Mit „Elternfragen“ möchte ich einmal wöchentlich mit Experten reden, Mythen hinterfragen und Antworten auf Fragen finden, die sicher viele beschäftigen. Fragen stellen finde ich nicht nur bei Kindern wichtig.
Heute geht es um das Thema Fotografie. Was gilt es bei Babyfotos zu beachten, wie bereitet man ein Kind auf den Fotografen-Termin vor: Fotografin Michelle gibt Auskunft.
Angeblich fotografiert man nie so häufig wie im ersten Babyjahr. Das beginnt bei der Geburt: Was hältst Du als professionelle Fotografin von sogenannten Krankenhaus-Shootings?
Nun, dass es im Krankenhaus Fotografenketten gibt, die nach der Geburt die Babys fotografieren, wissen die meisten Eltern. Schade finde ich nur, dass sich viele werdenden Eltern da einfach blind darauf verlassen oder gar nicht wissen, dass es Alternativen gibt.
Wenn Eltern die Bilder von den Krankenhausketten gut finden und sich bewusst dafür entscheiden, ist das völlig in Ordnung. Geschmäcker sind ganz unterschiedlich, und wem das gefällt, der ist kein potentieller Kunde von Fotografen, die sich auf Neugeborenenfotos spezialisiert haben und die Studios voller niedlicher Körbchen, Requisiten und Mützchen haben. Aber wie oft habe ich Kunden mit dem zweiten Kind, die sagen: “ach, hätten wir nur schon beim ersten gewusst, dass man mit dem Baby auch ganz andere Bilder als die im Krankenhaus machen kann!”. Das finde ich traurig.
Wichtig finde ich für Eltern zu wissen: Fotografenketten kaufen sich in Krankenhäuser ein.
Die Krankenhäuser bekommen eine Provision für die Bilder, und professionellen Kinderfotografen, die meist qualitativ wesentlich anspruchsvollere Arbeit abliefern, ist es untersagt, dort zu werben. Eltern wird also auch die Möglichkeit genommen, Vergleiche zu ziehen. Fotografen dieser Krankenhaus-Ketten werden in einem Wochenendkurs eingelernt und brauchen weder Fachwissen im Bereich der Fotografie, noch im Umgang und Posing von Neugeborenen, und schon gar nicht in der digitalen Nachbearbeitung. Die Shootings im Krankenhaus dauern wenige Minuten. Mal 10, mal vielleicht 20, wenn noch Geschwister dabei sind. Babys werden in die selbe, den Fotografen antrainierte Pose auf einer weißen Decke auf dem Krankenhausbett hingelegt, die Bilder sehen bei jedem Kunden gleich aus. Sie schicken ihre Speicherkarten mit den drei oder vier unterschiedlichen unbearbeiteten Dateien an die Zentrale und dort wird aus den Bildern qualitativ fragwürdige Massenware produziert: Viel unnützer Krempel wie Tassen, Schlüsselanhänger, Lesezeichen, … – das volle Programm eben, und alles in der (sich meist erfüllenden) Hoffnung, die verknallten Eltern kaufen das volle Programm unnützer Produkte – eben weil ihr Liebstes darauf abgebildet ist. Und automatisch finden Eltern Bilder unheimlich schön, weil ihr Kind darauf abgebildet ist, ganz gleich wie die Qualität der Bilder oder der Produkte zu bewerten ist. Hier wird einfach mit den Emotionen der Eltern gespielt.
Professionelle Babyfotografen arbeiten nicht im Krankenhaus (ich kenne sehr wenige Ausnahmen, diese Fotografen sind aber keiner Kette zugehörig!).
Ein Shooting hier dauert statt 20 Minuten auch mal 2-3 Stunden. Aber nicht,weil das Kind in anstrengende Posen geschmissen wird, sondern weil bedürfnisorientiert und ruhig gearbeitet wird.
Professionelle Kinderfotografen haben keinen Zeitdruck, räumen Stillpausen ein, wann immer es nötig ist, beruhigen und schunkeln die Babys selbst in den Schlaf, und das dauert auch mal alleine 1 Stunde, bis ein Baby so friedlich schläft, dass hochwertige Bilder möglich sind. Sicher wirkt die Vorstellung erstmal etwas unberechenbar oder unbequem, sich mit einem ganz frischen Baby (in der Regel finden die Shootings in den ersten 14 Lebenstagen statt) in ein Fotoatelier zu begeben.
