Sterilisation bei der Frau
Familienrollen

Sterilisation der Frau: „Und wenn Ihr Partner Kinder will?“

Die Familienrollen sind aus der Sommerpause zurück. Und damit geht es wieder los:

Unter Sterilisation versteht man den „medizinischen Eingriff, der einen Menschen oder ein Tier unfruchtbar, also unfähig zur Fortpflanzung, macht“ sagt Wikipedia.

Was passiert, wenn eine junge Frau den Wunsch äußert, dass man diese bei ihr durchführt? Bei Frauen erfolgt dies, so Wikipedia weiter „durch eine Ligatur der Eileiter (Tuben), der Entfernung eines Stücks der Eileiter oder durch die Entfernung des Fransentrichters. Soweit die Theorie.

Nun zur Praxis: Miri ist gänzlich ohne Kinderwunsch, wo sie da auf Widerstand stößt und was sie sich von ihrem Umfeld wünscht, das erzählt sie in den Familienrollen

Auf Twitter hast Du erzählt, dass mit 34 zum ersten Mal eine Ärztin Deinen Wunsch nach Sterilisation ernstgenommen hat: Wann wurde für Dich deutlich, dass Du keine Kinder haben willst?

Als Grundgedanke ist dieser Nicht-Wunsch eigentlich vorhanden, solange ich mich zurückerinnern kann. Schon, als ich selbst noch Kind war, konnte ich nie mit Schulfreunden mitempfinden, die von ihren Familienplänen erzählten. Wirklich klar wurde der Gedanke bei meinem ersten Frauenarztbesuch mit 14 Jahren. Auf die Frage des Arztes, wie ich zu verhüten gedenke, sagte ich: „Och, Sie können mir eigentlich direkt nen Knoten reinmachen.“. Daraufhin hat er mich ausgelacht und mir ohne nennenswerte Beratung meine erste Pille verschrieben. An dem Tag ging diese ganze Odyssee los.

Wie schnell wurde/wird das Thema bei der Partnerwahl?

Das Thema kommt definitiv auf den Tisch, bevor es „ernst“ wird mit einer Partnerschaft. Kinderwunsch ist verständlicherweise für viele ein großes Thema, und es wäre mehr als unfair, mit meinem Nicht-Wunsch erst rauszurücken, wenn man bereits mittendrin ist. Da ich bisher nie wirklich klassisch „gedated“ habe, sondern meine Partner bereits eine ganze Weile kannte, bevor mehr daraus wurde, war das „Wann sage ich es ihm“ nie ein Problem. Jeder, der mich ein wenig besser kennt, weiß darüber Bescheid. Partner haben mich auch bisher nie zu überreden versucht, auch wenn es einen Fall gab, wo sich jemand am Ende doch nicht mit meiner gewollten Kinderlosigkeit abfinden konnte. Heute lebt er in einer Patchworkfamilie mit drei Kids und ich freue mich, dass er seinen Weg gefunden hat – wenn auch ohne mich.

Bestimmt haben mittlerweile viele Deiner gleichaltrigen Freunde Kinder. Dass das für Dich das gar kein Thema ist, bringt das Konflikte mit sich – mit unfreiwillig kinderlosen Paaren, oder mit Großfamilien mit lauten Kindern, zum Beispiel?

Lustigerweise habe ich kaum Freunde mit Kindern – die, die welche haben, wohnen weit entfernt, oder die „Kinder“ sind bereits volljährig. Als Tätowiererin arbeite ich in einem Gewerbe, in dem unkonventionelle Lebensentwürfe die Norm sind, nicht die Ausnahme. Daher falle ich da gar nicht weiter auf. Auch meine Familie ist sehr klein, ich habe keine Geschwister und bin die Jüngste. Wenn ich in Situationen mit größeren Familien und Kindern bin, bin ich sehr schnell überfordert – Ich bin es einfach nicht gewohnt. Dagegen bricht es mir das Herz, von Frauen zu hören, die Kinder wollen und nicht bekommen können. Das ist einfach furchtbar unfair.

Du hast jetzt eine Ärztin gefunden, die Deinen Wunsch nach Sterilisation ok fand. Wie haben Ärzte bisher darauf reagiert und vor allem wird es durchgeführt?

