Mit 18 wurde Tanja (bloggt auf helden-familie.de) zum ersten Mal Mutter. Wie es ihr als junge Mutter erging, welchen Kraftakt sie bewältigte und wie anderes die zweite Schwangerschaft, zehn Jahre später war: Davon erzählt sie in den Familienrollen.
Als ich auf Twitter nach der Suche nach jemanden war, der sehr jung Mutter wurde, hast Du Dich gemeldet. Wie früh wurdest Du Mutter und wie war das damals?
Tanja mit ihrer ersten Tochter. |
Ja, als ich Deinen Aufruf las, habe ich mich direkt angesprochen gefühlt. Ich wurde mit 17 schwanger und war dann 18, als meine Große zur Welt kam. Die Beziehung zu meinem damaligen Partner war sehr kompliziert und eigentlich stand die Trennung an. Stattdessen wurde der Test positiv und der Besuch beim Frauenarzt zeigte, dass ich bereits in der 16./17.
Schwangerschaftswoche war.
Erstmal war das schockierend: Ich wollte ausziehen und war schon auf Wohnungssuche. Außerdem hatte ich erst vor ein paar Monaten meine Ausbildung angefangen, die ich unter keinen Umständen aufgeben wollte. Dennoch war für mich direkt klar, dass eine Trennung nun nicht in Frage kommt, (m)ein Kind braucht Mutter und Vater. Nach einer komplizierten Risikoschwangerschaft, die am Ende in einem Not-Kaiserschnitt endete, blieb auch die Beziehung zu meinem Partner weiterhin schwierig.
Als unsere Tochter etwas über ein Jahr alt war, trennten wir uns. Das verlief auch nicht „sauber“ und es gab viel Streit. Überhaupt war unsere Elternebene lange sehr schwierig bzw. unerreicht und erst seit etwa vier bis fünf Jahren können wir normal miteinander reden.
Was waren die gravierendsten Veränderungen, die damals auf Dich zu kamen?
Also da muss ich ein wenig differenzieren, aus welcher Sicht ich das betrachte. Wenn ich von damals ausgehe, war da wohl gar nicht so arg viel, das ich als so „anders“ empfand. Vielleicht lag das aber auch an mir selbst?
Ich habe sechs Geschwister und unzählige Cousins und Cousinen, es war ganz normal jung Mutter zu werden und nur noch für die Familie da zu sein. Zwar war das nie mein Plan, aber in dem Moment war es eben so, wie bei allen in meiner Familie. Wenn ich meine Situation aus der heutigen Sicht betrachte, waren da schon wahnsinnig viele Dinge, die anders waren. Die Einsamkeit, das Alleinsein waren Dinge, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Aufgrund meines Partners hatte ich sowieso schon kaum Freunde mehr, aber die wenigen die blieben, hatten einfach nichts mit Kindern zu tun. Sie waren Party machen und ständig unterwegs.
Das fehlte mir selbst nicht einmal, ich war noch nie die Party-Maus und schon immer eher der gemütliche Typ. Aber mir fehlte der Austausch mit Gleichaltrigen, die ähnliche Interessen haben. Mit den Partygeschichten konnte ich nicht viel anfangen, umgekehrt aber auch niemand etwas mit Babykram – das war eine schwierige Zeit.
Während der Elternzeit war ich ziemlich isoliert, traf hier und da Mütter auf dem Spielplatz, aber als so junge Mama fühlte ich mich überhaupt nicht ernst genommen und mied solche Kontakte auch irgendwann. Erst als meine Tochter mit drei in den Kindergarten kam, hatte ich wieder Kontakt zu Müttern, da entstanden zwar auch nicht viele Kontakte, aber zumindest eine Freundin fand ich. Vielleicht habe ich das auch nur hineininterpretiert, aber ich sah oft abschätzige Blicke und kopfschüttelndes Getuschel, entsprechend wenig habe ich mit anderen Eltern dort geredet.
Wie konntest Du Kind und Ausbildung vereinbaren?
Tanja heute. |
Ehrlich gesagt weiß ich manchmal bis heute nicht, wie ich das geschafft hab. Rückblickend betrachtet war das einfach eine sehr, sehr harte Zeit. Einmal war da natürlich die emotionale Seite: Ich war alleine, hatte ein Kleinkind und kaum soziale Kontakte.