Klappt das auch alles? Was, wenn das Baby weint? Im Gespräch mit dem Fotografen kann die Angst hier aber genommen werden. Noch kein Kunde ist aus meinem Atelier oder bei Kolleginnen herausgegangen und fand den Termin anstrengender als im Krankenhaus, im Gegenteil. Bei uns gibt es in der Regel sogar Kaffee und Kekse. Es gibt aber auch Kollegen, die Hausbesuche anbieten. Viele Kunden lassen sich zur Geburt statt dem 38. Kuscheltier oder dem hundertsten Strampler lieber Gutscheine bei mir schenken, weil sie damit bleibende Erinnerungen schaffen können. Wofür auch immer man sich entscheidet, wichtig ist nur, dass einem der Stil, die Bildsprache, die Farben, Accessoires usw. des Fotografen sympathisch sind – und man sich schon in der Schwangerschaft über seine Möglichkeiten informiert und euch bewusst seid:
Diese Bilder könnt ihr nie wieder nachholen. Sie sind alles, was in 3, 5 oder 20 Jahren aus dieser magischen Zeit übrig bleiben wird. Überlegt deswegen bewusst, was ihr euch für Erinnerungen vorstellt!
Sicherlich kennt jeder kennt jeder Familienbilder, die einem nicht gefallen: Verschreckte Kinder oder eine Gruppe von Personen, die künstlich in die Kamera lächeln. Was gilt es bei der Wahl des Fotografens zu beachten, dass man nicht in die Falle tappt?
Schaut euch genau das Portfolio des Fotografen an. Spricht euch der Stil an, oder stellt ihr euch etwas ganz anderes vor? Werden perfekt lächelnde Familien vor weißen Hintergründen wie aus der Zahnpastawerbung gezeigt, und ihr wünscht euch aber lieber ausgelassene, ungestellte Fotos beim Picknick im Grünen, dann passt dieser Fotograf nicht zu euch – und umgekehrt. Nicht jeder Fotograf bietet alle Arten Fotos an.
Viele Fotografen geben vor dem Shooting wertvolle Tipps zur Vorbereitung. Meine wichtigsten (und leider auch unbeachtetsten) Tipps für eine auf beiden Seiten entspannte Fotosession bei Familien- und Kindershootings ab ca. 2 Jahren:
Erzählt Eurem Kind von dem geplanten Termin. Sagt ihm aber nicht, es „muss mitmachen“.
Es wird nicht wissen, was damit gemeint ist und verunsichert werden. Erzählt ihm lieber, dass es eine nette Zeit bei einer Frau mit Kamera sein wird und ihr euch darauf freut.
Kinder spüren Eure Aufregung. Kommt entspannt und ohne Hektik zum Termin. Ihr müsst Euch nicht Gedanken machen, wie ihr Euer Kind zum Lachen bewegt. Lasst das meine Sorge sein – bis ich Euch evtl. um Hilfe bitte. Kinder brauchen keine Dauerbespaßung. Hüpft die ganze Zeit jemand hinter mir herum und ruft das Kind die ganze Zeit beim Namen wie einen kleinen Hund – (ja lacht nicht nicht, ich erlebe das leider sehr häufig!!!), während ich versuche, mich mit dem Kind zu unterhalten, wird es zu viel. Da haben Kinder keine Lust mehr herzuschauen, die Eltern werden sauer und die Kinderlaune kippt. Also, lasst mich oder euren Fotografen einfach in Ruhe mit dem Kind sprechen. Entspannt euch!!! Ich beobachte Kinder gerne erstmal und bin ruhig – das macht manche Eltern nervös, weil sie wollen, dass ihre Kinder sofort lachen. Das erwarte ich nicht von Kindern, das braucht Zeit!
Ein erzwungenes Lachen ist und bleibt ein künstliches Lachen.
