Alltag, Elternfragen

Abstillen: „Ich spreche auch immer gerne vom „Loch der Nähe“, das gefüllt werden kann.“

Abstillen: Was tun, wenn die Mutter davon überzeugter ist, als das Kind? Stillberaterin Anna Hofer gibt Tipps und Antworten in den Elternfragen.

Wahrscheinlich wünschen es sich die wenigsten, aber dennoch kommt es vor: Was macht man idealerweise, wenn man – aus welchen Gründen auch immer – kurz nach der Geburt abstillen möchte oder muss?

Wenn man tatsächlich kurz nach der Geburt abstillen möchte oder muss, kann man sich im Krankenhaus oder vom Frauenarzt eine Abstilltablette geben lassen. Diese ist natürlich nicht frei von Nebenwirkungen, hat aber eine entsprechend schnelle Wirkung. Ansonsten empfiehlt sich, die Brust so wenig wie möglich zu stimulieren. Das heisst: Ausstreichen, Brust kühlen und enge BH’s bzw. Bustiers anziehen, damit die Milch nicht so heftig einschiessen kann. Und das natürlich nicht in reiner Eigenregie sondern in Begleitung einer Hebamme und / oder Stillberaterin vor Ort.

Vor Kurzem hast Du einer sehr lieben Bloggerkollegin geholfen, in dem Du Ihr Tipps gegeben hast, wie das nächtliche Abstillen funktioniert: Welche Tipps hast Du da parat?

Meine Tipps und Hinweise orientieren sich immer stark am Alter der Kinder, ob der Partner als Einschlaf- Trostbegleiter akzeptiert wird. Wird im Familienbett geschafen oder gibt es ein Elternschlafzimmer und ein Kinderzimmer.

In der nächsten Antwort gehe ich noch detailliert darauf ein. Tatsächlich gibt es kein Patentrezept. Und was sich auch immer wieder zeigt: Der Abstillprozess vollzieht sich in Etappen. Es gibt gute und schlechte Tage. Tage, an denen es leicht von der Hand geht und das Kind nicht nach der Brust fragt und dann gibt es Tage voller Streit, Diskussionen und Tränen. Eine Erkältung ist in Anmarsch, der Tag war anstrengend, die Akkus aller Familienmitglieder sind aufgebraucht. Darauf muss man sich bewusst einstellen, das relativiert auch die Erwartungen aller Beteiligten und schafft ein stückweit Ruhe und Geduld.

Meine Kinder haben sich beide selbst abgestillt: Ich verfüge also über keine praktische Erfahrung zum Thema. Von Bekannten habe ich gehört, dass sie nachts in anderen Zimmern schlafen, oder sogar im Rollkragen, damit das Kind die Brust nicht findet. Wie sinnvoll ist so etwas?

Einige Eltern greifen zu diesen Mitteln. Die Art wie wir abstillen, hängt auch immer vom Alter der Kinder ab. Wenn ich Mütter berate, die Kleinkinder abstillen, läuft es immer über Kommunikation und klare Ich-Botschaften. „Ich möchte nicht mehr stillen, wir können kuscheln, wir lesen ein Buch…“ etc. Es ist auch in Ordnung von Gefühlen/Schmerzen zu sprechen, Zeiten zu vereinbaren, zu denen noch gestillt wird und die Dauer.

 

Wenn ein Kind den Vater als Einschlafbegleiter ohne Groll akzeptiert, ist das wunderbar und man kann es sich teilen. Dann ist das durchaus eine gute Option. Wir tragen die Verantwortung für diesen Prozess und auch wenn es schwer fällt, ist es richtig, dass wir das Unverständnis und die Trauer unserer Kinder begleiten. Und ich weiss, dass das die eigentliche Herausforderung ist.

Wichtig ist aber auch immer wieder für mich darauf hinzuweisen, dass vor allem größeren Stillkindern aktiv Trinken angeboten werden sollte. Gerade jetzt bei den hohen Temperaturen in diesem Sommer. Denn kein Kind lässt sich für 5 Cent beruhigen (ganz gleich, ob durch Mutter oder Vater), wenn es Durst hat. Denn wenn wir stillen, sind wir auch das Getränk für unser Kind und diese „Lücke“ müssen wir bewusst schliessen.

