Immer am Dienstag gibt es hier die Elternfragen: Heute verrät Josephine, Betreiberin der Berliner Schwimmschule Aquaphine, was der Zauber vom Babyschwimmen ist, was Kinder dort vermittelt werden und ab wann ein echtes Schwimmen lernen sinnvoll ist.
Neben Pekip und Co. steht Babyschwimmen bei vielen hoch im Kurs: Woher kommt der Trend
zum Babyschwimmen?
Babyschwimmen gibt es tatsächlich schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Damals nannte man das noch nicht so, dennoch gab es schon Forschungen zur Bewegungsentwicklung des Menschen und im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden diese Forschungen fortgeführt bis zu den ersten Weltkongressen „Babyschwimmen“ in den 90iger Jahren und dem Weiterbildungsangebot des Deutschen Schwimmverbandes Anfang der 2000er zum Kursleiter Säuglings- und Kleinkindschwimmen.
Im Laufe der Jahre hat sich der Trend zur frühestmöglichen Förderung der eigenen Kinder, um für alle Eventualitäten im Leben gewappnet zu sein, immer mehr verschärft und da Eltern gern jedes Lernfenster, das sich auftut, nutzen möchten, besuchen sie Kurse wie PEKiP oder eben Babyschwimmen.
Viele Eltern sehen auch die Notwendigkeit, Kinder früh ans Wasser heranzuführen – entweder sogar weil sie selbst, vielleicht aufgrund schlechter Erfahrungen, Ängste haben und diese nicht auf’s Kind übertragen wollen oder gerade weil für sie das Schwimmen eine Leidenschaft darstellt und sie daher diese Liebe zum Element frühestmöglich an ihre Kinder weitergeben möchten.
Für die Babys hat das Ganze eher damit zu tun, dass die Kinder Wasser als ihr natürliches Element empfinden – immerhin werden sie fast 10 Monate im (Frucht-) Wasser getragen. Dieses Gefühl, vom
Wasser umschlossen zu sein, genießen sie nun auch außerhalb des Babybauchs.
Was bekommen die Kinder beim Babyschwimmen vermittelt – neben der Freude am Wasser?
Erwiesenermaßen (dazu gibt es Studien der Sporthochschule Köln beispielsweise) sind Kinder, die in
ihrem ersten Lebenshalbjahr am Babyschwimmen teilgenommen haben, noch Jahre später als Kita-Kinder
mit ca. 4 Jahren ihren Altersgenossen (grob-)motorisch (z.B. beim Rückwärtslaufen) überlegen, als
diejenigen, die das nicht gemacht haben.
Für das spätere Schwimmen lernen kann die Gewöhnung an das Element nur förderlich sein – es steht
aber bei Babyschwimmen natürlich noch nicht im Fokus!
Es gibt unterschiedliche Ansätze, die man als Babyschwimm-Anbieter verfolgen kann: da wäre das
sportorientierte Konzept, dessen Ziele zielgerichtetes Schwimmen lernen und Selbstrettungstechniken zur Minderung der Ertrinkungsraten sind. Dann wäre da noch das medizinisch orientierte Konzept, dessen Ziel eher eine prä- und rehabilitative Gesundheitstherapie darstellt.
Wir arbeiten nach einem ganzheitlichen pädagogisch orientierten Konzept, in welches viel Zielsetzungen der beiden vorgenannten einfließen. Das heißt wir schaffen lernoffene Situationen, Gruppenkontakte als soziales Lernfeld, Wasser als eigenständiges Lernfeld für das Kind und wöchentliche wechselnde spielerische Anregungen zur geistigen Entwicklung. Das Wasser soll durch Spiel und Spaß angstfrei erlebt und die Eltern-Kind-Interaktion gefördert werden. Des Weiteren wird durch das Tauchen mit der Wassergussmethode die Situation unter Wasser den Kindern nahe gebracht und sie erfahren erste Selbstrettungsmaßnahmen, wie die Orientierung unter Wasser an die Oberfläche und zum rettenden Rand (Ufer). Außerdem lassen sich so schnell neue Kontakte zu anderen Eltern knüpfen und die Gruppenzusammengehörigkeit wird gestärkt.
Die gemeinsame Zielsetzung aller Ansätze ist natürlich die Förderung der gesamten Kindesentwicklung
(sensomotorisch, geistig, emotional und sozial).
Eure Kurse sind oft ausgebucht, bei den Geschwisterkursen beträgt die Wartezeit drei Monate: Warum dauert das so lange?
Leider übersteigt die Nachfrage nach Babyschwimmkursen bei Weitem das Angebot. Voraussetzung für alles ist die Wasserfläche und die Möglichkeit, das Becken auf mindestens 32 Grad zu erwärmen – das gibt auch nicht jedes Becken her, weil die Poolfolie oder die baulichen Voraussetzungen für Babyschwimmen nicht angedacht waren.
Wir betreuen in den Kursen derzeit etwa 1300 große und kleine Teilnehmer pro Woche. Das Wasser muss qualitativ vernünftig aufbereitet werden, wozu es Ruhepausen braucht – daher ist das Angebot von „Mitternachtsschwimmen“ leider nicht machbar – obwohl aufgrund des Mangels vermutlich auch solche
Kurse Anklang fänden.
Aus dem Standort in Deutschlands geburtenreichster Region – Berlin Prenzlauer Berg – ergibt sich auch
hier die Antwort auf die Frage des akuten Schwimmplatzmangels.