Als ich neulich Kunden hatte, die ihrem Kind immer wieder sagten, wenn es nun nicht lacht, gibt es kein Weihnachtsgeschenk, habe ich sie fast rausgeworfen. So kann man nicht mit Kindern umgehen und so bekommt man keine befriedigenden Ergebnisse (ehrlich glücklich lachendes Kind!).
Ihr müsst hinter mir also keine Tänze aufführen oder Lieder singen! Oft unterhalte ich mich auch mit Kindern während des Shootings. Das mache ich, um bestimmte, ehrliche Gesichtsausdrücke hervorzurufen. Mir geht es nicht um korrekte Informationen, sondern um spannende Gesichter und eine Interaktion mit mir. Habt keine Angst, dass Euer Kind nicht tut, was es soll, je verbissener man ein Lachen erzwingen will, desto weniger wird es funktionieren. Atmet durch!
Die ersten 365 Tage entstehen viele Fotos: Was rätst Du Eltern, dass sie die Zeit ideal festhalten?
Oh ja, vom ersten Lebensjahr meines Sohnes gibt es auch ganze fünf Fotoalben! Die meisten Bilder darin haben auch bei mir keinen künstlerischen Wert und es sind auch viele Handyfotos dabei. Man sollte sich bei all der unglaublichen Fotografierlust und Bilderflut jedoch auch beim Auslösen angewöhnen, vorher mal zu überlegen: Was genau mache ich jetzt mit dem 80. Foto des selben Motivs? Wird es einfach irgendwo gespeichert und zu Datenmüll? Schaut sich das wirklich jemand irgendwann mal unter all den hunderten anderer Bilder an, oder hat das später einen Wert? Egal ob ihr mit dem Handy oder der Digitalkamera fotografiert, die Fragen solltet ihr dabei immer im Hinterkopf haben.
Manchmal ist es wertvoller, den Augenblick mit dem Kind vollkommen zu genießen, als ihn festzuhalten.
Wenn man Kinder hat – und noch dazu niedliche – macht man viele Fotos: Welche Motive dürfen Deiner professionellen Meinung nach nicht fehlen?
Klar, es gibt Momente, da freut man sich in vielen Jahren, dass man sie festgehalten hat. Das Ankommen zuhause nach dem Krankenhausaufenthalt. Das erste Greifen, Lächeln, die ersten Zähnchen, die erste Beikost (und das Gesicht dabei!), das erste Krabbeln, stehen, laufen!
Allerdings finde ich auch Alltagssituationen wunderschön: Papa liest eine Geschichte vor und Kind hört gebannt zu, Kind hilft mehlbeschmiert beim Backen…
Sicher geht es hierbei weniger um technische Perfektion als um emotionale Erinnerungswerte. Wer die Zeit so professionell und schön wie möglich festgehalten haben möchte, kann sich bei seinem Fotografen erkundigen, viele haben im Angebot Pakete, die das erste Lebensjahr begleiten, beispielsweise Shootings mit 3, 6, 9 und 12 Monaten. Abstände, die im ersten Lebensjahr Welten bedeuten und viele unterschiedliche Shootings ermöglichen!
All diese vielen schönen Fotos, die auf Rechnern virtuell rumflattern: Welche Foto-Geschenke empfiehlst Du?
Wie viele Eltern schenken auch wir an Weihnachten Kalender. Nicht, weil wir so einfallslos sind, sondern, weil sich die Großeltern und Urgroßeltern das wünschen. Gesammelt sind die Kalender ein Best-Of und ergeben in einigen Jahren sicher auch eine tolle Dokumentation. Andere erstellen am Ende des Jahres jeweils ein Fotobuch aus dem vergangenen Jahr. Auch das finde ich sehr schön, denn jedes Foto in einem Buch oder in der Hand ist eines weniger, das in Vergessenheit auf irgendwelchen Festplatten gerät. Aber bei Fotogeschenken gehen die Geschmäcker doch sehr auseinander. Die einen finden Tassen, Magnete oder Handyhüllen super, die anderen irre kitschig. Da muss jeder schauen, was zu ihm passt, das Angebot ist riesig und es wird immer mehr. Mein persönlicher Favorit sind übrigens ein Holzblock mit Foto!
Vielen lieben Dank, Michelle.
Michelle ist mit Sternenregen rund um Karlsruhe unterwegs.
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