Familie war kein Thema, der Vater meiner Tochter kam nur sporadisch. Dann kam noch die Ausbildung dazu: Die Tochter ging von 6 bis 18 Uhr zur Tagesmutter und ich sah sie kaum. Ich musste im Betrieb einen guten Job liefern, in der Berufsschule gute Klausuren schreiben. Eine weitere Belastung war meine finanzielle Lage: Ich hatte mein Ausbildungsgehalt, 2x Kindergeld und den Unterhaltsvorschuss, weil der Vater keinen Unterhalt zahlte. Davon wurden zwar alle Kosten gedeckt, doch der Überschuss für Nahrung und Kleidung war kaum erwähnenswert und ich immer sehr froh, dass die Tochter nur am Wochenende Zuhause gegessen hat…
Als meine Tochter irgendwann mit Fieber reagierte, wenn ich sie bei der Tagesmutter abgeben wollte, entschied ich mich für einen Umzug in die Nähe desAusbildungsplatzes. Ich ahnte nicht, wie schwierig es würde mit 20, alleinerziehend und in Ausbildung eine Wohnung zu finden, die in meiner Preisklasse und in einer halbwegs annehmbaren Wohngegend lag. Nach monatelangem Suchen hatte ich dann eine, auch wenn die Gegend nicht die beste war, aber die Wahl hatte ich einfach nicht mehr.
Die nächste Hürde war der Kindergartenplatz, den ich zwar zuvor zugesagt bekam, wo nun aber nichts mehr verfügbar war. Ich bin damals von einem Amt zum nächsten, hab sämtliche Kindergärten abgeklappert und stand am Ende ohne Platz da. Nebenbei hatte ich schon einige unbezahlte Urlaubstage durchgebracht und war verzweifelt: Ich hatte wahnsinnige Angst meinen Ausbildungsplatz zu verlieren, wenn ich nicht schnell eine Lösung parat hätte! Ich war total am Ende und wusste überhaupt nicht mehr weiter. Sämtliche Möglichkeiten hatte ich ausgeschöpft, ohne irgendeinen Erfolg zu haben.
Dann schlug mir mein Chef vor, das letzte Jahr Elternzeit zu nehmen und mich erst einmal um die Betreuung zu kümmern. Ich war und bin ihm wahnsinnig dankbar, denn ohne ihn hätte ich jetzt wohl keine abgeschlossene Berufsausbildung in der Tasche! Im folgenden August hatte ich einen Kindergartenplatz in einer privaten Einrichtung. Ich freute mich wahnsinnig, musste aber auch ganz schön schauen. Neben der emotionalen Belastung waren die Finanzen weiterhin ein großes Problem. Zwar fielen nun nur noch die Hälfte der Fahrkosten an, dafür musste ich den Vereinsbeitrag des Kindergartens tragen. Mein Geld reichte eigentlich gar nicht und es durfte nichts Ungeplantes dazwischenkommen.
Wenn ich das heute durchrechne, weiß ich wirklich nicht, wie wir mit dem bisschen Geld zurechtgekommen sind. Jedenfalls zog im folgenden Jahr mein kleiner Bruder zu mir, der mich ein wenig entlastete. So habe ich einen weiteren Job annehmen können, damit es finanziell besser ging. Ich war dann von 8 bis 16.30 Uhr im Betrieb, holte meine Tochter ab, war einkaufen etc., machte etwas Haushalt und fuhr dann in die Kneipe, wo ich dann von 19 bis zwei oder drei Uhr arbeitete, am Wochenende gerne bis fünf oder sechs Uhr. Mein Bruder war in der Zeit bei der Kleinen.
Das war zwar nicht die Ideallösung und wenig förderlich für gute Schulnoten, aber zumindest konnte ich unseren Kühlschrank füllen.
