Familienrollen, Kultur mit Kind

Unerzogen: Wie eine Erwachsene ihre eigene Erziehung bewertet

Unerzogen ist nur ein neuer Trend? Nein. Lea erzählt in den Familienrollen von ihrer eigenen Kindheit, wie sich diese Erziehung heute auf ihre eigenen Kinder auswirkt und von ganz viel Liebe. 

Unerzogen scheidet die Geister: Du bist vor rund drei Jahrzehnten so groß geworden. Wie sah Deine unerzogene Kindheit aus und wie hat sich Deine Kindheit dadurch von Deinem Umfeld unterschieden?

Meine Kindheit habe ich größtenteils sehr Bullerbümässig in Erinnerung. Meine Jugend sehr frei. Mir war eigentlich nie bewusst, dass ich so anders aufgewachsen bin – bis ich selber Kinder bekam. In meiner Kindheit wuchsen einige Kinder um mich herum ähnlich auf wie ich, wir lebten eine Zeit lang in einer großen Lebensgemeinschaft*, danach in kleineren Wohngemeinschaften. Mit dem Wechsel von der Grundschule (Brandenburg – d.h.nach der 6. klasse) in die Waldorfschule war ich wieder in einem ähnlichen Umfeld, obwohl wir mittlerweile in einem eher klassischen Familienhaushalt lebten.

Meine Eltern haben sich getrennt, als ich 6 oder 7 war. Soweit ich weiß, hatten mein Vater und meine Mutter bis heute nicht einen Streit. Sie sahen uns nicht als „unfertige“ Menschen, an denen irgendwas geändert werden mussten.

Ich habe sehr viel Unterstützung und Liebe von ihnen bekommen und bin dafür sehr dankbar.

Mit meinem 1. Bonusvater gab es viel Streit, als mein Bruder und ich älter (und sturer) wurden. Unsere Mutter war eine Löwenmutter und stellte sich immer vor uns. Auch in unserer Pubertät stand sie immer hinter uns. Auch wenn sie etwas nicht so gut fand. (Wie meine bunten Haare, mein Piercing oder auch manche meiner Freundschaften)

Eine nahezu regelfreie Kindheit: Was waren Deine Richtlinien?

 

Lea als Fünfjährige bei ihrem Opa: Der hat früher nämlich Kaninchen gezüchtet und Preise für die Tiere gewonnen.

Wir mussten zur Schule gehen. Waren aber meiner Erinnerung nach selbst für unsere Hausaufgaben und Leistungen verantwortlich. Ab und an gab es Streit, weil wir unsere Zimmer nicht aufräumten. Aber ich glaube, das kam meist von meinem Bonusvater.
Ich kann mich eigentlich nicht an „Du darfst nicht..!“ oder „Du musst..!“ erinnern. Ich erinnere mich hauptsächlich eher an viele Dinge, die ich durfte, die viele Gleichaltrige früher wohl nicht durften.

Wie ist das Verhältnis zu Deinen Eltern heute?

Sehr gut! Seit meinem Auszug habe ich auch zu meinem 1. Bonusvater ein gutes Verhältnis. Auch untereinander verstehen sich meine Väter und Mütter sehr gut. Und ich bin unglaublich dankbar für meine tolle Familie. Es gibt immer wieder Feste auf denen die gesamte Familie inklusive aller Bonuseltern versammelt ist und es ist immer schön.

Wenn Du Deine Kindheit Revue passieren lässt: Was war das beste am Unerzogen-Konzept und was hat Dir vielleicht einen Nachteil eingebracht?

Ein vollgestilltes Baby nach dem ersten Kuchen.

Ich und mein Bruder sind sehr selbstständige Menschen. Wir können uns helfen und scheuen uns nicht davor nach Hilfe zu fragen. Wir haben gelernt, uns selbst zu vertrauen.
Einen Nachteil kann ich ehrlich gesagt nicht erkennen. Steuererklärungen fallen auch erzogenen Menschen nicht leichter.

Nun hast Du selbst drei Kinder: Wie sehr erziehst Du und wie klappt das mit Deinem Partner, der vielleicht ganz anders sozialisiert ist, als Du?

Wir leben ganz anders, als ich damals als Kind. Statt in der Kleinstadt bzw mein Partner auf dem Dorf, leben wir in der Großstadt in einer kleinen Wohnung. Wir erziehen definitiv mehr, als meine Eltern. Alex ist ganz anders aufgewachsen als ich. Das spiegelt sich natürlich auch in unserem Alltag wieder.

Immer wieder kursiert der Spruch „Erziehung ist Gewalt“. Selten wird er gut erläutert. Wie stehst Du dazu?

Puh. „Gewalt“ ist so ein Argument, wenn einem die Worte ausgehen. Habe ich oft das Gefühl. Erziehung kann Gewalt sein. Muss es aber nicht immer.

Was wünscht Du Dir für Deine Kinder?

Dass sie glücklich sind. Und immer wissen, dass wir sie lieben und unterstützen.
Ich sage es ihnen oft. Auch, dass ich unglaublich stolz bin. Und dass sie tolle Menschen sind. Ich hoffe, dass ich in 30 Jahren auch so ein tolles Verhältnis zu meinen Kindern habe, wie meine Eltern zu mir und meinem Bruder.

Vielen Dank, Lea. 

Mehr Interviews findet Ihr wie immer unter den Familienrollen. Lea arbeitet als Modedesignerin: Ihre Seite findet Ihr hier.

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