Alltag, Familienrollen, Kultur mit Kind

Co-Parenting: „Ich habe mein Schicksal in die Hand genommen, habe mir einen Weg gesucht, an mein Wunschkind zu kommen und es hat super funktioniert.“

Jennifer war Mitte 30, hatte keinen Partner, aber einen ausgeprägten Kinderwunsch: Wie sie  Mutter eines kleinen Mädchens wurde, was das Konzept Co-Parenting in ihrem Fall bedeutet und welche Tipps sie anderen Frauen gibt, das könnt Ihr in dem Familienrollen-Interview nachlesen. 

Ich kenne einige Frauen, die einen Kinderwunsch ohne Partner haben. (Link zum
Tomma Interview). Bisher kenne ich erst wenige, die sich diesen Wunsch dann auch so
erfüllen konnten. Du bist als Single Mutter geworden: Welche Überlegungen gab es da im Vorfeld?

Bei mir war es ein längerer Prozess, über Jahre. Angefangen hat es mit 30, da hatte ich
wirklich das Gefühl, so richtig versagt zu haben. Kein Mann, kein Kind, keine ‘normale’ Familiensituation. Also habe ich angefangen, mir Gedanken zu machen, wie ich auch anders ein Kind bekommen könnte, zuerst nur wage Gedanken, mein mentaler Ausweg war der Samenspender aus Dänemark. Auf jeden Fall habe ich angefangen, mich finanziell vorzubereiten, alleinerziehend zu sein.

Von 32-34 hatte ich nochmal eine eigentlich sehr schöne Beziehung, nur beim Kinderwunsch sind wir nicht zusammengekommen, also haben wir uns schweren Herzens getrennt. Diese Energie habe ich genutzt, um Nägel mit Köpfen zu machen. Schließlich hatte ich eine Liebe aufgegeben für ein Kind, das es noch gar nicht gibt. Gedanklich habe ich alle Optionen durchgespielt, man kann ja auch einfach so von jemand schwanger werden und es ihm nicht sagen oder es doch sagen und eine Vaterschaft erzwingen oder eben jemand eine Beziehung vorspielen, um an das Kind zu kommen. All das war für mich recht schnell ausgeschlossen, ich wollte mein Kind nie belügen müssen, wo es her kommt. Es sollte also der Spender werden.

Nun bist Du Mutter: Wie war der Weg dahin?

Ich habe angefangen, mich mit den Thema Samenspender auseinander zu setzen, fand das aber auch schwierig. Besonders die Betreuung während meiner Arbeit als Flugbegleiterin machte mir Sorgen. Zufällig habe ich einer Kollegin mein Leid geklagt, die mir das Konzept der Co-Elternschaft erklärt hat und meinen Co-Papa gleich mitpräsentiert hat, ein Freund von ihr und Kollege von uns, der auch gerne Kinder gehabt hätte, dem aber die Partnerin fehlte.

 

Wir haben uns getroffen, mochten uns sofort, haben alle Modalitäten besprochen und waren uns recht schnell einig. Nun arbeiten wir für die gleiche Firma, das gibt natürlich Sicherheit, hätten wir uns zB über das Internet kennengelernt, dann hätte ich mir sicher mindestens ein Jahr Zeit gelassen mit dem Kennenlernen. Wir haben versucht, vorher alle Eventualitäten zu klären, soweit das möglich ist, haben Rechtliches besprochen, Szenarien durchgespielt und es nach ein paar Monaten einfach versucht. Total romantisch mit der Bechermethode, aber auch ein Erfolg beim ersten Versuch.

Rechtlich sind wir genauso verbunden wie alle anderen Eltern auch, er hat das halbe Sorgerecht, damit regelt im schlimmsten Streitall das deutsche Sorgerecht vor Gericht
alles genauso wie bei Ehepaaren auch.

Obwohl Du Dich alleine für ein Kind entschieden hast, scheint der Vater nun doch eine Rolle zu spielen. Wie groß ist diese?

Also als alleine mit Kind begreife ich mich nicht, schon gar nicht alleinerziehend. Ja, ich habe mehr Zeit mit dem Säugling verbracht, da sie ja noch gestillt wurde, aber je älter sie wird, desto mehr Zeit beim Papa fordert sie auch selber ein und er genießt es sehr, sie bei  sich zu haben und sie zu versorgen. Wir sind zu zweit Eltern, das war von Anfang an so abgesprochen, entscheiden alles gemeinsam, teilen uns die Kosten, versorgen die Kleine abwechselnd, sie hat Mama und Papa. Also ja, wir sind schon irgendwie eine Familie.

Vielleicht kann man es am besten so beschreiben: wir sind keine Familie zu dritt, sondern ich mit ihr und er mit ihr und darüber sind auch er und ich verbunden.

Klingt komisch, ich weiß, aber anders kann ich es nicht beschreiben. Wir machen natürlich auch Sachen gemeinsam, fahren in den Urlaub, besuchen die Großeltern, machen Ausflüge, er geht mit ihr zum Kindergeburtstag der Kinder meiner Freundinnen, wenn ich nicht da bin.

Wohnt sogar mit ihr bei mir, wenn sie sich nicht trennen mag von ihrem Kinderzimmer. Familie light vielleicht? Da wir beide Flugbegleiter sind, haben wir keine festen Zeiten, wann sie
wo ist. Fliege ich, ist sie bei ihm und andersrum. Morgen zum Beispiel fliegt er in den
Urlaub, da ist sie dann eben komplett bei mir für eine Woche.

