Alltag, Familienrollen

Ohne Stillen: „Wir geben alle unser Bestes und der Mutterinstinkt lässt uns das Richtige tun.“

In den Familienrollen gibt es nun erstmal einen Gastbeitrag: Eva-Maria, liebe Leserin und Dreifach-Mutter, hat mir ihre Geschichte erzählt. Es ist die Geschichte des Nicht-Stillens und einer Aufforderung: Vielen Dank für die Offenheit. 

Eva-Maria’s Geschichte: 

 

„Natürlich werde ich stillen. Es steht doch überall, dass es das Beste für das Kind ist, alle erwarten das von mir und Kinder, die nicht gestillt werden, werden oft krank, werden hyperaktiv und dumm, habe ich gelesen.“

So dachte ich kurz vor der Geburt unserer 1. Tochter im April 2014. Es war also soweit, ich durfte meine unglaublich hübsche und perfekte Lotte in den Armen halten. Sie wurde mir auch gleich angelegt und das Saugen funktionierte.

Stillprotokoll aus dem Krankenhaus

Ich bekam ein Stillprotokoll, welches ich führen sollte und sollte Lotte alle zwei Stunden anlegen, damit der Milchfluss angeregt wird. Das Krankenhaus war sehr auf das Stillen bedacht und ließ einen spüren, dass es gar nicht geht, wenn man seine Kinder nicht stillt. Nach zwei Tagen sollten wir entlassen werden, wenn die U2 in Ordnung ist. Das Gewicht von Lotte war gerade noch im Normbereich. Wir durften nach Hause.

 

Zu Hause bekam ich hier und da viele Ratschläge, wie das Stillen funktioniert, ich flößte mir Malzbier ein, trank Literweise Kamillentee und pumpte, um den Milchfluss weiter anzuregen, doch es kam und kam nichts bzw. nur tröpfchenweise und Lotte nahm immer weiter ab. Nach zwei Tagen zu Hause bekam ich eine Wochenbettdepression und weinte sehr viel. Ich wusste nicht warum, es lief einfach so, obwohl ich so glücklich über mein Baby war. Die Hebamme sagte, wir sollen ein bisschen zufüttern, damit Lotte zunimmt.

 

Stillen mit der Milchpumpe

Ich „wollte“ weiter probieren zu stillen, weil es alle von mir erwarteten. Die Brüste wurden immer größer, immer schwerer, immer praller und die damit verbundenen Schmerzen waren für mich unerträglich. Der Duschstrahl auf meiner Brust ließ mir die Tränen über die Wangen laufen, solche Schmerzen hatte ich. „Stillen ist das Schönste, was es gibt!“ Aha, dachte ich. Vielleicht kommt es ja noch. Ich weiß noch, wie ich auf dem Bett saß, die Brüste frei, die Milchpumpe in der Hand und ich Tränen in den Augen hatte, weil ich wusste, dass ich gleich wieder unglaubliche Schmerzen haben werde.

Abstillen

Ich habe so viel geweint, weil ich dachte, ich sei keine gute Mutter, weil ich nicht stillen kann bzw. wenn ich es aufgeben würde.

 

Nach acht Wochen sagte meine Hebamme, dass es mir nicht gut geht und ich abstillen solle, wenn ich es möchte. Mit diesem Gespräch habe ich aufgehört zu weinen und ich war unglaublich glücklich, dass mir diese Last abgenommen wurde. Es ist traurig, es als Last zu betiteln, aber für mich war es eine.

Im September 2015 kam unsere zweite wunderschöne Tochter Tilda zur Welt und ich sagte vorher „Du probierst es wieder, aber machst dich diesmal nicht verrückt, wenn es nicht klappt!“ Ich probierte es also wieder, aber wieder kamen nur Tropfen. Man konnte sie zählen, so wenig war es. Natürlich musste ich mich zusammen reißen, denn ich war ja wieder in dem stillfreundlichen Krankenhaus. Die Schmerzen waren unerträglich. Bei jedem Gedanken, dass ich in drei Stunden wieder Stillen muss, habe ich die Lust auf meine Tochter verloren. Und als ich diesen Gedanken hatte, habe ich gesagt „Nein, das darf nicht sein!“ Nach nur zwei Wochen habe ich abgestillt.

 

Im Mai 2017 kam unser Sohn zur Welt. Vielleicht sollte es ja da klappen mit dem Stillen. Als Emil sein Bauch am zweiten Tag direkt nach dem Stillen grummelte, dachte ich „Ne, also der Bauch meines Sohnes muss nicht vor Hunger grummeln!“ Ich lag in einem anderen Krankenhaus und war in Gedanken aber in dem Krankenhaus der ersten beiden Geburten. Ich rief meinen Freund „heimlich“ an, dass er mir beim nächsten Besuch eine Flasche, Milchpulver und Wasser mitbringen soll. 5 Minuten später kam die Schwester rein und fragte „Und, wie sieht’s mitm Stillen aus? Klappt es?“ Und ich sagte „Ganz ehrlich? Ich würde gerne aufhören, denn es kommt wieder nichts und Emils Bauch grummelt vor Hunger.“ „O.k., wollen Sie eine Abstilltablette?“

 

Flaschenkind

Keine Überredungskünste, keine komischen Sprüche? Ich war glücklich und Emil von da an ein Flaschenkind. Und mir war egal, was andere sagten.
Vielleicht habe ich bei allen drei Kindern zu früh aufgegeben, aber ich war sehr unglücklich und ich konnte das Mama sein erst richtig genießen, als ich abgestillt habe.

Alle drei sind prächtig entwickelt und weder hyperaktiv, noch dumm.

Da man immer liest, dass Stillen das Schönste ist, weiß ich nicht, ob ich etwas falsch gemacht habe, ob sich zu dem Thema nur Mütter melden, bei denen es reibungslos klappt oder ob sich manche Mütter etwas vormachen.

 

Ich würde den werdenden Müttern gerne mitgeben, dass sie auf sich und ihren Körper hören sollen. Wenn sie nicht glücklich sind mit dem, was sie tun, egal mit was, dann sollen sie es nicht tun.

Wir geben alle unser Bestes und der Mutterinstinkt lässt uns das Richtige tun. Wir sind nicht nur eine gute Mutter, wenn wir stillen.

 

Sind hier noch mehr Leserinnen, die auch nicht gestillt haben? Dann erzählt doch davon. 

 

Bei mir war der Part ja umgekehrt: Ich wollte erst gar nicht und wurde dann zur quasi „Langzeitstillerin“. Meine Geschichte habe ich hier aufgeschrieben.

 

Zum Thema Stillen findet Ihr hier auch ein Interview, was das Stillen mit dem Busen macht. Außerdem „Stillmythen und ihr Wahrheitsgehalt„. Zudem ein Interview übers Langzeitstillen bei einem fünfjährigen Mädchen mit Julia.

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