Für das Familienschwimmen am Wochenende und die Geschwisterkurse besteht eine lange Warteliste,
das stimmt – es liegt zum Teil in der Natur der Sache (2 Wochenendtage zu 5 Tagen unter der Woche). Zum
anderen ist die Idee des Familienschwimmens mit zwei Begleitpersonen am Wochenende und auch das
Geschwisterschwimmen mit unterschiedlicher Altersstruktur durch aquaphine erst ins Leben gerufen worden und (noch) ein Alleinstellungsmerkmal.
Wir sind bemüht, weitere Möglichkeiten zu schaffen – wir würden gern noch an weiteren Stellen Kurse anbieten und denken auch schon ernsthaft über den Bau eines eigenen Bades nach, um die Warteliste reduzieren zu können. Bisher hat sich das Warten aber immer gelohnt – über kurz oder lang versuchen wir alle unterzubringen
und es gibt kein „zu spät“ mit den Baby- oder Kleinkinderschwimmen zu starten.
Meine Kinder lieben beide das Wasser: Oft höre ich, dass Kinder nicht so freudig darauf reagieren. Was können Eltern tun, um Kindern die Angst vorm Wasser zu nehmen?
Zum einen nicht ihre vielleicht durch eigene negative Erfahrungen bestehende Angst auf das Kind übertragen und zum Schwimmen kommen, also bitte nicht das Wasser meiden!
Späteres Schwimmlernen ist überlebenswichtig und je eher man das Element für sich erobert, desto früher und leichter lässt es sich beherrschen.
Unsere Trainer sind auch darauf geschult, ängstliche oder skeptische Kinder in die Kurse zu integieren: indem sie mit unterschiedlichen Schwimmhilfen den Kindern eigene Wassersicherheit vermitteln und durch spielerische Angebote eine positive gelenkte Ablenkung im Wortsinne zu schaffen, soll heißen, das Kind denkt nicht mehr darüber nach, dass es sich (allein) im Wasser bewegt, weil es sich auf das Spiel konzentriert und darin ganz aufgeht.
Die Situation, wenn ein Kind an Papas Hals geklammert das Becken zum ersten Mal „betritt“ und am Ende
des Kurses fröhlich mit Schwimmflügelchen durchs Wasser paddelt und dem wenige Meter entfernten
Vater(!) zuruft „Papa, guck mal der Fisch geht unter.“, zeigt mir jedes Mal, wie wertvoll unsere pädagogische Arbeit im Wasser ist!
Ins Freibad mit knietiefem Wasser gehen und den Wasserguss auch zu Hause beim (gemeinsamen) Baden
zu üben hilft auch. Und: Kinder, die zu Hause nicht gern baden, können sich in einem Kurs aufgrund der
anderen Eindrücke (Temperatur, andere Haltung und Akustik, andere Teilnehmer) pudelwohl fühlen.
Kürzlich unterhielt ich mich mit einem Vater dessen Kind in einem Schwimmkurs ist: Für den Fünfjährigen ging es in dem Kurs aber noch nicht um das richtige Schwimmen. Wann ist das bei Euren Kursen vorgesehen?
Bei uns lernen die Kinder ab 4 Jahren Schwimmen – womit wir schon gut 1 Jahr eher dran sind, als beispielsweise die öffentlichen Bäderbetriebe oder andere Vereine. Vorher ist eine Wassergewöhnung sinnvoll aber kein Muss.
Wir können schon etwas eher starten, weil die Bedingungen bei uns andere sind: zum einen warmes Wasser (32 Grad vs. 26-28 Grad) – das Kind kann sich also aufs Schwimmen konzentrieren und muss keine Energie im wahrsten Sinne des Wortes aufbringen, sich warm zu zittern.
Des Weiteren ist der Betreuungsschlüssel mit 1:5 (max. 10 Kinder im Kurs auf zwei Trainer) ein anderer als in manchen Vereinen, wo 15 und mehr Kinder von einem Trainer angelernt werden. Außerdem sind unsere Trainer mit IM Wasser, d.h. sie rufen nicht irgendwas vom Beckenrand zu, was das Kind dann im Wasser umsetzen soll, sondern wir können die Beine und/oder Arme beim Kind führen, damit es erfährt, wie muss sich die soeben verbal vermittelte Bewegung denn anfühlen.
So haben wir außerdem immer die Kontrolle über alle Kinder, ohne dass sie sich von oben herab kontrolliert fühlen. Unsere Trainer sind – da die meisten auch eine Ausbildung in der Wassergewöhnung (Baby- und
Kleinkind-Schwimmtrainer) haben, auch darauf geschult, kindgerecht und spielerisch Ängste der Kinder ab- und Vertrauen aufzubauen.
Dass man früher eher Schwimmen gelernt hat, bezweifle ich: noch heute lernen (leider) über 50% der
Kinder – wenn überhaupt – erst in der Schule in der 2. oder 3. Klasse das Schwimmen. Die Eltern
können ja mal auf das Ausstellungsdatum ihres Seepferdchens schauen: ich behaupte, bis auf wenige
Ausnahmen sind sie auch erst im späten Kindergarten- bzw. frühen Grundschulalter gewesen.
Vielen lieben Dank für die Antworten, Josephine.
Ihr habt auch ein Thema, das unbedingt mal in den Elternfragen behandelt werden soll, dann schreib mir eine Mail an fruehesvogerl@gmail.com.
Es gab schon einige Experten in dieser Reihe wie zum Beispiel: Su über Stoffwindeln, Schlaf mit Nora Imlau, Trotzphasen mit Katja Seide, Reitpädagogik mit Miriam Neudeck und Stillen mit Anna Hofer und Elternsex mit Katja Grach.