Häufig lese ich von Frauen, die ein Kleinkind stillen, schwanger sind und abstillen möchten: Wie kann man das bewerkstelligen, ohne dass es zu argen Trennungsschmerzen kommt?

Einen solchen Fall hatte ich vor noch gar nicht langer Zeit. Oft quälen sich die Mütter mit einem schlechten Gewissen. Dass sie ihrem „großen“ Kind zugunsten des Geschwisterchens etwas wegnehmen. Ich versuche im ersten Schritt stets diese Ambivalenz zu klären. Denn mit einem schlechten Gewissen, lässt sich keine Entscheidung fällen zu der man steht.

Ich spreche auch immer gerne vom „Loch der Nähe“, das gefüllt werden kann. Wenn wir unsere Kinder stillen, sind wir ihnen nah. Wir hängen keine Wäsche auf, checken keine Mails, führen keine Telefonate. Wir sind ganz für sie da. Wenn wir uns das bewusst machen, können wir diese Momente der Ruhe und der Zweisamkeit auch ohne Stillen gewährleisten: durch kuscheln, Hörbuch hören, vorlesen.

Es gibt viele Möglichkeiten und sie müssen nicht an das Stillen geknüpft sein. Und ich spreche darüber, was getan werden kann, wenn das große Kind wenig später zusieht, wie sein kleines Geschwisterchen gestillt wird. Wie reagiert man, wenn es auch noch einmal an die Brust möchte oder wenn es eifersüchtig reagiert. Manche Dinge muss man, auch wenn es schwer fällt, auf sich zukommen lassen. Denn wie unsere Kinder reagieren ist selten vorhersehbar.
Individuelle Beratung und hier der Schlüssel und die führe da auch stets mehrere Gespräche, wenn der Abstillprozess voranschreitet bzw. das Geschwisterchen geboren wurde.

Abstillen: Woran merken Mutter und Kind das der Zeitpunkt zum Abstillen gekommen ist?

Viele Frauen äußern im Erstgespräch mit mir, den Wunsch ihren Körper wieder für sich zu haben. Wir sprechen hier nicht davon, dass sie Zeit für sich haben möchten (dieser Wunsch spielt aber auch eine Rolle), es geht vielmehr im das tiefe körperliche Empfinden wieder „für sich zu sein“. Und das ist nur legitim und ihr gutes Recht.

 

Denn es ist ja UNSER Körper zu jeder Zeit unserer Stillbeziehung. Ich kann nicht sagen, wie viele Mütter und Kinder sich mehr oder weniger zeitgleich abstillen, ich glaube, dieser Prozess wird immer einseitig gestartet. Viele Mütter fragen mich auch, wie lange sie denn noch durchhalten müssen, bis ihr Kind sich von alleine abstillt. Und da kann ich natürlich nur schwer eine Prognose liefern.

 

Was ich auch meiner Beratung mit Sicherheit sagen kann: Je klarer ich mit den Müttern die Gründe für den Abstill-Wunsch ausarbeiten kann, desto sicherer fühlen sie sich mit ihrer Entscheidung. Denn es gibt einfach nicht DEN RICHTIGEN ZEITPUNKT, es gibt DEINEN Zeitpunkt und der ist genau richtig. Dein Kind liebt Dich, immer.

 

Und wenn Du ihm nicht das Gefühl gibst, dass das Stillen falsch ist, weil es schon so groß ist, spricht und Zähne hat, dann kannst Du gemeinsam mit Deinem Kind, mit Liebe und Geduld, Abschied von Eurer Stillbeziehung nehmen.

Vielen lieben Dank, Anna. 

 

Was hat Euch beim Abstillen geholfen?

 

Anna ist die Expertin zum Thema Stillen und hat mit mir bereits über die Veränderung vom Busen gesprochen, übers Langzeitstillen und über Stillmythen und deren Wahrheitsgehalt.

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