Als meine Ärztin vor ein paar Tagen zu mir sagte, dass sie meinen Wunsch nach einer Sterilisation mit auf den Überweisungsschein schreibt, bin ich vor Erleichterung in Tränen ausgebrochen. Bisher hatten mehr als zehn Ärzte und Ärztinnen diesen Wunsch nicht einmal ernst genommen.

Reaktionen reichten von Abwinken über Lachen bis hin zu den Sprüchen, die sich jede Frau anhören muss, die keine Kinder möchte: „Und wenn Ihr Partner Kinder will?“, „Das ändert sich noch“, „Sie sind zu jung“, „Ihr Partner kann das doch machen lassen“ und, mein Favorit: „Es gibt doch noch andere Möglichkeiten der Verhütung“: Ja, die gibt es – Und ich habe sie inzwischen alle durch. Verschiedenste Pillen, Spiralen, Implantate, Pflaster, Spritzen. Nichts dabei, was nicht massive Nebenwirkungen bei mir hätte oder unpraktisch wäre. Und wenn ich mal wieder mit Migräne im Bett liege oder wegen des nächsten depressiven Schubs kaum funktionieren kann, frage ich mich halt – wozu das alles, wenn ich doch eh keine Kinder möchte? Ob die Steri jetzt von der Klinik bewilligt wird? Keine Ahnung. Die Chancen stehen wohl nicht schlecht, da ich eh eine Bauchspiegelung brauche, daher nicht „einfach so“ aufgemacht werde. Und ich bin einen Schritt weiter als ich je war. Dass ich die Kosten dafür selbst tragen muss, ist mir klar – Ich erwarte keine Zuschüsse für meine Entscheidung.

Seit rund zwanzig Jahren setzt Du Dich mit einer möglichen Sterilisation auseinander und erlebst unterschiedliche Reaktionen: Mann/Frau/non binär – was denkst Du, betrifft das Thema jeden gleich?

Ich denke, jede Person ist von diesem Thema unterschiedlich betroffen, so wie auch jede Person anders ist. Was mich persönlich sehr stört, ist der Unterschied im Umgang mit weiblicher vs. männlicher Sterilisation. Wenn ein Mann sich sterilisieren lassen möchte, wird das in der Regel, auch in jungem Alter, nach mehr oder weniger eingehender Beratung halt gemacht. Frauen dagegen brauchen meist erstmal Jahre, bis ihnen überhaupt zugehört wird, bevor sie überhaupt ernstgenommen werden. Und das geht mir massiv gegen den Strich. Ich bin absolut dafür, dass man über alle Risiken informiert wird, die eine Sterilisation mit sich bringt. Bei der Frau ist das Ganze ja auch um einiges aufwändiger als beim Mann. Nichtsdestotrotz ist das definitiv ein Thema, dem es bisher an feministischer Arbeit fehlt – Einfach auch, weil so wenig öffentlich darüber gesprochen wird.

Wie offen gehst Du damit um und vor allem was wünscht Du Dir?

Wie man sieht, gehe ich damit sehr offen um – Dieses Thema sollte kein Tabu sein. Man sollte sich als Frau nicht schämen müssen, wenn man keine Kinder möchte. Es ist ein Lebensentwurf, den viele nicht nachvollziehen können, aber es schadet doch niemandem. Und die große Resonanz auf meinen Thread bei Twitter zeigt, dass ich längst nicht so allein damit bin, wie ich bisher angenommen hatte. Durch alle Diskussionen und DMs, die ich in den letzten Tagen gelesen habe, zieht sich ein roter Faden – Frauen, die sich beim Arzt nicht ernst genommen fühlen und Männer, die darüber völlig fassungslos sind. Obendrauf kommt noch, dass viele gar nicht wissen, was eine Sterilisation genau bedeutet. Das zeigt, dass dieses Thema in der heutigen Gesellschaft bisher viel zu wenig angesprochen wurde – Weder in der schulischen Sexualerziehung, wo es in meinem Fall nicht einmal erwähnt wurde, noch im allgemeinen Diskurs zur Familienplanung. Was ich mir im Endeffekt wünsche ist, dass Frauen zumindest mal zugehört wird, so wie es für Männer gang und gäbe ist.

Vielen lieben Dank, Miri. 

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