeiten, da unser Büro in Málaga, 50 Kilometer vom Dorf entfernt liegt. Einmal die Woche fahre ich dann in die Redaktion, und da freu ich mich immer drauf. Endlich wieder mit den Kollegen frühstücken und über Dinge sprechen, die ganz und gar nichts mit Kindern zu tun haben. Das ist auch so in etwa mein Alltag. Bis 16 Uhr arbeite ich, dann wird der Minimensch aus der Kindergrippe geholt und dann bin ich nur noch Mama. Der Mann ist von Beruf Sommelier, er arbeitet in einem Restaurants und fast ausschließlich abends. Meine Tochter und ich sind also eigentlich die meiste Zeit zu zweit, das kann recht anstrengend sein, wenn es ums Abendessen, Baden etc. geht. Ist aber manchmal auch ganz entspannt, weil ich mit niemanden rumdiskutieren muss, ob sie jetzt noch den Keks darf oder nicht 😉 Seit Dezember 2014 gibt es den Blog AndalusienMutti. Ich bin also noch ganz frisch im Geschäft und hab noch gar keine Ahnung, wie das so werden soll. Überrascht bin ich aber bereits von der Response, die man so kriegt, wenn jemand einen Beitrag kommentiert oder auf „Gefällt mir“ klickt, das hab ich immer Schmetterlinge im Bauch und freu mich sehr.

Kürzlich war auf Deinem Blog zu lesen, dass Dein Mann die Schwiegermutter noch schnell abholen musste. Kein Problem, denkt man, in Deinem Fall, war das allerdings auf dem Weg in den Kreißsaal. Wie lebt es sich mit Deiner spanischen Großfamilie?

Halloween im Dorf

Also im Großen und Ganzen liebe ich meine spanische Großfamilie sehr. Meine eigene Familie ist recht klein, es ist ein deutlicher Unterschied, aber es macht Spaß. Hierzulande wird mehr auf die Familie gebaut, was in Deutschland vielleicht eher die Freunde sind. Der Mann hat um die 40 Cousins, die meisten kenne ich ehrlich gesagt nicht einmal mit Namen, das überfordert mein Gedächtnis. Richtige Freunde hingegen hat er vielleicht fünf. Sonntags auf einen Kaffee wird sich eher mit den Cousins getroffen, als mit den Freunden. Die Andalusier an sich sind sehr familientreu, machen sehr viel mit den Mitgliedern. Manchmal kann es etwas anstrengend werden, denn man muss auch gewisse Erwartungen erfüllen. Kommt ein Baby auf die Welt, ist der Besuch der frischgebackenen Eltern obligatorisch, mit Geschenk versteht sich. Schon im Krankenhaus präsentierten sich mir zwei Onkels mit Ehefrauen, die dann eine Stunde lang an meinem Bett standen, viel zu erzählen hatten wir uns nicht, ich fühlte mich nicht nach Besuch, wollte sie am liebsten lautstark vor die Tür setzen und mein Kind war ja auf der Intensivstation.
Auch als wir zu Hause waren, kamen alle möglichen Tanten, Cousins und Freunde von Tanten und Cousins angetrudelt. Gern auch ohne Ankündigung, zu Uhrzeiten, die ich unmöglich fand. Ich habe mich dann immer zum Stillen ins Schlafzimmer zurückgezogen und hab den Besuch auf dem Sofa schmoren lassen. Selber schuld, wer ungefragt vorbeikommt. Das macht man nicht mit einer Deutschen! 🙂 Wahrscheinlich hatten sie noch auf selbstgebackenen Kuchen gehofft. Die Geschenke fand ich leider auch alles andere als hilfreich. Gern hätte ich paketeweise Windeln entgegengenommen, oder vorgekochtes Essen, das wäre doch mal was! Nein, hübsche Rüschenkleider und Ohrstecker. Dabei hat mein Kind mit 1,5 Jahren immer noch keine Ohrlöcher, was hier in Spanien übrigens ein Skandal ist. Die sticht man den Kleinen ja sozusagen noch fast im Kreißsaal. Ich spiele dann immer meinen Ausländerbonus aus und sage, das macht man bei uns nicht so und deswegen will ich es nicht. Mein Kind ist auch nicht getauft und der Mann und ich, wir sind auch nicht verheiratet, so jetzt ist es raus! Nein, ehrlich gesagt haben sich auch auf dem Dorfe die Sitten etwas geändert und man sieht das mit der Hochzeit nicht mehr ganz so eng. Obwohl ich ja schon irgendwann man heiraten möchte, aber dann müsste ich 300 Personen einladen. Die liebe Verwandtschaft, Nachbarn, Freunde etc. Wie gesagt, so eine Familie bringt auch einiges an Verpflichtungen mit sich. Das schreckt eher ab. Außerdem müsste der Mann ja erst mal einen hollywoodreifen Antrag mache, das kann noch dauern. 🙂

Bei der Zeitungslektüre


Welche kulturellen Unterschiede treten zwischen Dir und Deinem Mann auf, und wie beeinflussen die Eure Erziehung?