Ich hätte mir damals Unterstützung gewünscht, aber alles was ich beantragte endete in einem Ablehnungsbescheid, das war sehr frustrierend. Für Berufsausbildungsbeihilfe verdiente ich zu viel, für den Kinderzuschlag zu wenig, ebenso wie für Wohngeld, Leistungen nach dem SGB II stehen Auszubildenden, die BAB-berechtigt sind, nicht zu und ansonsten fiel mir auch nichts ein. Jede Beratungsstelle sagte mir, man habe den Fall einer allein erziehenden Mutter in Ausbildung im Gesetz schlicht „vergessen“, das war sehr frustrierend!
Welchen Ratschlag würdest Du anderen jungen Müttern geben, oder was hättest Du vielleicht auch vorher gerne schon gewusst?
Du schaffst alles, wenn Du nur willst! Das klingt abgedroschen, aber es ist wirklich so. Manche Zeiten werden hart sein, manche noch härter, manchmal sind es nur Monate, manchmal auch Jahre, aber irgendwann ist auch die härteste Zeit vorbei! Mach Dein Ding, kümmere Dich unbedingt um Deine Bildung (!), sei für Dein Kind da – alles andere fügt sich!
Zehn Jahre später wurdest Du wieder Mutter: Was war anders an Dir?
Ich war (und bin es eigentlich immer noch) total fasziniert davon, wie anders ich die zweite Schwangerschaft, Geburt und auch das erste Jahr mit dem Baby wahrgenommen habe. Für meine 18 Jahre war ich damals schon sehr selbstständig und reif, aber, wenn ich das aus der heutigen Sicht betrachte, kann ich nur schmunzeln.
So weit weg vom Erwachsensein! Und damit hat sich auch der Blick auf die Dinge total gewandelt. Natürlich hat sich seitdem auch viel an meinen äußeren Umständen verändert: Mein (neuer) Partner hat mich in dieser Schwangerschaft immer unterstützt, ich fühlte mich niemals allein gelassen und ich hatte ein ganz anderes Auftreten nach außen. Ich war selbstbewusst, gut informiert und wusste was ich will, das war damals ganz anders. Alles was die Ärzte wollten oder vorschlugen machte ich. Nach dem Motto „Sie werden es schon wissen“.
Entsprechend wollte ich auch die zweite Geburt zum Beispiel auf keinen Fall wieder einleiten lassen und habe mich sehr dafür eingesetzt. Zum Schluss ging es von alleine los und ich empfand die Geburt – trotz erneutem Not-Kaiserschnitt – als sehr selbstbestimmt und damit ganz anders, als die 1. Geburt. Das erste Baby-Jahr empfand ich damals zwar auch als sehr schön, ich lieb(t)e meine Tochter und genoss jeden Moment. Auf der anderen Seite aber fiel mir auch die Decke auf den Kopf und ich bereute schnell, zwei volle Jahre Elternzeit genommen zu haben, auch wenn ich meine Tochter wiederum nicht schon so früh in die Betreuung hätte geben wollen.
Es sind wirklich viele kleine Punkte die mir zeigen, wie viel zehn Jahre doch ausmachen. Wie anders ich das alles wahrgenommen habe, wie anders sich die Dinge anfühlen, aber auch wie viel die äußeren Umstände dazu beitragen.
Nun studierst Du und hast mir erzählt, dass Du ein drittes Kind gerne im Studium bekommen würdest: Warum gerade da?
Zum einen wollen wir nicht wieder einen so großen Altersabstand zwischen den Kindern haben, da muss es unweigerlich innerhalb des Studiums sein. Zum anderen studieren wir aktuell beide, sind beide mit „um die 30“ schon älter und wollen nach dem Studium dann auch in unseren Jobs arbeiten und nicht nochmal mit Kindern anfangen.
Außerdem finde ich das Studium wahnsinnig entspannt zum Kinderkriegen. Wann ist man schon so flexibel und kann auch mal zuhause bleiben, wenn ein Kind krank ist etc.?
Was wünscht Du Dir für Deine Familie für die Zukunft?
Dass wir weiterhin alle gesund bleiben, Ziele haben und sie erreichen und es uns gut geht!
Danke Dir für Deine Offenheit, liebe Tanja und alles Gute für die Zukunft.
Ihr habt auch eine außergewöhnliche Familiengeschichte? Oder eine Idee, welches Thema unbedingt mal in den Familienrollen vorkommen sollte? Dann schreibt mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com.