Danach fliege ich mit ihr eine Freundin besuchen, da kommt sie mit. Also 2 Wochen fast nur bei mir, danach gehe ich arbeiten, da ist sie dann wieder 5 Tage bei Papa. Wir richten uns jeden Monat neu ein, requesten Flüge gegenläufig und wer etwas vorhat, meldet das an und wir organisieren das über einen gemeinsamen Kalendar.

Wie reagiert Dein Umfeld auf Eure Situation?

Da ich mich entschlossen habe, unsere Geschichte über meinen Blog öffentlich zu machen, weiß es so ziemlich jeder. Wir gehen offen damit um, warum auch nicht? Ich finde unsere Art von Familie toll, mit jedem Tag besser, und stehe voll zu dem Konzept.

Nein, ich habe nicht versagt, ich habe mein Schicksal in die Hand genommen, habe mir einen Weg gesucht, an mein Wunschkind zu kommen und es hat super funktioniert. Ich habe selbstbestimmt gehandelt, das ist doch toll.

Ich finde, es ist keine Schande, sich einzugestehen, dass es eben mit dem Traummann noch nicht geklappt hat. Und nur weil ich den nicht gefunden habe, heißt das nicht, dass ich keine gute Mutter sein kann. Ich bin eine tolle Mama, meine Kleine und ich haben ganz viel exklusive Zeit, die wir nicht teilen müssen und ich finde das wunderbar.

Ich bekomme eher wenig Kritik, mal auf FB oder unter Artikeln, aber das lese ich kaum. Ich wollte Frauen erreichen, die in der gleichen Situation sind, wie ich es war, die verzweifeln, so wie ich und ich möchte ihnen Mut machen, dass es auch andere Wege gibt und dass das Kind es wert ist, mutig zu sein.

Was wünscht Du Dir für Euch für die Zukunft?

Ich hoffe, dass wir es schaffen, weiterhin so toll miteinander umzugehen und als andere Art von Familie zu bestehen. Da sehe ich aber wenig Probleme. Man streitet doch deutlich weniger, wenn man emotional nicht so sehr involviert ist wie in einer Beziehung. Viele Reibungspunkte fallen ja weg, zB müssen wir uns nicht neu aufstellen als Paar mit Kind, das kostet sicher auch Kraft (ein Artikel dazu) Ein weiteres Kind werden wir nicht zusammen haben, ihm reicht das eine.

Ich wollte ja eigentlich immer gerne mehrere, aber ich würde dafür jetzt keinen zweiten Co-Vater suchen. Das wäre mir dann doch zu wild. Wenn ich nochmal jemand kennenlerne und es gut passt, dann ja. Aber da bin ich total entspannt, ich genieße die enge Bindung zu meiner Kleinen sehr und kann mir im Moment noch nicht mal einen neuen Partner vorstellen. Wenn er doch noch  um die Ecke kommt, finden wir einen Platz für ihn, wenn das erst in 10 Jahren passiert, ist das auch total ok. Es müsste ja auch jemand sein, der unser Modell gut akzeptiert und mitmacht.

 

Die Kleine hat einen aktiven Vater, sie bekommt altersgerecht immer die Wahrheit gesagt. Warum auch nicht? Die Wahrheit ist einfach, dass wir sie uns beide so sehr gewünscht haben, dass wir alles getan haben, um sie zu bekommen, sogar ungewöhnliche Wege einzuschlagen. Und sie wird sicher nicht die einzige im Kindergarten sein, die getrennte Eltern hat und mal hier, mal da wohnt.

Was rätst Du anderen Frauen, die vor der selben Situation stehen wie Du: Kinderwunsch
aber ohne Partner?

Ich sage immer, man muss sich wirklich viele ehrliche Gedanken gemacht haben. Eine leichte Entscheidung ist es nicht und man muss sich im Klaren über die eigenen Motive sein. Was will ich denn? Jemanden, der mich bedingungslos liebt, nicht alleine sein? Dann ist ein Kind sicher nicht die richtige Wahl.

Man sollte es schon um des Kindes Willens machen, weil man Lust hat, ein Kind zu beim Aufwachsen zu begleiten. Wenn man sich da sicher ist, dann kann man alles schaffen. Die finanzielle Seite sollte man noch bedenken,

Kinder sind teuer, sie kosten nicht nur Nerven, sondern auch richtig Geld und Rente, auch
das sollte man auf dem Schirm haben. Wenn man das für sich geklärt hat, kann es doch
losgehen, egal, wofür man sich entscheidet, es wird gut sein. Die meisten Frauen, die sich an mich wenden, haben sich schon Gedanken vom Hundertsten ins Tausende gemacht, sind also vorbereitet. Dann kann die Suche losgehen, sowohl Co-Väter als auch Samenspender findet man heutzutage ja praktischerweise im Internet.

Wie offen dann jeder damit umgeht, woher das Kind kommt, ist Geschmacksache. Meine Oma lebt leider nicht mehr, aber ihr hätte ich den Co-Papa sicher auch einfach als Partner präsentiert, warum alte Leute unnötig aufregen?

Ich sage allen: ein geliebtes Wunschkind kann man auch ohne Traummann haben, wer Mutter werden möchte, soll und kann einen Weg finden, das zu schaffen, bevor es zu spät ist. Da haben wir Frauen leider ein Ablaufdatum, also rechtzeitig loslegen. Für mich war es auf jeden Fall die beste Entscheidung meines Lebens.

Vielen lieben Dank für die Antworten, Jennifer. Mehr zu Jennifer findet Ihr auf Ihrem Blog planningmathilda.

Mehr Familienrollen findet Ihr hier. Zum Beispiel auch die Geschichte von Tanja, die sich in dem Artikel an ihre Zeit in der Kinderwunschklinik erinnert

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