Vor der Geburt meiner Tochter ist es mir gar nicht so aufgefallen, doch meine spanische Familie ist eine reine Fernsehfamilie. In jedem Zimmer steht ein Fernseher, selbst im Schlafzimmer. Meine Nichten haben schon Apparate in ihren Kinderzimmern, mit drei Jahren! Das finde ich grauenvoll. Nun kann ich natürlich nicht die ganze Familie umkrempeln, das wäre vermessen. Das ist hier eben so. Der Mann ist damit aufgewachsen und versteht meinen Ärger nicht, wenn der Fernseher den ganzen Tag läuft. Ich versuche jedoch, immer mal wieder darauf hinzuweisen und Alternativen anzubieten. Gemeinsames Spielen auf dem Fußboden, ein Ausflug in Familie etc. Das ist nicht immer einfach, da auch die Arbeitszeiten des Mannes gemeinsame Aktivitäten erschweren.

Am Strand

Der Mann hingegen findet, ich spinne mit all meinen Büchern und Holzspielzeug. Ich sei manchmal verbohrt, was die Erziehung des Kindes angeht, ein deutscher Dickschädel, der auch mal alle Fünfe grade lassen sollte. Ich gebe zu, ich habe manchmal zu viel Angst und es fällt mir schwer, loszulassen und meiner Tochter das Risiko zuzutrauen. Die Rutschen sind zu steil, der Spielplatz nicht für Kleinkinder geeignet, aus meiner Sicht jedenfalls. Der Mann ist da lockerer und mahnt mich dazu, das Kind einfach mal machen zu lassen. Und das ist gut so. Aber das ist wahrscheinlich gar nicht so kulturell, sondern eher ein Unterschied zwischen Mama und Papa. Kulturell fällt mir noch auf, dass hier das gemeinsame Essen keinen so großen Stellenwert hat, wie in meiner deutschen Familie. Bei uns war das Abendessen dazu da, vom Tag zu berichten, Planungen zu übernehmen etc. Da auch beim Essen hier stets der Fernseher läuft, ist die Kommunikation gleich Null. Man stopft sich das Essen rein, wer fertig ist, stellt seinen Teller in die Spüle und verlässt den Raum. Als ich das das erste Mal erlebt habe, kam ich aus dem Staunen und der Sprachlosigkeit nicht mehr raus. Mittlerweile habe ich den Mann wenigstens soweit, dass er mit dem Aufstehen wartet, bis ich fertig bin.

Was möchtet Ihr Eurer Tochter auf jeden Fall aus beiden Kulturen mitgeben?

Weihnachten in Deutschland

An der spanischen Kultur gefällt mir die Pflege von Traditionen. Hier auf dem Dorf ist das wohl noch stärker, als in der Stadt. Die Spanier sind sehr stolz auf ihre Traditionen und ich denke, auch wenn immer mehr Dinge zum Beispiel aus den USA übernommen werden, wie Halloween oder Valentinstag, gehen die alten Riten hier nicht verloren. Ich habe zudem festgestellt, dass die Nächstenliebe hier sehr groß ist. Jedenfalls bei uns. Geht es einem Familienmitglied oder einem Nachbarn nicht so gut, ist sofort jemand zur Stelle. Man kann sich aufeinander verlassen. Diese Werte möchte ich meiner Tochter mitgeben.
Von deutscher Seite möchte ich ihr Zuverlässigkeit und Genauigkeit auch im beruflichen Aspekt, oder in der Schule bzw. Studium mitgeben. Dass sie in allem was sie tut, genau und konzentriert arbeitet, Dinge auch einmal hinterfragt und dass man sich auf sie verlassen kann, egal in welcher Sache. Die ‚Komme ich heute nicht komme ich Morgen-Mentalität‘ sollte sie nicht unbedingt übernehmen. Auch die Neugier auf andere Länder, das Erlernen von

Deutsche Fahnen zur WM

Sprachen hoffe ich, wird sie von ihrer deutschen Mutter übernehmen, obwohl da der spanische Vater gottseidank auch nicht typisch andalusisch ist und gerne reist und sogar annehmbar Englisch spricht, was hier nicht selbstverständlich ist. Ich finde die Einteilung, ‚Arbeiten wie eine Deutsche und leben wie eine Spanierin‘ ganz passend. Ich arbeite auch in einem deutschen Unternehmen, meine Kollegen sind Deutsche und das Arbeiten macht Spaß, weil es gut funktioniert, was man von den Spaniern nicht immer sagen kann. Dafür wissen diese aber umso besser, wie man das Leben genießt und nicht nur an die Arbeit denkt. Ein gesundes Mittelmaß in allem, das möchte ich meiner Tochter auf den Weg geben.

Welche kulturellen Vorlieben der einzelnen Mitglieder lebt ihr als Familie aus?

Viel unterwegs: in Ungarn

Wir lesen alle sehr sehr gern, auch der Minimensch hat jetzt schon am liebsten Bücher in der Hand, das freut mich sehr. Ich komme aus einer Familie, in der die Theaterkultur sehr groß geschrieben wurde, meine Eltern haben ein Jahresabo für Theater, Ballett und Oper. Zudem ist meine Mutter Kunsterzieherin, ich bin also auch ein bisschen in Museen groß geworden. Hasste ich als Kind und Jugendliche Aufenthalte in Kunstzentren, finde ich es heute sehr bereichernd und schön. Sobald meine Tochter das Alter erreicht hat, möchte ich sie an Kunst unbedingt heranbringen. Im Museum waren wir auch schon öfters, das musste ich dann aber irgendwann abbrechen, weil sie mir in der Trage zu schwer wurde 🙂
Ich war auch schon mit ihr im Puppentheater und das fand sie großartig, das wird also öfters gemacht. Der Mann ist Sommelier, seine kulturellen Vorlieben drehen sich alle samt um Wein und gutes Essen. Früher reisten wir viel, um Winzereien und gute Restaurants zu besuchen. Das geht jetzt natürlich nicht mehr so gut, das macht der Mann jetzt allein. 🙁
Letztes Jahr haben wir in Budapest gelebt, weil der Mann ein Jobangebot bekam. Eine tolle Stadt, die ich sehr vermisse. Das kulturelle Angebot, auch für Kinder war enorm. Jedes Wochenende gab es in irgendeinem Winkel ein Straßenfest. Der Mann hatte ein bisschen mehr Zeit und wir sind auch viel herumgereist, haben uns nicht nur Ungarn, sondern auch Wien, Prag, Bratislava und Brünn angeschaut. Das war eine wunderschöne Zeit, die wir sehr vermissen.


Wie entspannst Du am besten?

Entspannung gibt es bei mir selten, da ich oft mit meiner Tochter allein bin und zudem einen Vollzeitjob habe. Doch wenn ich mal Zeit habe, das Kind fest schläft, dann genehmige ich mir ein Glas Wein und gucke irgendeine Serie aus der ARD oder ZDF Mediathek. Lindenstraße, Rosenheimcops und solche Sachen finde ich super. Einfach mal berieseln lassen, nicht nachdenken und bloß gucken. Ansonsten ist mein Einschlafritual Lesen, mehr als fünf oder sechs Seiten schaffe ich zwar nie, dann schlafe ich schon ein, aber das ist ja dann wohl auch ein Zeichen der Entspannung. Was ich zudem gerne mache, was mir hilft, Angestautes loszuwerden, ist das laute Mitgrölen von Rocksongs im Radio. Wenn ich auf Arbeit fahre, drehe ich die Musik auf der Autobahn ganz laut und singe bzw. schreie mit. So komme ich recht entspannt im Büro an. Mit der Familie was zu unternehmen, ist zwar sehr schön, aber entspannend ist das nicht 😉

Die Kleinfamilie

Ihr habt auch ein Kind, interessiert Euch für Kultur und möchtet darüber reden? Schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com.

Meine Interviewpartner über Kultur und Kind waren bereits:

Alu und Konstantin vom Familienblog Grosseköpfe: „Wir partizipieren anders, aber nicht weniger“.
Andrea vom Runzelfüsschen-Blog: „Liebeserklärung an das Lesen“.
Susanna vom Babyplausch-Blog: „Interview mit einer Berliner Bloggerin“.
Erotik-Autorin Andrea Blumbach: „Der Vorteil von Schubladen“.